Amnesty Journal Belarus 22. September 2023

Mit aller Härte

Drei Männer sitzen in einem Käfig in einem Gerichtssaal, um den Käfig herum stehen uniformierte Sicherheitskräfte, vier Männer.

Seinen Geburtstag am 25. September verbringt der belarusische Menschenrechtsverteidiger Ales Bialiatski wieder einmal in Haft. Aus diesem Anlass erinnert die Amnesty-Kogruppe Belarus-Ukraine an ihn und seine inhaftierten Mitstreiter*innen.

Ales Bialiatski

Der bekannte belarusische Menschenrechtsverteidiger und Gründer des Menschenrechtszentrums Viasna verbringt seinen Geburtstag am 25. September abermals im Gefängnis. Er wurde im Juli 2021 verhaftet und im März 2023 zu einer drakonischen Haftstrafe von zehn Jahren verurteilt. Ihm wird vorgeworfen, Geld über die Grenze geschmuggelt und damit "illegale Proteste" unterstützt zu haben. In Wirklichkeit wird er jedoch für seine Menschenrechtsarbeit bestraft.

Es ist nicht das erste Mal, dass Bialiatski die Härte der belarusischen Behörden zu spüren bekommt. Nach der Präsidentschaftswahl im Jahr 2010 wurde er verhaftet und zu mehr als vier Jahren Gefängnis verurteilt, weil er seine Bankkonten in Litauen und Polen zur Finanzierung von Viasna genutzt hatte. Diese Haftstrafe setzte Bialiatski physisch sichtlich zu, machte ihn aber gleichzeitig noch unnachgiebiger gegenüber Menschenrechtsverletzungen. Im Dezember 2022 erhielt er für sein herausragendes und unerschütterliches Engagement für Menschenrechte den Friedensnobelpreis.

Valiantsin Stefanovich

Valiantsin Stefanovich ist stellvertretender Vorsitzender von Viasna und Vizepräsident der Internationalen Föderation für Menschenrechte (FIDH). Er ist ein bekannter Experte und Analytiker auf dem Gebiet der Menschenrechte, Verfechter der Nichtdiskriminierung und Kämpfer gegen die Todesstrafe. Stefanovich nahm an verschiedenen internationalen Konferenzen und Tagungen sowie an Menschenrechts- und Wahlbeobachtungsmissionen der OSZE teil. Sicherheitsbeamt*innen durchsuchten am Morgen des 14. Juli 2021 seine Wohnung, beschlagnahmten alle elektronischen Geräte und nahmen den Menschenrechtsaktivisten zum Verhör mit. Anschließend kam er in Untersuchungshaft. Er wurde wegen "Organisation von Handlungen, die die öffentliche Ordnung grob verletzen" und

"Steuerhinterziehung" (Artikel 342 und Artikel 243 Strafgesetzbuch) angeklagt. Am 3. März 2023 wurde er zusammen mit Ales Bialiatski zu neun Jahren Haft verurteilt. Stefanovich sagte vor Gericht: "Wir haben unser Leben nicht umsonst gelebt, wir haben unsere Nachfolger vorbereitet."

Andrei Chapiuk

Andrei Chapiuk war als Freiwilliger im Menschenrechtszentrum Viasna in Minsk aktiv, als er im Oktober 2020 festgenommen und wegen seiner angeblichen Teilnahme an Massenunruhen angeklagt wurde. Er hatte bei Protesten Menschenrechtsverletzungen der belarusischen Behörden dokumentiert. Nach seinem Einspruch gegen ein erstes Urteil wurde Chapiuk im Februar 2023 wegen "Vorbereitung von Massenunruhen" und "Mitwirkung in einer kriminellen Gruppe" zu fünf Jahren und neun Monaten Haft sowie zu einer Geldstrafe verurteilt.

Uladzimir Labkovich

Uladzimir Labkovich arbeitete bei Viasna als Rechtsanwalt und koordinierte die Kampagne "Menschenrechtsverteidiger*innen für freie Wahlen". Er wurde im Juli 2021 zusammen mit seiner Frau Nina Labkovich verhaftet. Während sie einige Tage später freigelassen wurde, wurde gegen Uladzimir Labkovich Anklage erhoben.

Im März 2023 wurde er in einem gemeinsamen Verfahren und unter derselben Begründung wie Ales Bialiatski und Valiantsin Stefanovich zu sieben Jahren Haft und einer hohen Geldstrafe verurteilt. Auch Labkovich wird allein wegen seiner Menschenrechtsarbeit verfolgt. Er ist Vater von drei Kindern. Seine letzten Worte vor Gericht galten seiner

Familie: "Im Moment sind alle meine Gedanken bei meiner Familie: meiner Mutter, meinen Kindern und meiner Frau Nina, die während dieser ganzen Zeit Schreckliches durchgemacht hat."

Marfa Rabkova

Marfa Rabkova war als Koordinatorin des Freiwilligendienstes für Viasna tätig. Im September 2020 wurde sie aufgrund ihres legitimen Engagements für die Menschenrechte in Belarus inhaftiert. Bereits während der zweijährigen Untersuchungshaft verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand sehr stark, sie erhielt trotzdem keine angemessene medizinische Versorgung. Rabkova wurde wegen "Organisation von Massenunruhen" und "Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung" zu 15 Jahren Haft in einer Strafkolonie und einer Geldstrafe von umgerechnet 8.250 Euro verurteilt. Im Februar 2022 wurde das Urteil nach einem Berufungsverfahren hinter verschlossenen Türen rechtskräftig, und sie wurde in eine Strafkolonie überführt. Trotz besorgniserregender Symptome und einer Verschlechterung ihres

Gesundheitszustands lehnen die Gefängnisbehörden seit Monaten ihre Anträge auf medizinische Versorgung ab.

Viasna

Das belarusische Menschenrechtszentrum Viasna ("Frühling") beobachtet seit 1996 die Menschenrechtslage in Belarus, berät in menschenrechtlichen Fragen und ist in der Menschenrechtsbildung aktiv. Viasna setzt sich zudem seit Jahren für die Abschaffung der Todesstrafe ein.

Viasnas Mitarbeiter*innen stehen im Zuge der weitverbreiteten Schikanen gegen die Zivilgesellschaft in Belarus immer wieder unter Druck. In der aktuellen Repressionswelle nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl 2020 wurden Mitarbeiter*innen und Freiwillige festgenommen und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Im August 2023 wurde Viasna von den Behörden als "extremistische Vereinigung" eingestuft.

Amnesty International fordert die umgehende und bedingungslose Freilassung aller fünf inhaftierten Menschenrechtsverteidiger*innen von Viasna und ein Ende der strafrechtlichen Verfolgung aller friedlichen Aktivist*innen und Kritiker*innen in Belarus.

Mehr Informationen und Möglichkeiten aktiv zu werden unter www.amnesty-belarus-ukraine.de und

hier, sowie unter https://freeviasna.org/en.

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