Pressemitteilung Aktuell 24. November 2023

Helfer*innen bei Schwangerschaftsabbrüchen dürfen nicht kriminalisiert werden

Das Foto zeigt eine große Menschenmenge, fast ausschließlich Frauen, die rufend und Tücher schwenkend durch die Straßen zieht.

Demonstration in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá für einen sicheren und legalen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen anlässlich des "International Safe Abortion Day" (Archivaufnahme vom Februar 2022).

Menschen, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen verteidigen und dafür Dienstleistungen erbringen, werden stigmatisiert, eingeschüchtert, angegriffen und ungerechtfertigt verfolgt. Dies dokumentiert Amnesty International in einem neuen Bericht, der anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen veröffentlicht wird.

Der Bericht "An Unstoppable Movement: A global call to recognize and protect those who defend the right to abortion" belegt, dass weltweit zahlreiche Beschäftigte im Gesundheitswesen sowie Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen fürchten müssen, juristisch verfolgt, festgenommen oder inhaftiert werden, weil sie sich für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche einsetzen und diese konkret ermöglichen. Dies geschieht selbst in Ländern, in denen Schwangerschaftsabbrüche unter bestimmten Umständen gesetzlich erlaubt sind.

Katharina Masoud, Expertin für Geschlechtergerechtigkeit bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Der Zugang zu sicheren Schwangerschaftsabbrüchen für ungewollt Schwangere darf weder gesetzlich noch im Alltag behindert werden. Diejenigen, die dieses Recht verteidigen und Schwangerschaftsabbrüche ermöglichen, verdienen unseren Respekt und Schutz. Wir fordern die Bundesregierung auf, Schutzkonzepte zu entwickeln für Ärzt*innen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten.

Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen verstößt gegen zahlreiche Menschenrechte und ist eine Form geschlechtsspezifischer Diskriminierung. Dennoch halten viele Staaten an einer Politik der Überregulierung und Kriminalisierung fest – auch Deutschland. Die Bundesregierung muss den §218 aus dem Strafgesetzbuch streichen und damit zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen beitragen."

Der Bericht stützt sich auf fast 50 Interviews mit Menschenrechtsverteidiger*innen aus mehr als 30 Ländern. Insbesondere Beschäftigte im Gesundheitswesen berichten, dass sie sich ausgegrenzt und alleingelassen fühlen. Ihre Arbeit erhält keine Anerkennung und sie müssen fürchten, kriminalisiert, schikaniert, stigmatisiert und ausgegrenzt zu werden. Sie sind häufig verbalen Drohungen und Gewalt ausgesetzt.

  • In Polen hatte ein Gericht die Geburtshelferin Justyna Wydrzyńska 2023 zu acht Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt, weil sie mit ihrer Organisation Abortion Without Borders einer Frau zu Abtreibungspillen verholfen hatte. Amnesty International setzt sich derzeit mit einer Petition während des alljährlichen "Briefmarathons" dafür ein, dass die polnische Generalstaatsanwaltschaft die Verurteilung aufhebt.
  • Die Lehrerin und Menschenrechtsverteidigerin Vannesa Rosales aus Venezuela wurde kriminalisiert, weil sie einer Frau und ihrer 13-jährigen Tochter geholfen hatte, Zugang zu einem Schwangerschaftsabbruch zu erhalten.
  • Eine Person, die sich in Ghana für sexuelle und reproduktive Rechte einsetzt, gab an, dass Dienstleistende in diesem Bereich tätlich angegriffen und öffentlich bloßgestellt werden, nur weil sie Aufklärung über Verhütungsmethoden betreiben.

Auch in Deutschland hatten Gerichte die Ärztin Kristina Hänel zuletzt 2019 wegen "unerlaubter Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt. Mit dem Streichen des §219a wurde Mediziner*innen ab 2022 zwar ein Informationsrecht über Abbrüche zugestanden. §218 bleibt jedoch im Strafgesetzbuch bestehen und kriminalisiert weiterhin Schwangerschaftsabbrüche.

Hintergrund

Die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen ist der Hauptgrund für die geschätzten 35 Millionen unsicheren Schwangerschaftsabbrüche, die pro Jahr vorgenommen werden. Aufgrund der Kriminalisierung geraten Beschäftigte des Gesundheitswesens in Konflikt mit ihrer ethischen und beruflichen Pflicht, die bestmögliche Versorgung zu leisten, und einer möglichen Strafverfolgung bei Nichteinhaltung regressiver Gesetze.

Amnesty International fordert alle Staaten auf, sexuelle und reproduktive Rechte für alle, die schwanger werden können, zu gewährleisten. Darunter fällt auch die Sicherstellung eines rechtzeitigen, sicheren und effektiven Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen. Außerdem sollen sie öffentlich und unmissverständlich anerkennen, dass die Arbeit von Frauenrechtsverteidiger*innen für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche legitimer und integraler Bestandteil der Förderung und Verwirklichung sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte ist. Sie müssen sicherstellen, dass Menschenrechtsverteidiger*innen, die sich für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche einsetzen, nicht kriminalisiert, eingeschüchtert oder angegriffen werden. Die Angreifer*innen müssen zur Rechenschaft gezogen werden.

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