Amnesty Report Moldau 29. März 2022

Moldau 2021

Zwei Frauen mit drei Kindern laufen in Wintermantel mit Gepäck eine Straße entlang.

Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Folter und andere Misshandlungen waren nach wie vor verbreitet. Es herrschte weiterhin Straflosigkeit für schwere Menschenrechtsverletzungen, die Sicherheitskräfte in der Vergangenheit verübt hatten. Unfaire Gerichtsverfahren boten unvermindert Anlass zur Besorgnis. Berichten zufolge war die richterliche Kontrolle in Bezug auf Überwachungsmaßnahmen und die Verhängung von Untersuchungshaft mangelhaft. Bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt gab es kaum Fortschritte. In der abtrünnigen Region Transnistrien wurden Kritiker_innen der De-facto-Behörden strafrechtlich verfolgt, und es drohten Einschränkungen des Rechts auf Bildung.

Hintergrund

Die nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Ende 2020 entstandene Pattsituation zwischen der Präsidentin und dem Parlament endete im Juli mit vorgezogenen Parlamentswahlen. Diese führten erstmals seit 2009 zu einer Regierung, die nicht aus einer Koalition bestand.

Im September 2021 stimmte das Parlament für die Ernennung einer neuen nationalen Ombudsfrau für Menschenrechte. Von einigen Seiten gab es jedoch Bedenken wegen eines möglichen Interessenskonflikts, weil die neue Ombudsfrau bei den Präsidentschaftswahlen 2020 die Rechtsberaterin von Maia Sandu war.

Die Coronapandemie wirkte sich nach wie vor negativ auf die Wirtschaft aus und führte zu einem sinkenden Lebensstandard für viele Menschen, obwohl Expert_innen der Regierung für das Jahresende ein erneutes Wirtschaftswachstum vorhersagten. Es gab zahlreiche Möglichkeiten, sich kostenlos gegen Covid-19 impfen zu lassen. Dabei bestand die Wahl zwischen mehreren Impfstoffen. Um für das Impfen zu werben, wurden in der Hauptstadt Chișinău und in anderen Orten Impfmarathons veranstaltet. In der abtrünnigen Region Transnistrien war das Interesse an kostenlosen in westlichen Ländern produzierten Impfstoffen gering. Viele Menschen zogen den in Russland hergestellten Sputnik-Impfstoff vor oder lehnten eine Impfung grundsätzlich ab.

Folter und andere Misshandlungen

Bei der Bekämpfung von Folter und anderen Misshandlungen waren 2021 keine erkennbaren Fortschritte zu verzeichnen. Berichte wiesen regelmäßig auf unzureichende Haftbedingungen wie Überbelegung und unhygienische Verhältnisse hin. Dies betraf den Erwachsenen- und Jugendstrafvollzug sowie den gemischten Strafvollzug.

Die nationale Ombudsfrau für Kinderrechte informierte über negative Auswirkungen der Coronapandemie auf inhaftierte Minderjährige, insbesondere auf Jugendliche aus sozial benachteiligten Familien. Es gab regelmäßig Beschwerden über mangelhafte Diagnostik und Gesundheitsvorsorge in den Haftanstalten. Das medizinische Personal unterstand weiterhin nicht den Gesundheits-, sondern den Justizvollzugsbehörden.

Ein Aufstand in der Haftanstalt Brănești am 5. Februar 2021 machte deutlich, dass inoffizielle Hierarchien und Gewalt unter Häftlingen ein großes Problem darstellten, das von den Behörden jedoch beharrlich ignoriert wurde.

Straflosigkeit

Es herrschte weiterhin Straflosigkeit für schwere Menschenrechtsverletzungen, die Sicherheitskräfte in der Vergangenheit verübt hatten, wie z. B. die massenhafte Folterung und Misshandlung von friedlichen Demonstrierenden im Jahr 2009.

Im Fall der sieben türkischen Staatsangehörigen, die moldauische Sicherheitsdienste im Jahr 2018 entführt und an die Türkei übergeben hatten, gab es jenseits der begrenzten Ermittlungen und einer Verurteilung im Jahr 2020 keine weiteren Fortschritte. Im März befasste sich das Ministerkomitee des Europarats mit der Umsetzung des Urteils, das der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in diesem Fall gefällt hatte (Ozdil et al. gegen Republik Moldau). Das Ministerkomitee "bekräftigte nachdrücklich", die Sicherheitsdienste müssten wirksam kontrolliert und bei Verstößen zur Rechenschaft gezogen werden. Außerdem sei es bedauerlich, dass die Behörden auf eine frühere Aufforderung des Ministerkomitees nicht reagiert hätten. Im Oktober 2021 legte Moldau einen aktualisierten Aktionsplan zur Umsetzung des Urteils vor, in dem sich das Land verpflichtete, frühere Gerichtsurteile zu überprüfen und neue Gesetze einzuführen, um die Rechenschaftspflicht der Sicherheitsdienste besser zu gewährleisten.

Recht auf ein faires Gerichtsverfahren

Es gab weiterhin Bedenken wegen unfairer Gerichtsverfahren.

Die vom Generalstaatsanwalt im Jahr 2020 zugesagte Überprüfung von 38 Strafverfahren, die er als politisch motiviert betrachtete, machte 2021 keine Fortschritte. In keinem dieser Fälle wurde die Verurteilung aufgehoben oder das Verfahren eingestellt. Der bekannteste Fall war der von Veaceslav Platon. Er war 2020 freigelassen worden und verließ im Juli 2021 das Land, während neue Ermittlungen und ein Wiederaufnahmeverfahren ausstanden. Der Generalstaatsanwalt geriet wegen Platons Ausreise weithin in die Kritik, die er jedoch als "politische Einmischung" in seine Arbeit zurückwies. Vor dem Hintergrund anhaltender Befürchtungen über ein selektives Vorgehen der Justiz machte der Umgang mit diesen Fällen einmal mehr die Schwächen des Strafjustizsystems, seine Anfälligkeit für politische Einmischung und seinen Reformbedarf deutlich.

Recht auf Privatsphäre

NGOs und Strafverteidiger_innen bemängelten auch 2021, dass Anträge der Strafverfolgungsbehörden, private Kommunikationsverbindungen abhören und Strafverdächtige in Untersuchungshaft nehmen zu dürfen, von Gerichten nur oberflächlich geprüft und fast ausnahmslos genehmigt wurden. Rechtliche Schutzmaßnahmen wie etwa die Verpflichtung, die von Abhörmaßnahmen Betroffenen darüber zu informieren, wurden nicht beachtet.

Am 4. Oktober 2021 beschuldigte der Generalstaatsanwalt auf einer Pressekonferenz einen früheren Kollegen und mehrere NGOs, sich verschworen zu haben, um ihn abzusetzen, und behauptete, er kenne die Inhalte ihrer Mobiltelefonkommunikationen. Am nächsten Tag wurde er wegen Amtsmissbrauchs und weiterer Anklagepunkte festgenommen.

Geschlechtsspezifische Gewalt

Am 14. Oktober 2021 stimmte das Parlament für die Ratifizierung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention), das Moldau 2017 unterzeichnet hatte. Bei der Bekämpfung häuslicher Gewalt, die vor allem Frauen betraf, gab es jedoch kaum Fortschritte.

Transnistrien

Recht auf freie Meinungsäußerung

Kritiker_innen der De-facto-Behörden waren strafrechtlicher Verfolgung ausgesetzt.

Im Juli 2021 wurde der Rentner Mikhail Yermuraki wegen "Beleidigung des Präsidenten" schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet etwa 530 Euro verurteilt. Die Anklagen, er habe die "positive Rolle der russischen Friedenstruppen" bestritten und zu "nationalem, ethnischem und religiösem Hass" aufgerufen, wurden fallen gelassen.

Der Aktivist Gennadiy Chorba wurde ebenfalls im Juli wegen "Beleidigung des Präsidenten" und "Extremismus" zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Die Extremismusvorwürfe bezogen sich auf eine friedliche Mahnwache, an der er 2020 teilgenommen hatte. Die De-facto-Behörden beschuldigten ihn, er habe andere Menschen zum Protest angestachelt und sich während der Pandemie abfällig über medizinische Fachkräfte geäußert.

Recht auf Bildung

Im August 2021 weigerten sich die De-facto-Behörden, der einzigen rumänischsprachigen Schule in der transnistrischen Hauptstadt Tiraspol eine neue Lizenz zu erteilen, und ordneten stattdessen an, die Lucian-Blaga-Oberschule für mindestens drei Monate zu schließen. Gründe für die Entscheidung wurden nicht genannt. Nachdem sich die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und andere internationale Partner eingeschaltet hatten, machten die De-facto-Behörden ihre Entscheidung, den Schulbetrieb auszusetzen, noch im selben Monat wieder rückgängig.

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