Aktuell Kultur Iran 30. April 2024

Dokumentarfilm "Der Sohn des Mullahs": Engagiertes und mutiges Zeugnis

Das Bild zeigt einen Mann, der inmitten einer Straße steht

Filmszene aus "Der Sohn des Mullahs" 

Nahid Persson Sarvestanis Dokumentation "Der Sohn des Mullahs" erinnert an das Schicksal des iranischen Journalisten Roohollah Zam.

Von Jürgen Kiontke

Roohollah Zam betreibt von Frankreich aus einen Telegram-Kanal. Die "AmadNews" veröffentlichen kritische Berichte über die iranische Oberschicht. Zam, selbst Sohn eines ranghohen Mullahs, der bereits mehrere Posten in der Regierung bekleidete, kennt das Regime im Innersten von klein auf. Und die Funktionäre dort ihn. Doch alsbald erschien ihm das Mullah-Regime höchst bigott. 2009 musste er aus dem Land fliehen, weil er die "Grüne Revolution", die Oppositionsbewegung anlässlich der Präsidentschaftswahl publizistisch begleitet hatte.

Nun arbeitet er in Frankreich und sein Kanal trendet: Immer wieder spielt man ihm vertrauliche Dokumente zu. Sein Thema ist die Korruption: Die islamischen Revolutionär*innen haben die Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht und sind Millionär*innen geworden. Ihre Kinder leben im Ausland und präsentieren ihr freizügiges Leben auf Yachten und in Sportwagen in den sozialen Medien – während Frauen im Iran wegen eines schief sitzenden Kopftuchs auf Polizeistationen zusammengeschlagen werden.

2019 wird Zam mit einem lukrativen Angebot in den Irak gelockt, entführt und nach Teheran ins Foltergefängnis Evin verbracht. Ende 2020 wird er vom Revolutionsverfahren zum Tode verurteilt und bereits vier Tage später hingerichtet. Der Fall hatte weltweit für Aufsehen gesorgt, das Regime wollte vermutlich einer internationalen Kampagne zu Zams Rettung zuvorkommen. Die stellvertretende Regionaldirektorin für den Nahen Osten und Nordafrika bei Amnesty International, Diana Eltahawy, nennt die Ermordung des Journalisten einen "tödlichen Schlag gegen die Meinungsfreiheit in Iran". Denn "der Grund für dieses brutale und zudem völkerrechtswidrige Vorgehen der iranischen Behörden" liege einzig und allein in Zams journalistischer Tätigkeit.

Vergessen ist der Fall aber nicht: Nahid Persson Sarvestani hatte während seiner Exilzeit Kontakt zu Zam aufgenommen und ihm nun ein Filmprojekt gewidmet. Ihre Arbeit ist seit Jahrzehnten vom Kampf gegen den Terror des Regimes bestimmt. Ab 2019 dokumentiert die vielfach ausgezeichnete Regisseurin, deren Bruder mit 19 Jahren im Iran hingerichtet wurde und die selbst im Exil in Schweden arbeitet, wie Zam in Frankreich lebt und arbeitet. Bald spielt er ihr Audionachrichten vor, die er von Informant*innen erhält und in denen sie beschreiben, wie sie gegen Demonstrationen vorzugehen gedenken.

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Sarvestani ist immer nah dran. Mit versteckter Kamera, Reisen in mehrere Länder, einer Vielzahl an Interviewpartner*innen und Ausschnitten aus iranischen TV-Sendungen liefert sie ein komplexes Bild, was es heißt, im und zum Iran journalistisch investigativ zu arbeiten. Sie begleitet Zam auf eine Reise in den Irak zu Kolleg*innen, die wie er gegen das iranische Regime arbeiten. Die Atmosphäre ist bedrückend; die Menschen leben in ständiger Gefahr. "Hinter uns der Islamische Staat, vor uns die iranischen Revolutionsgarden", wie es Zams Kollege Ali Javanmardi ausdrückt.

Zum Verhängnis wird Zam, dass er in der verwirrenden Welt der Agenten eine falsche Entscheidung fällt. Er geht auf das Angebot eines Investors ein, der ihm angeblich bei der Finanzierung eines TV-Kanals helfen will. Und obwohl er gewarnt ist und sogar seine Tochter Niaz – später soll sie eine wichtige Akteurin der Protestbewegung "Frauen, Leben, Freiheit" werden – überzeugt ist, dass dies eine Finte der iranischen Behörden ist, lässt er sich auf das Treffen ein. Es folgen Entführung und Schauprozess – und kurz, nachdem das Todesurteil ergangen war, die öffentliche Zurschaustellung mit "Geständnis" im iranischen Staatsfernsehen.

"85 Millionen Iraner leben seit 44 Jahren in Gefangenschaft im eigenen Land", sagt Regisseurin Persson Sarvestani. "Ich bin empört, dass das iranische Regime weiterhin ungestraft ISIS-ähnliche Methoden anwendet." Ihr Film ist ein mutiges Zeugnis darüber, unter welchen Bedingungen engagierte Journalist*innen arbeiten.

"Der Sohn des Mullahs". Schweden 2024. Regie: Nahid Persson Sarvestani. Der Film startet am 13. Juni 2024 in deutschen Kinos. 

Sondervorführungen am Welttag der Pressefreiheit – 3. Mai 2024: "Der Sohn des Mullahs" wird im Nobel Peace Center in Oslo aufgeführt. Regisseurin Nahid Persson Sarvestani ist anwesend.

Mit Unterstützung von Amnesty International läuft der Film in Hamburg an dem Tag im Abaton Kino um 19.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Infos zum Film: https://riseandshine-cinema.de/portfolio/der-sohn-des-mullahs/

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