Aktuell 18. April 2021

Mosambik/Cabo Delgado: Amnesty International schlug Alarm – aber niemand wollte hören

Das Bild zeigt einen Strand und das Meer, mehrere Personen gehen mit Gepäckstücken auf dem Kopf von kleinen Segelbooten in Richtung Strand

Binnenvertriebene aus dem Norden Mosambiks suchen in der Hafenstadt Pemba Schutz vor den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Militär und bewaffneten Gruppierungen (11. Dezember 2020).

Die mosambikanische Provinz Cabo Delgado ist reich an Bodenschätzen. In den vergangenen Monaten geriet sie wegen eines sogenannten Aufstands international in die Schlagzeilen. Die dramatische Entwicklung war vorhersehbar: Menschenrechtsgruppen thematisieren die zunehmende Destabilisierung im Norden von Mosambik seit Jahren - doch die Warnungen fanden bei der internationalen Gemeinschaft kein Gehör.

Tausende wurden vertrieben und zahlreiche Menschen getötet, um  – meist ausländischen – Gas- und Bergbaufirmen den Rohstoffabbau in der Region zu ermöglichen. Gleichzeitig ist die einheimische Bevölkerung immer tiefer in Armut und Elend gerutscht. Wirtschaftsorganisationen in der Region und auf dem gesamten Kontinent haben weitgehend geschwiegen. Eine toxische Mischung aus ineffektiven Regierungsbehörden, starken Wirtschaftsinteressen und drückender Armut der Bevölkerung haben in Cabo Delgado, eine Provinz im Norden Mosambiks, den Boden für den verheerenden Gewaltausbruch bereitet, den wir momentan erleben.

Die Verantwortung dafür, einen Weg aus der Katastrophe zu finden, liegt eindeutig bei der mosambikanischen Regierung. Doch von vereinzelten Erklärungen abgesehen, haben die staatlichen Stellen die Menschenrechte bisher nicht wirksam geschützt.

Bereits 2018 belegte Amnesty International in einem Bericht das völlige Versagen der Regierung Mosambiks, die Menschenrechte der Einwohner_innen des Dorfes Nagonha im Norden des Landes zu schützen. Damals bedrohten die Aktivitäten des chinesischen Bergbaukonzerns Haiyu Mozambique Mining Co, Lda. die Existenz des Fischerdorfes. Im selben Jahr schlug der Versuch des Amnesty-Researchers David Matsinhe fehl, nach Cabo Delgado zu gelangen. Das Auto, in dem er gemeinsam mit dem mosambikanischen Journalisten Estacio Valoyi und einem Fahrer unterwegs war, wurde angehalten und die Insassen mit vorgehaltener Waffe gezwungen, auszusteigen. Die drei wurden verschleppt und zwei Tage ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Doch sie hatten Glück im Unglück: Sie überlebten und konnten ihre Geschichte erzählen – viele andere können das nicht.

Seitdem hat Amnesty International mehrere Stellungnahmen zur Situation in Cabo Delgado veröffentlicht. Im September 2020 konnte die Organisation sogar anhand eines verifizierten Videos die genaue Stelle im Dorf Awasse im Bezirk Mocímboa da Praia angeben, an der Regierungssoldaten eine Frau mit mehreren Schüssen kaltblütig getötet hatten. Noch im selben Monat konnte Amnesty International fünf weitere Videos und drei Fotoaufnahmen verifizieren, auf denen zu sehen ist, wie Gefangene gefoltert und auf andere Weise misshandelt werden und wie versucht wird, Gefangene zu enthaupten. Weiter ist die Zerstückelung von mutmaßlichen "Al-Shabaab-Kämpfern" aus der Provinz Cabo Delgado zu sehen. Die Aufnahmen zeigen außerdem den Abtransport zahlreicher Leichen, die anschließend offenbar in Massengräber geworfen wurden.

Im März 2021 veröffentlichte Amnesty International einen weiteren Bericht. Darin werden die grausamen Erlebnisse nachgezeichnet, die die Menschen von Cabo Delgado in den vergangenen Monaten im Kontext des Konflikts erlitten haben.

Amnesty-Video über die Gewalt in Mosambik:

Twitter freischalten

Wir respektieren deine Privatsphäre und stellen deshalb ohne dein Einverständnis keine Verbindung zu Twitter her. Hier kannst du deine Einstellungen verwalten, um eine Verbindung zu den Social-Media-Kanälen herzustellen.
Datenschutzeinstellungen verwalten

Die Kämpfe haben seit ihrem Beginn 2017 unaussprechliches Leid über die örtliche Bevölkerung gebracht und eine beispiellose humanitäre Krise ausgelöst. In dem Bericht werden die Verstrickungen der beteiligten Konfliktparteien detailliert dargelegt. Dabei handelt es sich u. a. um Regierungseinheiten, eine private Söldnerfirma aus Südafrika und um Kämpfer der Gruppe, die sich selbst "Al-Shabaab" nennt. Diese besteht hauptsächlich aus unzufriedenen, arbeitslosen jungen Männern, die von dem Versprechen, einen Weg aus der Armut zu finden, angelockt wurden. 

Vor fast drei Wochen waren nach einem groß angelegten Angriff auf die Stadt Palma Dutzende Tote zu verzeichnen und Tausende wurden zur Flucht gezwungen. Nun konnten auch die Afrikanische Union (AU) und die Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) nicht länger schweigen. Die AU forderte ein sofortiges, koordiniertes Handeln der internationalen Gemeinschaft. Auf dem Krisengipfel der Staats- und Regierungschefs der SADC – der sogenannten Doppeltroika – am 8. April 2021 wurde die Entsendung eines technischen Teams nach Mosambik beschlossen. Außerdem soll noch in diesem Monat eine Sondersitzung des Ministerausschusses der SADC stattfinden.

Ungeachtet mehrerer Appelle der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Vereinten Nationen, zur Einhaltung der Menschenrechte in der Region, finden diese im Kommuniqué der SADC kein einziges Mal Erwähnung. Die Tatsache, dass die USA die Al-Shabaab-Gruppe im März als Terrororganisation eingestuft haben, könnte allerdings die Regierung Mosambiks – verantwortlich für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in ihrem Land – veranlassen, anders mit der Situation umzugehen. Amnesty International stellt in ihrem Bericht fest: "Internationale Beobachter_innen sprechen häufig davon, dass der IS Mosambik 'infiltriere'. Es gibt jedoch keine Beweise dafür, dass Al-Shabaab hauptsächlich aus ausländischen Kämpfern besteht oder von ihnen angeführt wird. Zwar befinden sich ein paar Tansanier und Ugander in den Reihen von Al-Shabaab, doch bleibt die bewaffnete Gruppe im Großen und Ganzen eine lokale Organisation, die örtliche Interessen verfolgt, und die einer außenstehenden Dachorganisation Loyalität versprochen hat."

Das Bild zeigt verkohlte Reste eines Hauses, im Hintergrund stehen intakte Häuser, gemacht aus Holz

Die Verantwortung dafür, einen Weg aus der Katastrophe zu finden, liegt eindeutig bei der mosambikanischen Regierung. Doch von vereinzelten Erklärungen abgesehen, haben die staatlichen Stellen die Menschenrechte bisher nicht wirksam geschützt. Im Gegenteil: Schlecht ausgebildete Regierungseinheiten haben sich in dem Konflikt an Menschenrechtsverletzungen und an völkerrechtlichen Verbrechen beteiligt. Die AU und die SADC sollten daher in ihren Aufrufen nicht nur "Terroristen" für das Problem verantwortlich machen. Die Regierung hat es lange versäumt, etwas gegen die Ursachen für die sich zuspitzenden Probleme in Cabo Delgado zu unternehmen.

Die jahrelange Vernachlässigung des Nordens von Mosambik durch die Regierung hat dem aktuellen Konflikt den Weg bereitet. Rechte wie die auf Bildung und Gesundheit wurden massiv verletzt. Zudem ist der Regierung das gravierende Versäumnis anzulasten, dass sie die lokalen Gemeinden vor den Aktivitäten von Großunternehmen, die die Bodenschätze in der Provinz ausbeuten wollen, sowie vor bewaffneten nichtstaatlichen Akteuren nicht geschützt hat.

Maßnahmen wie die Beauftragung privater Militärunternehmen wie die Dyck Advisory Group werden das Problem nicht lösen. Amnesty International hat in ihrem Bericht vielmehr dokumentiert, dass Dyck Teil des Problems ist. Viele Zeug_innen haben berichtet, dass Söldner von Dyck zivile Infrastruktur, darunter auch Krankenhäuser, Schulen und Häuser aus Lehm und Reet, von Flugzeugen und Hubschraubern aus mit Maschinengewehren beschossen hätten. Auch sei von Hubschaubern aus wahllos in Menschenmengen geschossen und es seien daraus Kampfmittel abgeworfen worden, ohne zwischen Kämpfern und Zivilist_innen zu unterscheiden.

Die mosambikanische Regierung muss mutige Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die Menschenrechte geachtet und geschützt werden. Zu diesen Maßnahmen gehört die Beteiligung an einem Dialog mit zivilgesellschaftlichen Gruppen und den lokalen Gemeinden; es muss aber auch Journalist_innen erlaubt werden, in der Region ungehindert ihrer Arbeit nachzugehen. Die Regierung darf zur Lösung des Problems, bei dem es sich eindeutig um ein massives soziales Problem der drückenden Armut handelt, dessen Ursache in der jahrelangen Vernachlässigung der Region liegt, nicht nur einen sicherheitsorientierten Ansatz verfolgen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in "Daily Maverick"

Weitere Artikel