Amnesty Report Irland 29. März 2022

Irland 2021

Das Bild zeigt vier Demonstrierende auf einer Straße. Im Vordergrund steht eine junge Frau mit Maske und einem Schild mit der Aufschrift "Refugees are welcome here".

Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Die Behörden sorgten weiterhin nicht für Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung für die Überlebenden von Menschenrechtsverletzungen, die in der Vergangenheit in den Heimen für ledige Mütter verübt wurden. Der mangelnde Zugang zu angemessenem und bezahlbarem Wohnraum gab ebenso Anlass zur Sorge wie die eingeschränkten Möglichkeiten, Schwangerschaftsabbrüche vornehmen zu lassen, und die Kriminalisierung von Sexarbeiter_innen. Die Regierung machte einen Vorschlag für die menschenrechtskonforme Unterbringung von Asylsuchenden.

Straflosigkeit

Im Januar 2021 wurde der Abschlussbericht der Untersuchungskommission veröffentlicht, die im Jahr 2015 nach jahrelangen Bemühungen von Überlebenden und deren Unterstützer_innen eingerichtet worden war, um Vorwürfen über Misshandlungen in Heimen für ledige Mütter nachzugehen. Der Bericht bestätigte die seit vielen Jahren erhobenen Vorwürfe, dass Frauen und Kinder in diesen Heimen, die von den 1920er- bis in die 1990er‑Jahre von katholischen Orden betrieben und staatlich finanziert wurden, Misshandlungen erfuhren. Dazu zählten nach Erkenntnissen der Untersuchungskommission u. a. eine hohe Kindersterblichkeit, schlechte Lebensbedingungen, körperliche und seelische Misshandlungen, Adoptionen ohne Einwilligung der Mütter und Impfexperimente an Kindern ohne Einhaltung der gesetzlichen und ethischen Anforderungen.

Die von der Kommission vorgelegten Informationen, Erkenntnisse und Analysen wiesen jedoch zahlreiche gravierende Lücken auf. So enthielt der Bericht z. B. keine Angaben über erzwungene oder illegale Adoptionen, über willkürliche Inhaftierung oder über Zwangsarbeit, obwohl Aussagen überlebender Zeug_innen diese Elemente belegten. Die Vorschläge der Regierung bezüglich Wiedergutmachung für die Überlebenden gingen nicht weit genug.

Recht auf Wohnen

Die Irische Menschenrechts- und Gleichstellungskommission (Irish Human Rights and Equality Commission) und das Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung (Economic and Social Research Institute) machten in einem im September 2021 veröffentlichten Bericht auf "anhaltende Probleme beim Zugang zu Wohnraum" aufmerksam. Demnach waren bestimmte Gruppen wie Alleinerziehende, Menschen mit Behinderungen und Migrant_innen besonders stark von schlechten Wohnverhältnissen, Überbelegung und hohen Kosten betroffen. Auch Kinder und Jugendliche waren unverhältnismäßig stark von den hohen Kosten für Wohnraum betroffen. Der Bericht stellte außerdem fest, dass die Gemeinschaft der Travellers erheblich benachteiligt sei, was den Zugang zu angemessenem Wohnraum betreffe, der auch kulturell angemessen sein müsse.

Für das von der Regierung im Jahr 2020 angekündigte Verfassungsreferendum zum Thema Wohnen wurde noch kein Termin angesetzt. Auch blieb unklar, ob die Regierung vorschlagen würde, das Recht auf Wohnen gemäß internationaler Menschenrechtsstandards in der Verfassung zu verankern, wie es der von der Regierung eingesetzte Verfassungskonvent 2014 empfohlen hatte.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Im September 2021 veröffentlichte die Abortion Rights Campaign eine Untersuchung darüber, welche Erfahrungen Betroffene seit 2019 gemacht hatten, als der Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen ausgeweitet worden war. Mit negativen Folgen belegt war die obligatorische dreitägige Wartezeit auf einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen der Schwangerschaft. Zudem wurde über Schwierigkeiten berichtet, den rechtlichen Anforderungen für Abbrüche in einem späteren Schwangerschaftsstadium gerecht zu werden. Als unzureichend wurde auch bewertet, dass ein Abbruch bei einer schweren Schädigung des Fötus nur dann erlaubt war, wenn davon auszugehen war, dass der Fötus spätestens 28 Tage nach der Geburt sterben würde. Die Umfrage ergab außerdem, dass es nicht überall im Land möglich war, Schwangerschaftsabbrüche vornehmen zu lassen, dass es an Informationen über entsprechende Dienste mangelte und dass diejenigen, die den Eingriff vornehmen wollten, in einigen Fällen auf eine ablehnende Haltung und Widerstand gestoßen waren.

Obwohl es regelmäßig Berichte gab über Einschüchterungsversuche und Drangsalierung vor Entbindungskliniken und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornahmen, brachte die Regierung keine gesetzliche Regelung zur Einrichtung von Sicherheitszonen auf den Weg, wie sie dies 2018 versprochen hatte, um die Rechte derer zu schützen, die den Eingriff vornehmen lassen wollten.

Arbeitnehmer_innenrechte

Das 2017 erlassene Gesetz, das Straftatbestände im Bereich der Sexarbeit beibehalten und entsprechende Strafen verdoppelt hatte, sorgte weiterhin für die direkte und indirekte Kriminalisierung von Sexarbeiter_innen. Besonders problematisch war der Straftatbestand des "Bordellbetriebs", da es bereits als "Bordell" galt, wenn zwei oder mehr Sexarbeiter_innen aus Sicherheitsgründen gemeinsam in einem Gebäude tätig waren. Eine von der Regierung beauftragte Überprüfung der Wirkungsweise des Gesetzes, die 2020 begonnen hatte, war Ende 2021 noch nicht abgeschlossen.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen

Im Februar 2021 veröffentlichte die Regierung ein Grundsatzpapier, das den Vorschlag enthielt, das weithin kritisierte System der "direkten Unterbringung" von Asylsuchenden bis 2024 durch ein menschenrechtskonformes Modell zu ersetzen. Die Regierung räumte ein, dass das derzeitige System die Würde und die Menschenrechte des Einzelnen nicht respektiere. Ein detaillierter Plan zur Umsetzung wurde jedoch nicht veröffentlicht. Unklar blieb auch, wie die Rechte und das Wohlergehen der im bisherigen System untergebrachten Menschen während des Übergangs gewährleistet würden.

Recht auf Gesundheit

Die 2020 von einem parlamentarischen Ausschuss zur Überprüfung des staatlichen Umgangs mit der Coronapandemie empfohlene öffentliche Untersuchung, die auch die hohe Zahl von Todesfällen unter älteren Menschen in Pflegeheimen behandeln sollte, wurde nicht durchgeführt. Die Regierung erklärte, sie werde die Überprüfung ihrer Maßnahmen erst vornehmen, wenn die Pandemie vorüber sei.

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