Kultur Ecuador 04. November 2022

Ecuador: Indigener Widerstand gegen die Ausbeutung des Landes

Ein bärtiger Mann mit entblößtem Oberkörper, dahinter der Himmel

Filmszene aus "Mein gestohlenes Land"

Marc Wieses Dokumentarfilm "Mein gestohlenes Land" fragt nach den Menschenrechten im weltweiten Kampf um Rohstoffe am Beispiel Ecuadors.

Von Jürgen Kiontke

"Wir wurden kolonisiert. Wieder einmal." Paul Jarrin macht sich nicht allzu viel Hoffnung, wenn er über die Zukunft seines Heimatlandes Ecuador spricht. Allzu oft haben die führenden Politiker*innen des Landes höchst geheime Verträge mit führenden Industrieländern abgeschlossen, die immer dasselbe Ziel hatten: die billigste Ausbeutung der Rohstoffe des Landes – Uran, Öl, Gold und vieles mehr – bei teuerster Korruption. Aber Jarrin will nicht, dass dies so bleibt. Gemeinsam mit anderen Aktivist*innen organisiert er den Widerstand vor allem indigener Gruppen gegen den Ausverkauf und die Umweltzerstörung.

Der Filmemacher Marc Wiese folgte Jarrin in den Jahren bis 2020 in seinem detailreichen Dokumentarfilm "Mein gestohlenes Land", der vieles gleichzeitig ist: investigative Recherche, Umwelt- und Wirtschaftskrimi und Plädoyer dafür, sich den Interessen von Regierungen und Konzernen nicht zu beugen.

Trailer "Mein gestohlenes Land":

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Jarrin gilt als Wortführer des indigenen Widerstands gegen die Ausbeutung des Landes. Er und seine Mitstreiter*innen führen einen Kampf gegen chinesische Bergbauunternehmen, die dort Rohstoffe abbauen – und auch nicht davor zurückschrecken, Söldner einzusetzen, um Jarrin und seine Gruppe zu verfolgen. Mit ihren Aktionen sind sie bekannt geworden: Im Januar 2016 kritisierte die indigene Gemeinschaft der Kichwa in Sarayaku, dass die Regierung mit internationalen Unternehmen Verhandlungen über die Erteilung von Genehmigungen zur Erdölgewinnung auf dem Gebiet der Gemeinschaft führte, hält Amnesty International im selben Jahr fest. Dabei habe sie diese zuvor nicht, wie es gesetzlich vorgeschrieben ist, konsultiert. Im Juni darauf verabschiedete der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte eine Resolution im Fall "Indigene Gemeinschaft der Kichwa in Sarayaku gegen Ecuador".

Genutzt hat es damals nicht viel: Nach einer Reihe von gewalttätigen Aktionen und Schikanen der Behörden gegen die Indigenen wegen ihres Widerstandes gegen ein Bergbauvorhaben in Morona Santiago rief die Regierung sogar den Ausnahmezustand aus. Polizei- und Militärwillkür waren Tür und Tor geöffnet.

Das Bild zeigt im Vordergrund ein Gewehr, das an einen Baum gelehnt wurde, im Hintergrund sitzt ein Mann auf einem Baumstamm

Filmszene aus "Mein gestohlenes Land"    

Vor allem sind es Absprachen zwischen der Regierung Correa und der Administration Chinas, die in dem Film abgehandelt werden. Rafael Correa amtierte von 2007 bis 2017. Schon lange wurde ihm vorgeworfen, tausende Verträge mit chinesischen Regierungsstellen unterzeichnet zu haben, die eine weitreichende Wirtschaftskooperation möglich machen sollten. Correa, angetreten und bekannt dafür, ein linkes Programm zu verfolgen, soll dabei eine unrühmliche Rolle gespielt haben. Dabei hatte er dem Land einen wirtschaftlichen und kulturellen Sprung ermöglicht, Schulen und Krankenhäuser gebaut. Einige indigene Gruppen entzogen ihm die Unterstützung.

Der Ex-Regierungsberater, frühere Gewerkschafter und nun Enthüllungsjournalist Fernando Villavicencio hatte sich auf die Spur Correas gesetzt und dabei eine große Anzahl geheim gehaltener Verträge öffentlich gemacht über die Ausbeutung von Rohstoffen insbesondere auf dem Gebiet, wo die indigene Bevölkerung lebt. Mithilfe indigener Aktivist*innen in der Gemeinde Sarayaku konnte Villavicencio der Polizei und Geheimdiensten, die auf ihn angesetzt waren, entkommen.

Correa selbst wurde nach Amtsende wegen Korruption angeklagt und zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Dies fiel bereits in die Amtszeit seines Nachfolgers Lenín Moreno, einst enger Parteifreund Correas, der sich jedoch alsbald von ihm abgesetzt hatte. Wiese dokumentiert in seinem Film Villavicencios Aussagen über Korruption und Repression, begleitet ihn in den Regenwald.

Für Aktivist*innen wie Paul Jarrin ist der Fall klar: Der Bergbau versaut die Umwelt. "Es gibt schon genug Minenprojekte", sagt er. Allein im Einzugsgebiet des Rio Blanco, indigenes Territorium, seien es 872. Wasserreserven und Regenwald fallen der Förderung von Gold und Erdöl zum Opfer. Egal wer an der Regierung sei in Südamerika: Das Amazonas-Gebiet werde wirtschaftlichen Interessen zuliebe abgeholzt. Ecuador hatte in den letzten Jahren ein hohes Wirtschaftswachstum bis zu fünf Prozent im Jahr zu verzeichnen. Aber was sind schon Zahlen? "Die Investoren führen Krieg gegen uns", sagt Jarrin. Den Einfluss der USA habe man erfolgreich zurückgedrängt, nun aber seien die Chinesen die neuen Kolonialherren.

Wieses Film wirft ein Schlaglicht auf die vermeintlich rasante wirtschaftliche Entwicklung in den Staaten der sogenannten Peripherie, die in den Fokus internationaler Rohstofflieferanten rücken. Eine eindrückliche cineastische Mahnung, eine intakte Umwelt nicht den Profitinteressen zu opfern.

 

"Mein gestohlenes Land". D 2021. Regie: Marc Wiese. Kinostart: 10. November 2022

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