Amnesty Report Singapur 28. März 2023

Singapur 2022

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Andersdenkende wurden 2022 durch repressive Gesetze noch stärker als zuvor zum Schweigen gebracht. Die Regierung entkriminalisierte einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Männern, blockierte jedoch die gleichgeschlechtliche Eheschließung. Hinrichtungen wurden wieder aufgenommen.

Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Die Strafverfolgung von Regierungskritiker*innen und unabhängigen Medienschaffenden hielt an. Im April 2022 wurden Terry Xu, Chefredakteur der Nachrichtenwebsite The Online Citizen, und Daniel De Costa, der einen Artikel für die Website geschrieben hatte, zu je drei Wochen Haft verurteilt. Sie waren 2021 der Verleumdung von Kabinettsmitgliedern für schuldig befunden worden. Daniel De Costa wurde überdies wegen Verstoßes gegen das Gesetz über Computerkriminalität zu drei Monaten Haft verurteilt.

Im Januar 2022 wurde der Menschenrechtsverteidiger Jolovan Wham für schuldig befunden, 2018 eine illegale öffentliche Versammlung abgehalten zu haben, als er gegen ein früheres Verfahren von Terry Xu und Daniel De Costa demonstrierte. Er verbrachte 15 Tage in Haft, nachdem er sein Berufungsverfahren verloren und es abgelehnt hatte, eine Geldstrafe zu bezahlen.

Im Juni 2022 verhörte die Polizei Kirsten Han und Rocky Howe auf der Grundlage des Gesetzes über die öffentliche Ordnung, nachdem sie an einer friedlichen Demonstration gegen die Todesstrafe teilgenommen hatten. Im Oktober 2022 teilte die Polizei Kirsten Han mit, dass man ihr Missachtung des Gerichts vorwerfe. Der Grund war offenbar ein Facebook-Beitrag, in dem Kritik an der behördlichen Drangsalierung von Rechtsbeiständen von Todeskandidat*innen geübt wurde. Gegen sie erging eine bedingte Warnung, wonach sie sich zwölf Monate lang keines "strafbaren Verhaltens" schuldig machen dürfe. Das von Kirsten Han eingelegte Rechtsmittel war Ende 2022 noch anhängig.

Im November 2022 leitete die Polizei Ermittlungen gegen eine Frau ein, die vor der chinesischen Botschaft eine Protestaktion durchgeführt hatte, um ihre Solidarität mit Personen zu bekunden, die in China Menschenrechtsverletzungen zum Opfer gefallen waren.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im November 2022 stimmte das Parlament für die Aufhebung von Paragraf 377a des Strafgesetzbuchs, wonach einvernehmliche sexuelle Beziehungen zwischen Männern strafbar waren. Gleichzeitig nahm das Parlament jedoch Verfassungsänderungen vor, durch die gleichgeschlechtliche Ehen faktisch unmöglich wurden.

Rechte von Migrant*innen

Im April 2022 hob die Regierung die meisten Coronamaßnahmen auf. Arbeitsmigrant*innen wurden jedoch weiterhin in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt und durften sich nur zwischen ihren überbelegten Unterkünften, ihren Arbeitsstätten und bestimmten Freizeiteinrichtungen frei bewegen.

Todesstrafe

Hinrichtungen wurden 2022 wieder aufgenommen, nachdem sie im Jahr 2019 ausgesetzt worden waren. Die im April 2022 aufgrund eines Drogendelikts vollstreckte Hinrichtung des malaysischen Staatsangehörigen Nagaenthran Dharmalingam, dem eine geistige Behinderung attestiert worden war, löste große öffentliche Empörung aus.

Wenn in einem späten Verfahrensstadium Rechtsmittel gegen Todesurteile eingelegt wurden, erlegten die Gerichte den Angeklagten hierfür oft unverhältnismäßig hohe Gerichtskosten auf. Zudem wurde gegen Rechtsbeistände ermittelt, wenn sie sich öffentlich über ihre Mandant*innen äußerten. M Ravi, ein Menschenrechtsanwalt, der für die Verteidigung von Todeskandidat*innen bekannt ist, war im Zusammenhang mit seiner Arbeit disziplinarischen Untersuchungen, Verfahren wegen Missachtung des Gerichts sowie Verleumdungsvorwürfen ausgesetzt.

Klimakrise

Im November 2022 legte die Regierung einen neuen nationalen Klimabeitrag (Nationally Determined Contribution – NDC) vor, der eine stärkere Senkung der absoluten Emissionen auf 60 Tonnen CO2-Äquivalente bis zum Jahr 2030 vorsah. Dies blieb jedoch nach wie vor weit hinter der Menge zurück, die benötigt wird, um den weltweiten Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen.

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