Aktuell Bericht Paraguay 26. April 2018

Umweltschützerinnen und Umweltschützer werden kriminalisiert

Mann in lila Hemd sitzt vor einem Stapel Papier

Der Menschenrechtsanwalt Raúl Marín steht in Paraguay unter Hausarrest, weil er Gemeinden über ihr Recht auf angemessenen Wohnraum berät

In Peru und Paraguay gehen die Behörden mit Verleumdungskampagnen, rechtswidrigen Zwangsräumungen und haltlosen Strafanzeigen gegen Personen vor, die sich für Land- und Umweltrechte einsetzen. Dies verdeutlicht ein jetzt veröffentlichter Amnesty-Bericht.

Diejenigen, die mutig für ihre Land- und Umweltrechte einstehen, werden regelmäßig aufgrund ihres Engagements ins Visier genommen. Diese Angriffe haben verheerende Auswirkungen auf das körperliche und geistige Wohlbefinden der Betroffenen sowie auch auf deren Familien und Gemeinden. Die Behörden in Peru und Paraguay müssen umgehend damit aufhören, das Strafjustizsystem dazu zu missbrauchen, Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtler zu verfolgen, einzuschüchtern und in ihrer Arbeit zu behindern. Statt Menschen für die Verteidigung ihrer Landrechte und natürlichen Ressourcen zu kriminalisieren, müssen Staaten rechtzeitige und wirksame Maßnahmen zu ihrem Schutz ergreifen.

Erika
Guevara-Rosas
Expertin für die Region Amerikas bei Amnesty International

Schikanierung von Menschenrechtsverteidigerninnen und -verteidigern

Der neue Amnesty-Bericht "A Recipe for Criminalization: Defenders of the Environment, Territory and Land in Peru and Paraguay" dokumentiert die Schikanierungs-, Stigmatisierungs- und Einschüchterungstaktiken der Behörden, mit denen der Einsatz örtlicher Gemeinden für den Schutz ihrer Landrechte und Wasserressourcen untergraben und behindert wird.

Die meisten Drohungen und Angriffe gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger, die Amnesty International in den vergangenen Jahren in der Region Amerikas dokumentiert hat, waren gegen Gruppen oder Organisationen gerichtet, die sich für Landrechte und Umweltbelange stark machten.

Der Bericht zeigt auf, wie die Behörden in Paraguay mit Verleumdungskampagnen, rechtswidrigen Zwangsräumungen und konstruierten Anklagen gegen Gemeindesprecherinnen und -sprecher vorgehen. Damit sollen diese von ihrer friedlichen Menschenrechtsarbeit abgehalten und andere Personen von ähnlichen Aktivitäten abgeschreckt werden. Auch die Stigmatisierung von Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern durch die peruanischen Behörden wird deutlich. Hinzu kommen mehrere Fälle, in denen die Polizei in Peru bei Protesten gegen Bergbauprojekte unnötige und unverhältnismäßige Gewalt angewandt haben soll.

Raúl Marín: unter Hausarrest wegen Rechtshilfe

Der Bericht stellt auch einige konkrete Fallbeispiele vor. So zum Beispiel den Fall des Menschenrechtsanwalts Raúl Marín, der in Paraguay wegen seiner Arbeit regelmäßiger Schikane und Stigmatisierung ausgesetzt ist. Raúl Marín wurde am 13. Januar 2016 von der Polizei festgenommen, als er gerade Rechtshilfe für Personen leistete, die aus San Lorenzo vertrieben worden waren. Er wurde einen Monat lang willkürlich festgehalten und steht nun seit mehr als zwei Jahren wegen mutmaßlicher "Behinderung der Justiz" unter Hausarrest.

Gegen Raúl Marín sind darüber hinaus noch zwei weitere Anklagen aus dem Jahr 2015 wegen "unerlaubtem Betreten" anhängig. Seinen Angaben zufolge wurde sein Recht auf eine angemessene Verteidigung mehrfach behindert, unter anderem durch das monatelange Vorenthalten seiner Ermittlungsakte. Amnesty International hat sich mit dem Fall befasst und kann keine Beweise zur Untermauerung der Vorwürfe gegen ihn feststellen. Die Organisation ist der Ansicht, dass die Behörden sich missbräuchlich gewisser Rechtsvorschriften bedienen, um die Arbeit zu behindern, die Raúl Marín für Familien und Gemeinden leistet, deren Menschenrechte verletzt worden sind.

Gemeindesprecherinnen und Gemeindesprecher wegen Protest gegen Mine festgenommen

Auch ein konkretes Beispiel aus Peru wird angeführt, wo am 26. April 2013 in der nördlichen Region Cajamarca 16 Gemeindesprecherinnen und Gemeindesprecher von der Polizei festgenommen wurden, weil sie sich zum Schutz ihres Landes und ihrer Wasserressourcen gegen das Conga-Minenprojekt gestellt hatten. Die Staatsanwaltschaft klagte sie wegen Entführung und Nötigung an und forderte Gefängnisstrafen von mehr als 30 Jahren.

Laut Recherchen von Amnesty International basierte die Anklage der Staatsanwaltschaft auf widersprüchlichen Zeugenaussagen aus zweiter Hand. Zudem legte die Staatsanwaltschaft in den von Amnesty besuchten öffentlichen Anhörungen keinerlei Beweise für die mutmaßlichen Straftaten der 16 Angeklagten vor. Am 28. März 2017 wurde das Verfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt.

Justizsystem darf nicht diskriminieren

Amnesty International fordert die Behörden in Peru und Paraguay auf, öffentlich anzuerkennen, dass Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern, die sich für Landrechte und Umweltbelange einsetzen, legitime Arbeit leisten. Zudem müssen die Behörden den Missbrauch des Justizsystems zur Drangsalierung und Diskreditierung von Menschenrechtlerinnen und -rechtlern beenden, unbegründete strafrechtliche Verfahren fallenlassen, und die für Drohungen und Übergriffe Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Beide Länder sollten außerdem die staatlichen Strategien zum Schutz von Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern um Kriterien erweitern, die Fragen zum Geschlecht und zur ethnischen Zugehörigkeit der Betroffenen berücksichtigen. Darüber hinaus müssen Maßnahmen ergriffen werden, um die strukturellen Ursachen von Gewalt gegen Menschenrechtlerinnen und -rechtler zu bekämpfen, wie zum Beispiel Straflosigkeit, Stigmatisierung und Diskriminierung.

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