Amnesty Report Benin 29. März 2022

Benin 2021

Eine Familie steht mit Gepäck auf einer Straße vor einem Stoppschild.

Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Das Digitalgesetz wurde weiterhin zur Einschränkung der Meinungsfreiheit eingesetzt. Die Rechte inhaftierter politischer Oppositioneller sollen verletzt worden sein. Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen wurden bei Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Verteidigungs- und Sicherheitskräften mindestens fünf Menschen getötet. Mitglieder von Trans- und LGBTI-Verbänden wurden angegriffen und bedroht.

Hintergrund

Bei den Präsidentschaftswahlen am 11. April 2021 wurde Patrice Talon im ersten Wahlgang mit 86,36 Prozent der abgegebenen Stimmen wiedergewählt. Das Verfassungsgericht hatte die Kandidaturen seiner wichtigsten politischen Gegner_innen abgelehnt.

Am 14. Oktober 2021wurde Benin für den Zeitraum von 2022 bis 2024 zum Mitglied des UN-Menschenrechtsrats gewählt.

Willkürliche Inhaftierungen und Recht auf Meinungsfreiheit

Der politische Aktivist Jean Kpoton wurde am 13. Januar 2021 festgenommen und am 9. Februar vor dem erstinstanzlichen Gericht in Cotonou zu zwölf Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 200.000 CFA-Francs (ca. 300 Euro) verurteilt. Er hatte einen Social-Media-Post kommentiert, in dem angegeben wurde, dass das Auto, das Präsident Talon im Januar während einer Tour durch das Land benutzt hatte, für 6 Mio. CFA-Francs (ca. 9.150 Euro) pro Tag gemietet worden sei. Jean Kpoton wurde nach dem Digitalgesetz aus dem Jahr 2018 (Loi portant Code du numérique) wegen "Belästigung mittels elektronischer Kommunikation" für schuldig befunden. Die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen hatte die Definition dieser Straftat im Oktober 2020 als "vage und zu weit gefasst" bezeichnet.

Am 19. Mai 2021 bestätigte der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts vom Mai 2020, mit dem der Journalist Ignace Sossou auf Grundlage des Digitalgesetzes wegen "Belästigung mittels elektronischer Kommunikation" zu sechs Monaten Haft und sechs Monaten auf Bewährung verurteilt worden war. Er hatte auf Twitter den Staatsanwalt zitiert, der Benins Digitalgesetz als "Waffe" zum Einsatz gegen Journalist_innen bezeichnet hatte. Die Rechtsbeistände von Ignace Sossou hatten beim Obersten Gerichtshof beantragt, die Inhaftierung ihres Mandanten als willkürlich einzustufen, wie es die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen im August 2020 getan hatte.

Am 7. Dezember 2021 wurden zwei Journalisten, die für die Zeitung Le Soleil Bénin Info arbeiteten, wegen "Belästigung mittels elektronischer Kommunikation" schuldig gesprochen, nachdem ein Zollinspektor Anzeige wegen Verleumdung gegen sie erstattet hatte. Die beiden Männer wurden zu sechs Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung und einer Geldstrafe von mehr als 500.000 CFA-Francs (ca. 760 Euro) verurteilt.

Recht auf ein faires Gerichtsverfahren

Rund um die Präsidentschaftswahlen im April 2021 wurden in mehreren Städten mindestens zehn Aktivist_innen und politische Oppositionelle bei Demonstrationen und gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstrierenden und Verteidigungs- und Sicherheitskräften festgenommen und inhaftiert.

Joël Aïvo, dessen Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen abgelehnt worden war, wurde am 15. April 2021 festgenommen und im Gefängnis von Cotonou inhaftiert. Er wurde der "Geldwäsche und der Gefährdung der Staatssicherheit" beschuldigt. Reckiatou Madougou, Mitglied der Oppositionspartei Les Démocrates, deren Kandidatur ebenfalls abgelehnt worden war, wurde am 3. März 2021 in Porto-Novo festgenommen und im Gefängnis von Akpro-Missérété inhaftiert. Sie wurde aufgrund ihrer mutmaßlichen "Absicht, die nächsten Wahlen durch groß angelegte Terrorakte zu stören", wegen "Terrorismusfinanzierung" angeklagt. Die Rechtsbeistände der beiden Oppositionellen prangerten die Verletzung der Rechte ihrer Mandant_innen an, mit ihren Familien zu kommunizieren, von ihren Angehörigen regelmäßig besucht zu werden und vertraulichen Zugang zu Rechtsbeiständen zu haben. Am 6. und 11. Dezember 2021 verurteilte das Gericht für die Verfolgung von Wirtschaftsverbrechen und Terrorismus (Cour de Répression des Infractions Economiques et du Terrorisme) Joël Aïvo und Reckiatou Madougou zu zehn bzw. 20 Jahren Haft. Das US-amerikanische Außenministerium erklärte, dass ihre Gerichtsverfahren "schwere Bedenken bezüglich politischer Einflussnahme auf das Strafjustizsystem in Benin" aufkommen ließen.

Exzessive Gewaltanwendung

Einige Tage vor den Präsidentschaftswahlen am 11. April kam es in mehreren Städten im Norden und im Zentrum des Landes zu Demonstrationen und Ausschreitungen. Laut Angaben der Nationalen Menschenrechtskommission töteten Regierungskräfte durch den Einsatz von scharfer Munition mindestens fünf Menschen in Bantè und Savè im Département Collines. Das Ministerium für Inneres und Öffentliche Sicherheit teilte am 14. April mit, dass 21 Angehörige der Verteidigungs- und Sicherheitskräfte bei der Räumung von Straßensperren Schussverletzungen erlitten hätten.

In einer Entschließung vom 4. Mai verurteilte die Afrikanische Kommission für Menschenrechte und die Rechte der Völker "die Niederschlagung der Demonstrationen durch die Armee" und forderte die Einleitung "einer unabhängigen und unparteiischen Untersuchung".

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Am 30. April 2021 wurden drei trans Frauen in einer Bar in Cotonou von einer Gruppe von Männern gezwungen, sich zu entkleiden, bevor sie geschlagen und ausgeraubt wurden. Die Täter filmten den Angriff und veröffentlichten das Video in den Sozialen Medien. Die drei Betroffenen suchten Zuflucht bei einer lokalen Organisation, die sich für die Rechte von trans Menschen einsetzt, erhielten jedoch weiterhin Drohungen. Auch Vereinigungen für LGBTI-Rechte im ganzen Land, die die drei trans-Frauen unterstützten, wurden bedroht. Am 30. Juni verurteilte das erstinstanzliche Gericht in Cotonou einen der Angreifer wegen Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten, davon sechs Monate auf Bewährung.

Recht auf Gesundheit

Die Impfkampagne gegen Covid-19 begann am 29. März 2021. Bis zum 7. November hatten 347.270 Personen eine erste Impfdosis erhalten, und 265.501 Menschen waren vollständig geimpft. Laut offiziellen Angaben entsprach dies 3,64 Prozent der Bevölkerung. Am 1. September 2021 führte die Regierung eine Impfpflicht ein, insbesondere für medizinisches Personal, Sanitäter_innen und Apotheker_innen.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Am 21. Januar 2021 bestätigte das Verfassungsgericht die Rücknahme einer Erklärung, die Benin gemäß Artikel 34 Absatz 6 des Protokolls zur Afrikanischen Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker im Februar 2016 abgegeben hatte. Mit dem Protokoll wurde der Afrikanische Gerichtshof für Menschenrechte und die Rechte der Völker eingerichtet. Die Rücknahme dieser Erklärung bedeutet, dass es NGOs und Einzelpersonen in Benin nun nicht mehr möglich ist, bei mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen den Gerichtshof direkt anzurufen.

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