Amnesty Report Lettland 24. April 2024

Lettland 2023

Das Bild zeigt einen uniformierten Mann mit Helm und Schnellfeuergewehr vor einem Stacheldrahtzaun

Ein lettischer Grenzschützer an der Grenze zwischen Lettland und Belarus (Archivaufnahme vom 28. September 2021)

Berichtszeitraum: 1. Januar 2023 bis 31. Dezember 2023

Gesetzesänderungen untergruben das Recht, an der Grenze Asylanträge zu stellen. Es wurde ein Gesetz über gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften angenommen.

Hintergrund

Im August 2023 wurde Ministerpräsident Arturs Krišjānis Kariņš durch Evika Siliņa abgelöst, die als Ministerpräsidentin eine neue Koalitionsregierung anführte.

Folter und andere Misshandlungen

Im Juli 2023 berichtete der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter über die mutmaßliche Misshandlung von Personen in Polizeigewahrsam und in Gefängnissen. Menschen in Hafteinrichtungen für Migrant*innen und Asylsuchende berichteten dem Ausschuss außerdem über schwere Misshandlungen durch Grenzschützer*innen.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Im Juni 2023 erhielten Grenzschützer*innen durch Gesetzesänderungen die Befugnis, Menschen "daran zu hindern", ohne die erforderlichen Papiere die Grenze zu übertreten, was in der Praxis zu rechtswidrigen summarischen Abschiebungen führen kann. Eine weitere Gesetzesänderung, die im August 2023 in Kraft trat und im Februar 2024 ausläuft, ermöglicht die Aktivierung eines "erweiterten" Grenzschutzsystems, wenn eine "unverhältnismäßig hohe" Anzahl an sogenannten irregulären Grenzübertritten festgestellt wird. Zwischen August 2021 und August 2023 war an den lettischen Grenzen ein Ausnahmezustand in Kraft, unter dem summarische Abschiebungen erlaubt waren. In diesem Zeitraum begingen Grenzschützer*innen schwere Menschenrechtsverstöße gegen Flüchtlinge und Migrant*innen.

Im Laufe des Jahres 2023 meldete Lettland 13.863 "vereitelte" Grenzübertritte – im Jahr 2022 lag die Zahl noch bei 5.286.

Menschenrechtsverteidiger*innen

Im Januar 2023 leiteten die Behörden ein Strafverfahren wegen Menschenschmuggels gegen zwei Mitglieder der NGO Gribu palīdzēt bēgļiem ("Ich will Flüchtlingen helfen") ein, die Flüchtlinge und Migrant*innen an der Grenze unterstützten.

Diskriminierung

Aufgrund von im Jahr 2022 vorgenommenen Gesetzesänderungen, die mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine zusammenhingen, liefen bestimmte dauerhafte Aufenthaltsgenehmigungen für russische Staatsangehörige im September 2023 aus. Fast 18.000 Betroffene mussten einen Lettisch-Sprachtest bestehen, um ihre Aufenthaltserlaubnis verlängern lassen zu können. Ende des Jahres waren 1.213 russische Staatsangehörige in Gefahr, abgeschoben zu werden, da sie keine Verlängerung ihrer Aufenthaltsgenehmigung gemäß dem geänderten Gesetz beantragt hatten. Die Ombudsstelle merkte an, dass diese Anforderung den Verfassungsgrundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung zu verletzen drohte.

Im Oktober 2023 kritisierten Medien- und Journalist*innenorganisationen einen vom Parlament unterstützten Vorschlag, wonach die öffentlichen Medien ab 2026 nur noch Inhalte in Lettisch und in Sprachen des "europäischen Kulturraums" produzieren sollen, was den Zugang zu Informationen für den großen russischsprachigen Bevölkerungsanteil beeinträchtigen würde.

Geschlechtsspezifische Gewalt

Am 30. November 2023 ratifizierte Lettland das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention).

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im November 2023 wurde ein Gesetz über nichteheliche gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften angenommen.

Recht auf eine gesunde Umwelt

Im Gegensatz zu den meisten EU-Ländern verzeichnete Lettland im ersten und zweiten Quartal 2023 höhere Treibhausgasemissionen als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Europäische Kommission setzte das Vertragsverletzungsverfahren gegen Lettland wegen Nichteinhaltung der EU-Normen zur Verringerung bestimmter Schadstoffemissionen fort.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Im Zuge von Empfehlungen, die der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte im Jahr 2021 ausgesprochen hatte, stieg der gesetzliche Mindestlohn im Jahr 2023 von 500 auf 620 Euro pro Monat. Außerdem wurden einige Sozialleistungen erhöht. 

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