Aktuell Deutschland 04. August 2023

UN-Menschenrechtsrat: Deutschland auf dem Prüfstand

Das Bild zeigt mehrere Menschen mit Protestplakaten, auf einem steht "Menschenrechte in den Mittelpunkt"

Protestaktion am Rande der Ampel-Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Bündnis90/Die Grünen und FDP am 15. November 2021 in Berlin

Das Verfahren klingt sperrig, kann aber zur Verbesserung der Menschenrechtslage in den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nation beitragen: Das sogenannte "Universelle Periodische Überprüfungsverfahren" vor dem UN-Menschenrechtsrat. Deutschland muss am 9. November 2023 Rede und Antwort stehen und die Bundesregierung hat dafür heute den eigenen Bericht eingereicht. Wieso das Überprüfungsverfahren so wichtig ist und welche Rolle Amnesty dabei spielt, beantworten wir hier. 

Appell-Aktionen, Mahnwachen und Lobby-Arbeit: Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir uns bei Amnesty International für die Menschenrechte einsetzen. Unsere Berichte für das sogenannte "Universelle Periodische Überprüfungsverfahren" des UN-Menschenrechtsrates gehören ebenfalls dazu. Das Verfahren bietet eine wichtige Gelegenheit, Einfluss auf die Menschenrechtslage in einem UN-Mitgliedsstaat zu nehmen. Denn: Auch die Zivilgesellschaft, und damit Amnesty International, kann Forderungen formulieren und auf Menschenrechtsverletzungen in dem jeweiligen Staat aufmerksam machen.

Deutschland muss am 9. November 2023 dem UN-Menschenrechtsrat Auskunft geben und Rechenschaft ablegen. Zu unseren Forderungen gehören beispielsweise konkrete Maßnahmen, um gegen systemischen und institutionellen Rassismus sowie Hasskriminalität vorzugehen. Außerdem gibt es Handlungsbedarf zur Wahrung der Rechte von Frauen, LGBTI+ sowie von geflüchteten und asylsuchenden Menschen und zum Schutz der Versammlungsfreiheit.

Was genau ist dieses Überprüfungsverfahren?

Das "Universelle Periodische Überprüfungsverfahren" (Universal Periodic Review, UPR) findet seit 2007 vor dem UN-Menschenrechtsrat statt. Es hat das Ziel, die Menschenrechtslage in den 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen zu verbessern. Alle Staaten werden nacheinander überprüft. 2022 startete der vierte Turnus.

Den Ausgangspunkt für die Überprüfung bilden drei Berichte. Ein Bericht wird von dem Staat eingereicht, der überprüft wird. Ein weiterer wird vom Hochkommissariat für Menschenrechte verfasst. Der dritte setzt sich aus Berichten der Zivilgesellschaft sowie von nationalen Institutionen für die Menschenrechte und zwischenstaatlichen Organisationen zusammen. Zu diesem Bericht trägt auch Amnesty International bei. Im weiteren Verfahren spricht der UN-Menschenrechtsrat Empfehlungen an den überprüften Staat aus.

Wieso beteiligt sich Amnesty International an dem Verfahren?

Schon seit 2007, also dem Beginn des "Universellen Periodischen Überprüfungsverfahrens", reicht Amnesty International Berichte zur menschenrechtlichen Situation in den jeweiligen Ländern bei den Vereinten Nationen ein. Dabei geben wir auch Empfehlungen ab, wie die Menschenrechte gestärkt werden können. Bei den späteren Berichten bewertet Amnesty International außerdem, ob es zu Verbesserungen im Vergleich zum vorherigen Berichtszeitraum gekommen ist.

Nach der mündlichen Erörterung im Menschenrechtsrat wird ein Bericht mit den Empfehlungen aller anderen Staaten zusammengefasst. Hierbei werden auch Vorschläge aus dem Bericht der Zivilgesellschaft aufgenommen. Der überprüfte Staat muss sich zu jeder Empfehlung klar positionieren.

Mit der Annahme von Empfehlungen und der Abgabe freiwilliger Verpflichtungen bindet sich der Staat politisch, diese bis zur nächsten periodischen Überprüfung umzusetzen. Beispielsweise wurden 2018 bei der letzten Überprüfung knapp 260 Empfehlungen an Deutschland ausgesprochen. Davon hat Deutschland 209 angenommen. Gemeinsam mit anderen zivilgesellschaftlichen Akteuren setzt sich Amnesty International dafür ein, dass die Umsetzung dann Realität wird.

Was sagt Amnesty International zu Deutschland mit Blick auf die Überprüfung im Jahr 2023?

Auch wenn Deutschland einige Empfehlungen der letzten Überprüfung umgesetzt hat, besteht weiterhin Handlungsbedarf zur Verbesserung der Menschenrechtslage. 

Dazu gehören Maßnahmen, um systemischen und institutionellen Rassismus und Hasskriminalität zu adressieren. Unter anderem müssen anlasslose Kontrollmöglichkeiten der Polizei als Einfallstor für Racial Profiling abgeschafft und Möglichkeiten geschaffen werden, Vorwürfe gegen die Polizei unabhängig zu untersuchen. Ferner besteht Änderungsbedarf bei Gesetzen, welche die Versammlungsfreiheit unverhältnismäßig einschränken und alle Überwachungsmaßnahmen müssen das Recht auf Privatsphäre wahren.

Außerdem sind Schwangerschaftsabbrüche zu entkriminalisieren und der legale Zugang zu diesen umfassend zu gewährleisten. Geschlechtsspezifische Gewalt muss zudem effektiv bekämpfen werden. Deutschland muss die Rechte von LGBTI+ gewährleisten, unter anderem durch die rechtliche Anerkennung des Geschlechts auf der Grundlage der Selbstauskunft einer Person. Des Weiteren müssen die Rechte von Asylsuchenden und Geflüchteten geschützt werden. Dazu gehört ein umfassendes Recht auf Familiennachzug und die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums für Asylsuchende.

Bezüglich der Verantwortung von Unternehmen rufen wir die Bundesregierung dazu auf, sich für ein starkes EU-Lieferkettengesetz einzusetzen. Deutschland muss zudem seiner menschenrechtlichen Verantwortung mit Blick auf die Klimakrise gerecht werden. Dazu gehört die Festsetzung von effektiven Emissionsminderungszielen sowie mehr Unterstützung für Länder, die von den Auswirkungen der Klimakrise betroffen sind.

Die periodische Überprüfung vor dem UN-Menschenrechtsrat ist ein Baustein, um die Menschenrechtslage in dem jeweiligen Land zu verbessern. Der Beitrag zivilgesellschaftlicher Organisationen spielt dabei eine wesentliche Rolle – Amnesty International wird sich daher weiterhin aktiv an diesem Prozess beteiligen.

 

"Deutschland: Diskriminierung nimmt zu" – Hier kannst du die Amnesty-Eingabe für das UPR-Verfahren über die Lage der Menschenrechte in Deutschland als PDF-Dartei herunterladen

 

Weitere Informationen auf der Website des "Deutschen Instituts für Menschenrechte" (DIMR):

Das UPR-Verfahren

Deutschland im UPR-Verfahren

Weitere Informationen auf der Website des "Forum Menschenrechte":

Zwischenbilanz zum UPR-Verfahren

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