Amnesty Journal 31. Januar 2022

"Die angolanische Polizei tritt sehr aggressiv auf"

Ein junger Mann sitzt vor einer Wand neben einer Pflanze.

João Malavindele beobachtet und dokumentiert Polizeigewalt.

Polizeikräfte in Angola haben bei der Durchsetzung von Corona-Ausgangsbeschränkungen zwischen Mai und Juli 2020 mindestens sieben Menschen getötet. João Malavindele hat an einem Bericht mitgearbeitet, der die Fälle dokumentiert.

Interview: Parastu Sherafatian

Wie reagiert die Bevölkerung Angolas auf die Corona-Maßnahmen der Regierung?

Anfangs gab es viel Unverständnis und Unkenntnis, was den Umgang mit der Pandemie angeht. Als die Regierung den nationalen Notstand ausrief, schränkte sie damit das Recht ein, sich frei zu bewegen. Die Polizei und die Sicherheitskräfte, die diese Maßnahmen umsetzen sollten, stießen auf Widerstand in der Bevölkerung. Schließlich ist ein Großteil darauf angewiesen, das Haus zu verlassen, um zum Beispiel auf dem Markt zu arbeiten.

Und wie reagiert die Polizei auf diesen Widerstand?

Die angolanische Polizei tritt sehr aggressiv auf und weiß oft nicht, wie sie mit der Bevölkerung in einen Dialog treten soll. Statt das Gespräch zu suchen, begegnet sie den Menschen mit Gewalt. Dabei gab es auch Tötungen. Angolas Innenminister sagte, die Polizei sei nicht dazu da, um "Schokolade zu verschenken". Das war praktisch ein Freifahrtschein für die Polizei, Gewalt einzusetzen und zu töten.

Wer waren die Opfer?

Bei den meisten Todesfällen, die wir dokumentiert haben, handelt es sich um junge Menschen aus ärmeren Gegenden.

Warum gerade die?

Das liegt womöglich daran, dass junge Menschen im Umgang mit der Polizei weniger vorsichtig sind und die Situation nicht korrekt einschätzen können.

Trotz aller Versprechen, die Fälle aufzuklären, gibt es immer noch keinen offiziellen Untersuchungsbericht. Wir werden diese Forderung weiterhin erheben, denn die Angehörigen verdienen Gerechtigkeit.

Ihre Organisation OMUNGA hat gemeinsam mit Amnesty einen Bericht über Polizeigewalt veröffentlicht. Wie sind Sie dabei vorgegangen?

Amnesty und OMUNGA haben seit 2020 Fälle von exzessiver Gewalt mit aufgedeckt und in verschiedenen Städten verfolgt. Leider konnten wir nicht alle erfassen. Das ist vor allem aufgrund der Pandemie eine große Herausforderung. Meistens erfahren wir von den Vorfällen aus den Medien. Da wir auch selbst Teil der Community sind, kennen wir häufig die Augenzeug_innen und können so die Angehörigen kontaktieren.

Was passiert nach der Kontaktaufnahme?

Oft sind die Angehörigen zunächst bereit, auszusagen, entscheiden sich dann aber dagegen, weil sie bedroht oder eingeschüchtert werden. In den meisten Fällen war die Polizei schon bei ihnen und hat ihnen diktiert, was sie sagen sollen. Manchmal gibt die Polizei an, bereits alle Schuldigen festgenommen zu haben, was dann aber nicht stimmt. Deshalb ist eine Hauptforderung von uns, die Polizei zu reformieren. Trotz aller Versprechen, die Fälle aufzuklären, gibt es immer noch keinen offiziellen Untersuchungsbericht. Wir werden diese Forderung weiterhin erheben, denn die Angehörigen verdienen Gerechtigkeit. Bei OMUNGA kämpfen wir schließlich für ein gerechteres Angola – auch wenn die Pandemie vieles schwerer macht.

Wie sind Sie zu Ihrer Arbeit bei OMUNGA gekommen?

Ich arbeitete zunächst für eine lokale Organisation namens Círculo Rastafari de Benguela. Im Jahr 2008 wurde ich vom damaligen Koordinator und Gründer von OMUNGA eingeladen, Teil des Projekts zu werden. Der Kampf für Gerechtigkeit und Menschenrechte war schon immer Teil meines Lebens.

João Malavindele ist geschäftsführender Direktor von ­OMUNGA. Gemeinsam mit Amnesty International hat seine NGO einen Bericht über Polizeigewalt veröffentlicht. Er findet sich unter ­amnesty.de/angola-toetungen-polizei.

Parastu Sherafatian ist Mitarbeiterin der Pressestelle von Amnesty International in Deutschland.

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