Amnesty Report Togo 28. März 2023

Togo 2022

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Bewaffnete Gruppen und Sicherheitskräfte töteten Dorfbewohner*innen an der Grenze zu Burkina Faso. Die Rechte auf Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung wurden unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit und der Eindämmung der Coronapandemie eingeschränkt. Auch die Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung war bedroht, und Menschen wurden willkürlich festgenommen und inhaftiert. Der Präsident gab ein neues Gesetz bekannt, das Minderjährige unter 16 Jahren vor sexualisierter Gewalt schützen soll.

Hintergrund

Am 24. Januar 2022 überprüfte der UN-Menschenrechtsrat die Menschenrechtslage in Togo im Rahmen der Allgemeinen Regelmäßigen Überprüfung (UPR-Prozess).

Bewaffnete Gruppen griffen weiterhin Dorfbewohner*innen und Angehörige der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in der Region Savanes an der Grenze zu Burkina Faso an. Der dort am 13. Juni verhängte Ausnahmezustand von 90 Tagen wurde am 6. September um weitere sechs Monate verlängert.

Rechtswidrige Tötungen

Am 14. Juli 2022 räumte die Armee öffentlich ein, dass in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli "ein Flugzeug auf Nachtpatrouille irrtümlich eine Gruppe Menschen angriff, die man für eine dschihadistische Marschkolonne hielt". Der Vorfall ereignete sich im Dorf Margba (Präfektur Tone) in der Region Savanes nahe der Grenze zu Burkina Faso. Berichten nichtstaatlicher Medien zufolge kamen bei dem Luftangriff sieben Kinder ums Leben.

In einer Erklärung vom 16. Juli 2022 teilte das Verteidigungsministerium mit, dass in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli "unbekannte bewaffnete Personen koordinierte und komplexe Angriffe in mehreren Dörfern" in der Region Savanes verübt hätten, bei denen es zu "mehreren Toten und einigen Verletzten" gekommen sei. Nichtstaatliche Medien berichteten, dass die bewaffnete Gruppe mehr als zehn Menschen getötet habe.

Rechte auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit

Unter dem Vorwand der nationalen Sicherheit verboten die Behörden mehrere von Oppositionsparteien organisierte Versammlungen, während sie Veranstaltungen der Regierungspartei genehmigten. Am 22. Juni 2022 verbot das Ministerium für Sicherheit und Zivilschutz eine von einer Koalition von Oppositionsparteien geplante Versammlung mit der Begründung, dass "eine solche Protestveranstaltung in der derzeitigen besorgniserregenden subregionalen und nationalen Sicherheitslage, die insbesondere durch Unbeständigkeit und Unvorhersehbarkeit gekennzeichnet ist, die laufenden Bemühungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der nationalen Sicherheit gefährden könnte". Am 29. Juni 2022 verbot der Präfekt von Agoè-Nyievé unter Berufung auf dieselben Gründe eine geplante Versammlung der Oppositionspartei Alliance Nationale pour le Changement.

Die Regierung hielt weiterhin an dem Verbot von Versammlungen mit mehr als 15 Personen fest, das eingeführt worden war, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. Das Verbot wurde aufrechterhalten, obwohl die Regierung am 22. Februar 2022 angekündigt hatte, dass Gebetshäuser wieder geöffnet würden und Personen mit Impfnachweis wieder alle sportlichen Aktivitäten ausüben könnten, da die Infektionsraten seit dem 1. Februar zurückgegangen seien. Am 8. März zeigte sich die Regierung erfreut darüber, dass es "in den Behandlungszentren keine an Covid-19 erkrankten Menschen" mehr gebe.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Im Juni 2022 konnte eine Woche lang nicht auf die Website der NGO Togo Debout zugegriffen werden, nachdem die Organisation zuvor einen Bericht über Straflosigkeit in Togo veröffentlicht hatte.

Am 11. Juli lud die Medienaufsichtsbehörde Haute Autorité de l’Audiovisuel et de la Communication den Chefredakteur der Tageszeitung Liberté vor, nachdem auf der Titelseite der Zeitung ein Artikel erschienen war, in dem behauptet wurde, dass der Tod von sieben Kindern im Dorf Margba auf einen "Irrtum" der Armee zurückzuführen sein könnte (siehe "Rechtswidrige Tötungen").

Willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen

Am 24. Februar 2022 antwortete die Regierung auf ein offizielles Schreiben von drei UN-Sonderberichterstatter*innen, die "die willkürliche und übermäßig lange Inhaftierung" des irischen Staatsbürgers togolesischer Herkunft Abdoul Aziz Goma beanstandet hatten. Die Behörden wiesen den Vorwurf der willkürlichen Inhaftierung zurück und erhielten ihre Vorwürfe gegen Abdoul Aziz Goma aufrecht: Er gehöre zu einer "Gruppe von Personen, die bewaffnete Operationen zur Destabilisierung der Institutionen" in Togo geplant hätten. Er war zusammen mit anderen Personen wegen "Untergrabung der inneren Sicherheit des Staates" angeklagt worden. Abdoul Aziz Goma wies die Vorwürfe zurück und erklärte, dass er lediglich die Unterkunftskosten für junge Leute übernommen habe, die nach Lomé reisen wollten, um an friedlichen Protesten teilzunehmen. Nach Ansicht der Sonderberichterstatter*innen ist er ein Menschenrechtsverteidiger. Ende 2022 befand er sich weiterhin widerrechtlich in Haft.

Mehrere Lehrkräfte und Schüler*innen wurden im Zusammenhang mit Streiks für bessere Arbeitsbedingungen festgenommen und inhaftiert. Im April 2022 wurden drei führende Mitglieder der Lehrer*innengewerkschaft festgenommen, weil sie Schüler*innen zum Aufstand angestiftet haben sollen. Sie wurden am 5. Oktober vorläufig freigelassen, nachdem sie von mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen Unterstützung erhalten hatten. Ebenfalls im April wurden fünf Schüler*innen bei Demonstrationen in der Region Savanes festgenommen und wegen "Zerstörung öffentlichen und privaten Eigentums" und "Störung der öffentlichen Ordnung" angeklagt. Am 17. Oktober wurden sie vorläufig freigelassen.

Am 16. Mai 2022 wurden zahlreiche Angehörige der ethnischen Gruppe der Fulani in der Stadt Timbou in der Region Savanes willkürlich festgenommen. Sie wurden von Angehörigen der Streitkräfte aus Timbou, Dapaong, Biankouri und Cinkassé ohne Zugang zu Rechtsbeiständen festgehalten, fotografiert und am 20. und 21. Mai ohne Anklage wieder freigelassen. Die Festnahmen standen im Zusammenhang mit Angriffen durch bewaffnete Gruppen.

Sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt

Am 2. Dezember 2022 gab der Präsident ein neues Gesetz bekannt, das Minderjährige unter 16 Jahren vor sexualisierter Gewalt schützen soll. Es enthält u. a. gesonderte Strafen für sexuelle Belästigung (auch online) und Vergewaltigung von Minderjährigen. Außerdem gesteht das Gesetz schwangeren Schülerinnen das Recht zu, die Schule zu besuchen, und gewährt Überlebenden von Vergewaltigungen kostenfreie Rechtshilfe und gerichtsmedizinische Untersuchungen.

Weitere Artikel