Aktuell Pakistan 05. Juni 2023

Armut und Klimagerechtigkeit: Wie Pakistans Bevölkerung unter den Folgen der Klimakrise leidet

Das Bild zeigt einen Mann mit einer Hacke

Ein Bauer bearbeitet ausgetrockneten Lehmboden in der pakistanischen Region Punjab (Archivaufnahme)

Die internationale Gemeinschaft muss dringend handeln, da der Klimawandel und eine Reihe extremer Hitzewellen in Pakistan erhebliche Auswirkungen auf die Menschenrechte haben. Das erklärt Amnesty International in dem neuen Bericht "A Burning Emergency: Extreme heat and the right to health in Pakistan" anlässlich des Weltumwelttages am 5. Juni.

Der veröffentlichte Bericht untersucht die Auswirkungen extremer Hitze in Pakistan auf das Leben der Menschen sowie auf ihr Recht auf Gesundheit und Existenzsicherung. Er lenkt die Aufmerksamkeit auf den mühevollen Alltag von Menschen, die in einigen der heißesten Städten der Welt in Armut leben.

"Pakistan ist mit am schlimmsten von der Klimakrise betroffen. Die mangelnde Klimagerechtigkeit ist nicht zu übersehen. Trotz ihres geringen Beitrags zum Klimawandel sind die Menschen in Pakistan unverhältnismäßig stark von den schweren Folgen betroffen, die oft lebensbedrohlich sind. Eine Klimakrise dieses Ausmaßes zu bewältigen erfordert globale Aufmerksamkeit und globales Handeln. Die reicheren Länder dürfen nicht unterschätzen, welche große Rolle sie selbst dabei spielen", sagte Dinushika Dissanayake, die stellvertretende Direktorin für die Region Südasien bei Amnesty International.

"Am weltweiten Tag der Umwelt hoffen wir, dass unser Bericht die Erinnerung an unsere kollektive Verantwortung für einige der am schlimmsten marginalisierten Menschen auffrischt, die extremen Temperaturen ausgesetzt sind. Sie sind gezwungen, in sengender Hitze zu leben, da diese extrem hohen Temperaturen von Jahr zu Jahr steigen, während wir untätig die Zeit verstreichen lassen. Die wohlhabenderen Länder müssen unverzüglich entschlossenes Engagement an den Tag legen, um die Emissionen zu reduzieren. Sie müssen schleunigst den Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen vollziehen und Gelder bereitzustellen, um den Menschen die Anpassung zu erleichtern, sowie den bei der COP27 eingerichteten Fonds zugunsten von Ausgleichszahlungen für Klimafolgeschäden rasch umzusetzen."

Der Bericht fordert überdies die pakistanische Regierung auf, umfassende Hitze-Aktionspläne zu entwerfen, die im Einklang mit internationalen Menschenrechtsverpflichtungen und -normen stehen. So soll gewährleistet sein, dass die Rechte von Gruppen geschützt werden, die besonders anfällig für die gesundheitlichen Auswirkungen extremer Hitze sind.

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Der Bericht "A Burning Emergency: Extreme heat and the right to health" in Pakistan basiert auf Interviews mit 45 Personen, die während der Sommermonate 2021 und 2022 von den gesundheitsschädlichen Auswirkungen extremer Hitze in Jacobabad und Lahore in Pakistan betroffen waren. Jacobabad ist einer der heißesten Orte der Welt. Im Juni 2021 lag die dort verzeichnete Höchsttemperatur bei 52° C.

Amnesty International befragte Menschen, die in erhöhter Gefahr einer Hitzeexposition sind. Dazu zählen Beschäftigte in der Landwirtschaft und in Ziegelbrennereien, Fahrer*innen von Lieferdiensten, Angehörige der Polizei, Müllarbeiter*innen und andere, die im Freien arbeiten.

In Jacobabad und Lahore befragte medizinische Fachkräfte berichteten von einer gestiegenen Fallzahl von Hitzschlägen, Benommenheit, Atemnot, Brennen im Magen, Schwindel, Fieber, Schmerzen, Augenentzündungen sowie Kopfschmerzen in Phasen extremer Hitze. Eine medizinische Fachkraft erklärte gegenüber Amnesty International in Lahore: "Im Mai und im Juni suchten uns viele Patient*innen wegen der Hitzewelle auf. Wir haben in der Notaufnahme Tag für Tag 50 bis 60 Fälle behandelt."

"Für uns gibt es kein Entkommen"

Aus den Interviews geht eindeutig hervor, dass sich die extreme Hitze zwar auf alle auswirkt, manche aber aufgrund ihres sozioökonomischen Status wesentlich schwerer belastet sind.

Eine Frau aus einer informellen Siedlung in Jacobabad sagte: "Wir sind von der Hitze stärker betroffen als alle anderen. Heißes Wetter belastet arme Menschen. Für uns gibt es kein Entkommen."

Von Amnesty International befragte Tagelöhner erklärten, sie hätten keine andere Wahl als weiterzuarbeiten – selbst wenn ihnen heiß ist, obwohl die Gesundheitsrichtlinien empfehlen, sich in Phasen extremer Hitze drinnen aufzuhalten. Ein Traktorfahrer in Jacobabad sagte: "Wenn wir uns freinehmen, gibt es für diesen Tag keinen Lohn … wegen unserer Armut müssen wir arbeiten, egal wie das Wetter ist."

Betroffen sind vor allem Menschen, die in Armut leben und sich in prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden. Sie erhalten oft niedrigere Löhnen und haben weniger Möglichkeiten für Ruhepausen. Oft haben sie eingeschränkten oder gar keinen Zugang zu Unterstützung.

Auch Frauen, die vielschichtigen Formen der Diskriminierung ausgesetzt sind, sind stärker von den Auswirkungen der Hitzewellen betroffen – mit potenziell gefährlichen Folgen für ihre Gesundheit und die ihrer Kinder.

"Die Regierung ist hier unsichtbar"

Der Besitzer einer Ziegelbrennerei in Jacobabad sagte: "Wenn die Regierung sich um die Region gekümmert hätte, wäre in Jacobabad alles in Ordnung. Doch die Regierung ist hier unsichtbar."

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Trotz der sengenden Temperaturen in Jacobabad und Lahore hat keine der beiden Städte einen Hitzeaktionsplan oder klimasensible soziale Schutzmechanismen eingerichtet. In Pakistan haben über vierzig Millionen Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Andere verfügen lediglich über ein unzuverlässiges und unregelmäßiges Stromnetz. In Armut lebende Menschen haben keinen Zugang zu oder kein Geld für Elektrizität für Ventilatoren oder Klimageräte und können sich auch keine Solarmodule leisten.

Ein großer Teil der staatlichen Gesundheitsratschläge hinsichtlich der Vermeidung von Hitzebelastung setzt voraus, dass man es sich leisten kann, drinnen zu bleiben und andere Arbeitszeiten auszuhandeln. Es setzt außerdem voraus, Zugang zu Wasser, Gesundheitsfürsorge und Kühlvorrichtungen zu haben.

"Gut durchdachte und ausreichend finanzierte Programme für sozialen Schutz können die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels abmildern, während Pakistan von einer Krise nach der anderen getroffen wird", sagte Dinushika Dissanayake.

Hin zu einer mit den Menschenrechten im Einklang stehenden Klimaförderung

Der Bericht von Amnesty International skizziert eine umfassende Liste von Empfehlungen für die pakistanische Regierung und die internationale Gemeinschaft. Dazu zählt unter anderem die Aufforderung an die pakistanischen Behörden, eine Bedarfsanalyse im Kontext von Hitzewellen vorzunehmen. Dabei sollte sich die Regierung auf die am meisten marginalisierten Menschen konzentrieren und deren Teilhabe garantieren, indem mit den Menschenrechten im Einklang stehende Hitzeaktionspläne erarbeitet und umgesetzt werden. Auch ein wirksamer Sozialschutz muss bereitstehen, um die Menschen beim Umgang mit Hitzewellen zu unterstützen.

Für diese Maßnahmen bedarf es erheblicher finanzieller Mittel, und die internationale Gemeinschaft muss sich zusammenschließen, um deren Bereitstellung zu gewährleisten. Ein Schuldenschnitt mit einer Aussetzung der Zahlungen, die momentan beträchtliche Summen der staatlichen Einkünfte und Ausgaben binden, kann eine Möglichkeit der Finanzierung sein.

In Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte müssen reichere Länder ihr Engagement verstärken. Emissionen müssen verringert und der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen vollzogen werden. Reichere Länder müssen sowohl die benötigten Gelder als auch die erforderliche Unterstützung bereitstellen, damit Pakistan neben anderen geeigneten Schritten zum Schutz der Menschenrechte die notwendigen Anpassungsmaßnahmen ergreifen und wirksame Entschädigungen für Schäden und Verluste leisten kann. Wohlhabende Staaten sollten ihre Gelder für den Klimaschutz massiv aufstocken und ein besseres Gleichgewicht zwischen der Eindämmung des Klimawandels sowie der Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen gewährleisten. Dazu gehört auch Unterstützung bei der Durchführung menschenrechtskonformer Bedarfsanalysen für Klimafolgeschäden.

"Die am stärksten für die Klimakrise verantwortlichen reichen Länder müssen unbedingt Ressourcen bereitstellen, nicht nur um die Anpassung zu unterstützen, sondern auch als Entschädigung für die Verluste und Schäden, die die Menschen aufgrund der durch den Klimawandel ausgelösten extremen Hitzewellen in Ländern wie Pakistan erlitten haben oder noch erleiden werden", sagte Dinushika Dissanayake.

"Dieser Bericht erzählt uns die Geschichte der extremen Folgen des Klimawandels, die auf das unkontrollierte und verantwortungslose Verhalten von Regierungen zurückgehen, vor allem in den reichen Ländern sowie anderen, die sich einem schnellen und gerechten Übergang beim Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen widersetzen. Sie müssen dafür sorgen, dass die Folgen für die Menschenrechte nicht unumkehrbar sind, und sich darum bemühen, in Übereinstimmung mit ihren Verpflichtungen zum Schutz der Menschenrechte Klimagerechtigkeit herbeizuführen."

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