Acht Personen willkürlich in Haft

In Sierra Leone sind seit über drei Monaten acht Personen willkürlich inhaftiert. Nachdem es im Oktober 2014 zu Ausschreitungen im Zusammenhang mit einem Ebolaverdachtsfall gekommen war, wurden sie nach der geltenden Notstandsverordnung auf Anweisung des Präsidenten festgenommen.

Appell an

PRÄSIDENT
Ernest Bai Koroma
The President
State House
Freetown
SIERRA LEONE
(Anrede: Your Excellency / Exzellenz)
E-Mail: jkawusu-konte@statehouse.gov.sl oder
jaramenajara@yahoo.com

Sende eine Kopie an

JUSTIZMINISTER
Franklyn Bai Kargbo
Minister of Justice and Attorney General
Ministry of Justice, 3rd Floor, Guma Building
Lamina Sankoh Street
Freetown
SIERRA LEONE
Fax: (00 232) 22 22 93 66 oder
(00 232) 22 22 49 40

BOTSCHAFT DER REPUBLIK SIERRA LEONE
S. E. Herrn Jongopie Siaka Stevens
Herwarthstr. 4
12207 Berlin
Fax: 030-772 058 52 9
E-Mail: slberlin@foreignaffairs.gov.sl

Bitte schreiben Sie Ihre Appelle möglichst sofort. Schreiben Sie in gutem Englisch oder auf Deutsch. Da Informationen in Urgent Actions schnell an Aktualität verlieren können, bitten wir Sie, nach dem 11. März 2015 keine Appelle mehr zu verschicken.

Amnesty fordert:

E-MAILS ODER LUFTPOSTBRIEFE MIT FOLGENDEN FORDERUNGEN

  • Bitte lassen Sie die acht Inhaftierten sofort und bedingungslos frei oder begründen Sie eine Ablehnung der Haftentlassung unverzüglich, sodass ein unabhängiges Gericht die Fälle überprüfen kann, wie es Ihre Verfassung vorschreibt.

  • Stellen Sie bitte sicher, dass die Behörden unverzüglich umfassende und unabhängige Ermittlungen zu den Tötungen einleiten, für die Angehörige der Polizei verantwortlich sein sollen. Sorgen Sie bitte außerdem dafür, dass Polizist_innen, die für die Tötungen verantwortlich sein sollen, vor Gericht gestellt werden und dass sie ein Verfahren erhalten, das internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entspricht.

  • Ich fordere Sie auf, die Einschränkungen der Menschenrechte im Rahmen des nationalen Notstands nach den Bestimmungen des Völkerrechts zu gestalten. Stellen Sie inbesondere sicher, dass die Vorraussetzungen für faire Gerichtsverfahren zu jeder Zeit gegeben sind.

PLEASE WRITE IMMEDIATELY

  • Urging the President to release the eight detainees immediately and unconditionally, or otherwise confirm the refusal immediately so the necessary legal review can take place by an independent tribunal as provided for by the Constitution.

  • Urging the authorities to ensure a prompt, thorough and impartial investigation of the alleged killings by police officers, and ensure that any officers found responsible for such killings are brought to justice in proceedings which meet international fair trial standards.

  • Calling on the authorities to ensure that restrictions on human rights under the State of Emergency are in accordance with international standards; in particular, to ensure that the requirements of the right to a fair trial are respected at all times.

Sachlage

Der sierra-leonische Präsident unterzeichnete am 24. Oktober 2014 nach der geltenden Notstandsverordnung einen Haftbefehl gegen 34 Personen aus dem Distrikt Kono. Die betroffenen Personen sollen an Ausschreitungen beiteiligt gewesen sein, zu denen es im Distrikt Kono gekommen war, als die Familie eines Lokalpolitikers die Gesundheitsbehörden daran hinderte, die 90 jährige Großmutter einem Ebolatest zu unterziehen.Hierbei sollen zwei Personen von Polizeibeamt_innen erschossen worden sein. Im Zusammenhang mit diesen Tötungen haben bis heute keine Verhaftungen stattgefunden. 26 Inhaftierte wurden inzwischen freigelassen.

Die inhaftierten Frauen werden seit über drei Monaten im Frauengefängnis in der Hauptstadt Freetown festgehalten, die Männer im Pademba Road Gefängnis, etwa acht Autostunden von ihrer Heimat entfernt. Ihnen wurde weder mitgeteilt, warum sie festgenommen worden sind, noch hat man ihnen die Möglichkeit gegeben, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierungen prüfen zu lassen. Bislang wurden sie weder von der Polizei noch von den Justizbehörden vernommen. Ein Entlassungsdatum hat man ihnen ebenfalls nicht mitgeteilt.

Die Polizei fühlt sich nicht zuständig und lehnt Ermittlungen ab, da die Festnahme aufgrund einer Vollzugsanordnung des Präsidenten erfolgte. Die Frauenrechtsorganisation AdvocAid forderte in einem Brief an den Präsidenten am 9. Januar die Freilassung der beiden Frauen in Übereinstimmung mit der Verfassung. Ihr Brief blieb unbeantwortet. Für den Fall, dass der Präsident eine Forderung nach Freilassung zurückweist,sieht die Verfassung vor, dass sich ein unabhängiges Gericht innerhalb von 30 Tagen mit der Überprüfung des Falles befasst.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Die Festnahme der acht Inhaftierten erfolgte inmitten einer Gesundheitskrise, wie sie das Land noch nie erlebt hat. Am 25. Mai gab die Regierung von Sierra Leone nach der Laborbestätigung eines Verdachtsfalls aus dem Distrikt Kailahun über das Gesundheitsministerium den Ausbruch von Ebola bekannt. In einer ersten Ansprache an die Nation rief Präsident Ernest Bai Koroma am 30. Juli den gesundheitlichen Notstand aus. Dieser sollte der Regierung und ihren Partnern helfen, wirksamere Maßnahmen gegen die Ebola-Epidemie zu ergreifen. Der Präsident richtete eine Sondereinheit ein, die sich verstärkt um die Umsetzung verschiedener Maßnahmen zur Bekämpfung der Krankheit kümmern sollte. Am 7. August folgten weitere Verordnungen. Die Reaktion der Regierung auf die Ebola-Epidemie hat im Rahmen der Bestimmungen zum Schutz vor Ebola und anderen Krankheiten sowie der öffentlichen Notstandsverordnungen zu unnötigen Einschränkungen der Menschenrechte, darunter des Rechts auf freie Meinungsäußerung geführt.

Nach der Festnahme und Inhaftierung der acht Personen veröffentlichten die zivilgesellschaftlichen Organisationen AdvocAid, Amnesty International Sierra Leone, Centre for Accountability and Rule of Law und Prison Watch Sierra Leone eine gemeinsame Pressemitteilung, in der sie gegen die Festnahme protestierten. Bis heute sind die acht jedoch inhaftiert.

Unabhängig von der Schwere eines Notstandes darf ein Staat seinen Bürgern nach dem Völkerrecht die fundamentalen Menschenrechte nicht vorenthalten, hierzu zählt besonders der Schutz vor willkürlicher Tötung, Folter und anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung, der Schutz vor willkürlicher Inhaftierung, besonders ohne Kontakt zur Außenwelt und das Recht, die Rechtmäßigkeit einer Inhaftierung von einem Gericht prüfen zu lassen.

Die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker, deren Vertragsstaat Sierra Leone ist, verbietet die Vorenthaltung der in ihr festgesetzten Bestimmungen, darunter das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren, unter allen Umständen.

Am 3. November 2014 wurde der Journalist David Tam Baryoh wegen Volksverhetzung festgenommen. Am 1. November hatte David Tam Baryoh für den unabhängigen Radiosender Citizen FM einen Sprecher der Oppositionspartei interviewt. Der Sprecher kritisierte die Handhabung der Ebola-Epidemie durch die Regierung und äußerte Bedenken hinsichtlich des Managements des Ebola-Krisenfonds durch die Behörden. Während des Interviews kritisierte David Tam Baryoh Präsident Koromas Absicht, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. David Tam Baryoh wurde elf Tage lang ohne Anklage im Hochsicherheitsgefängnis Pademba Road in Freetown festgehalten und dann gegen Kaution freigelassen. Amnesty International betrachtete ihn als gewaltlosen politischen Gefangenen.