Pressemitteilung Aktuell Israel und besetzte palästinensische Gebiete 19. Februar 2024

Israel: Besatzung der palästinensischen Gebiete beenden!

Das Bild zeigt eine Militärfahrzeug, daneben stehen Soldaten mit Waffen

Israelische Sicherheitskräfte blockieren im Westjordanland südlich der  Stadt Hebron eine Straße (21. August 2023).

Israel muss die seit 1967 andauernde Besatzung des Gazastreifens und des Westjordanlands (einschließlich Ost-Jerusalem) beenden. Dies fordert Amnesty International vor der öffentlichen Anhörung beim Internationalen Gerichtshof zur Untersuchung der rechtlichen Auswirkungen der Besatzung.

An diesem Montag beginnt am Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag eine mehrtägige Verhandlung über grundsätzliche Fragen der Besatzung palästinensischer Gebiete durch Israel. Die UN-Generalversammlung hatte bereits im Dezember 2022 beschlossen, den IGH zu beauftragen, mit einem Gutachten zur Rechtmäßigkeit der israelischen Vorgehensweise in den besetzten palästinensischen Gebieten Stellung zu nehmen und ihre Auswirkungen auf andere Staaten und die Vereinten Nationen zu prüfen. Mehr als 50 Staaten, darunter die Afrikanische Union, die Arabische Liga und die Organisation der Islamischen Zusammenarbeit (OIZ) werden sich im Verfahren einbringen.

Ruth Jüttner, Leiterin des Teams Regionen und Themen bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Die Besetzung von palästinensischem Land durch Israel ist die längste und eine der tödlichsten Besatzungen weltweit. Im Laufe der Jahre hat sich die militärische Besatzung der palästinensischen Gebiete durch Israel zu einer Dauerbesatzung entwickelt, die klar gegen das Völkerrecht verstößt. Seit Jahrzehnten ist die Besatzung zudem durch großflächige und systematische Menschenrechtsverletzungen gegen Palästinenser*innen gekennzeichnet. Die Besatzung ist zudem ein zentrales Element des bestehenden Systems der Apartheid.

Die Welt muss erkennen, dass die Beendigung der rechtswidrigen israelischen Besatzung eine Voraussetzung für die Beendigung der anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten ist.

Die israelischen Behörden behindern und kontrollieren alle Lebensbereiche der Menschen in den besetzten palästinensischen Gebieten. Sie verhängen Einschränkungen über das Recht auf Bewegungsfreiheit und beschneiden die Möglichkeiten auf Bestreitung des Lebensunterhalts. Sie verletzen das Recht auf Bildung und auf einen angemessenen Lebensstandard. Darüber hinaus verwehren sie den Palästinenser*innen den Zugang zu Land und natürlichen Ressourcen."

Im Westjordanland, einschließlich des besetzten Ost-Jerusalem, sind Palästinenser*innen routinemäßig exzessiver Gewaltanwendung, rechtswidrigen Tötungen, willkürlichen Verhaftungen, Verwaltungshaft, Zwangsumsiedlungen, der Zerstörung von Häusern, der Konfiszierung von Land und natürlichen Ressourcen sowie der Verweigerung von Grundrechten und -freiheiten ausgesetzt. Israels vielschichtiges Abriegelungssystem, das durch Massenüberwachung, physische Barrieren und rechtliche Beschränkungen, einschließlich einer illegalen Mauer/eines illegalen Zauns, Hunderten von Kontrollpunkten und Straßensperren sowie einer willkürlichen Genehmigungsregelung verstärkt wird, hat die Bewegungsfreiheit der Palästinenser*innen eingeschränkt und ihre Entrechtung fortgesetzt.

Die israelische Regierung verfolgt zudem weiterhin eine Strategie der Landaneignung und erweitert rechtswidrige Siedlungen entgegen den Bestimmungen des Völkerrechts. Dies hat verheerende Folgen für die Menschenrechte und die Sicherheit der palästinensischen Bevölkerung. Des Weiteren greifen gewalttätige israelische Siedler*innen Palästinenser*innen seit Jahrzehnten praktisch ungestraft an.

Amnesty International fordert alle Staaten auf, nicht dazu beitragen, die Besatzung der palästinensischen Gebiete durch Israel aufrechtzuerhalten. Ruth Jüttner sagt: "Die EU-Außenminister*innen sollten ihr Treffen in dieser Woche dazu nutzen, endlich vereint ein Ende der Besatzung von der israelischen Regierung einzufordern."

Dauerbesatzung

Nach dem humanitären Völkerrecht darf die Besetzung eines Gebiets während eines Konflikts nur vorübergehend sein. Die Besatzungsmacht ist verpflichtet, das Gebiet im Interesse der betroffenen Zivilbevölkerung zu verwalten und die Lage, wie sie zu Beginn der Besatzung bestand, so weit wie möglich aufrechtzuerhalten, indem sie unter anderem die bestehenden Gesetze respektiert und von demografischen Veränderungen und Eingriffen in die territoriale Integrität des besetzten Gebiets absieht.

Die israelische Besatzung steht nicht im Einklang mit diesen Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts. Die mehr als 50-jährige Besatzung, die rechtswidrige offizielle Annektierung des besetzten Ost-Jerusalem und die de-facto-Annektierung weiterer Teile des Westjordanlands mittels Grundstücksenteignung, Siedlungsbau und -erweiterungen sind eindeutige Beweise dafür, dass Israel die Absicht hat, die Besatzung dauerhaft und zum Nutzen der Besatzungsmacht und seiner eigenen Bürger*innen beizubehalten.

Entwicklung in Gaza

Auch nach dem Abzug der israelischen Streitkräfte und der Räumung israelischer Siedlungen im Jahr 2005 ist der Gazastreifen besetztes Gebiet, da Israel die tatsächliche Kontrolle über das Gebiet und seine Bevölkerung behält, u. a. durch die Kontrolle der Grenzen, der Hoheitsgewässer, des Luftraums und des Bevölkerungsregisters. Seit 16 Jahren äußert sich die Besatzung des Gazastreifens durch die rechtswidrige israelische Blockade, die den Personen- und Warenverkehr stark einschränkt und die Wirtschaft des Gazastreifens lahmgelegt hat.

Schon vor den jüngsten Kampfhandlungen war die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen zahlreichen israelischen Militäroffensiven ausgesetzt – mindestens sechs zwischen 2008 und 2023. Sie leben außerdem unter einer andauernden Land-, Luft- und Seeblockade, die dazu beiträgt, den Gazastreifen de facto durch Israel kontrolliert und besetzt zu halten. Während der Militäroffensiven dokumentierte Amnesty International ein ständiges Muster rechtswidriger Angriffe, die Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit gleichkamen. Die anhaltende Blockade wiederum ist als Kollektivbestrafung zu betrachten, was ebenfalls ein Kriegsverbrechen darstellt. Amnesty International hat auch wiederholt Kriegsverbrechen durch die Hamas und andere bewaffnete palästinensische Gruppen dokumentiert, wie etwa den wahllosen Raketenbeschuss auf Israel.

Der derzeitige Konflikt im besetzten Gazastreifen, in dem nach Ansicht des Internationalen Gerichtshofs die reale und unmittelbare Gefahr eines Völkermords besteht, führt deutlich vor Augen, welche verheerenden Folgen es hat, dass Israels völkerrechtliche Verbrechen in den besetzten palästinensischen Gebieten so lange ungestraft blieben.

Die wichtigsten Fragen unten Antworten zur Besatzung der palästinensischen Gebiete findest du hier.

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