Aktuell Kirgisistan 30. Juli 2020

Nachruf auf Azimjan Askarov: Amnesty trauert um einen mutigen Menschenrechtsverteidiger

Gezeichnetes Porträtbild von Azimjan Askarov, das an einer Wand hängt. Um sein Porträt hängen Kinderzeichnungen mit verschiedenen Motiven, wie Pferde, Sonne und Mond. Daneben steht eine Frau, die traurig nach unten blickt.

Eine Ausstellung im Juni 2014 in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek zeigt das Porträtfoto des Menschenrechtsverteidigers Azimjan Askarov sowie Zeichnungen, die Kinder für ihn angefertigt hatten. Neben dem Bild steht seine Ehefrau Hadicha Askarov.  

Die letzten zehn Jahre seines Lebens verbrachte Azimjan Askarov in Haft. Der Menschenrechtsverteidiger starb am 25. Juli 2020 im Alter von 69 Jahren als gewaltloser politischer Gefangener.  

Die Nachricht über den Tod von Azimjan Askarov erfüllt Mitarbeitende, Mitglieder und Unterstützer_innen von Amnesty International mit tiefer Trauer. Der unerschütterliche Menschenrechtsverteidiger und talentierte Künstler starb am 25. Juli 2020 im Alter von 69 Jahren in Kirgisistan als gewaltloser politischer Gefangener. Unser aufrichtiges Mitgefühl gilt der Familie von Azimjan Askarov und insbesondere seiner Frau Hadicha. 

Konstruierte Anklagen und unfaire Gerichtsverfahren

Azimjan Askarov hatte die letzten zehn Jahre seines Lebens in Haft verbracht. Er war im September 2010 wegen seiner angeblichen Beteiligung an ethnisch motivierten Ausschreitungen im Süden Kirgisistans im Juni desselben Jahres zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Amnesty International ist der Ansicht, dass die gegen ihn erhobenen Anklagen konstruiert waren und darauf abzielten, ihn an seiner Menschenrechtsarbeit zu hindern. Weder die Ermittlungen noch der Prozess gegen Azimjan Askarov entsprachen den Grundsätzen fairer Gerichtsverfahren. Zudem wurden die von ihm erhobenen Vorwürfe über Folter während seiner Zeit in der Untersuchungshaft nie angemessen untersucht.

Amnesty International und weitere Menschenrechtsorganisationen hatten sich seit seiner Festnahme am 25. Juni 2010 stetig für die Freilassung des Menschenrechtlers eingesetzt. Trotz der unermüdlichen Bemühungen der internationalen Gemeinschaft, sowohl in Form von öffentlicher Kampagnenarbeit als auch über andere Kanäle, nahmen die kirgisischen Behörden, die ihnen immer wieder gebotenen Möglichkeiten, dieses furchtbare Unrecht zu beenden, nicht wahr.

Azimjan Askarovs Gesundheitszustand verschlechtert sich

Am 18. März 2019 wurde Azimjan Askarov aus der Untersuchungshafteinrichtung SIZO-1 in Bischkek in die Gefängniskolonie Nr. 19 in der Region Tschüi verlegt. Berichten zufolge hielt man ihn nach seiner Verlegung in Einzelhaft fest, weil er sich über die Beschränkungen der Familienbesuche in der Gefängniskolonie beschwert hatte. Seitdem hatte Amnesty International zahlreiche Berichte über den sich in der Haft verschlechternden Gesundheitszustand von Azimjan Askarov erhalten. Er litt an Herz- und Atemwegserkrankungen und erhielt nicht die erforderliche medizinische Versorgung. Die Ausbreitung von COVID-19 in Kirgisistan bedeutete für Azimjan Askarov nicht nur eine erhöhte Gefahr für sein Leben, sondern war praktisch sein Todesurteil.

Tweet der UN-Sonderberichterstatterin Mary Lawlor:

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Wenige Tage vor seinem Tod erhielt der Menschenrechtler Besuch von seinem Anwalt Valeryan Vahitov. Dieser berichtete danach, dass Azimjan Askarov nicht mehr ohne Hilfe laufen konnte und von zwei Gefängnisbeamt_innen zu dem Treffen gebracht werden musste. Zudem hatte er an Gewicht verloren, hustete und hatte so starke Luftnot, dass es ihm schwerfiel zu reden. Er aß nur wenig und erhielt Glukose-Injektionen. Der Menschenrechtler war bereits seit weit über einer Woche so schwer erkrankt.

COVID-19 als Todesursache?

Auf Drängen seines Anwalts wurde Azimjan Askarov am 24. Juli – also einen Tag vor seinem Tod – in ein Gefängniskrankenhaus in der Kolonie Nr. 47 verlegt. Die offizielle Todesursache lautet "doppelseitige Lungenentzündung". Bis zum 16. Juli wurden in Kirgisistan zahlreiche Todesfälle im Zusammenhang mit COVID-19 als "doppelseitige Lungenentzündung" oder "ambulant erworbene Lungenentzündung" dokumentiert, da Pneumonien häufig eine Folge von COVID-19 sind. Der Anwalt von Azimjan Askarov wartet derzeit noch auf das offizielle medizinische Gutachten.

Der Tod von Azimjan Askarov ist ein trauriges Kapitel in der modernen Geschichte von Kirgisistan. Das Mindeste, was die Behörden nun tun können, ist eine umfassende und unparteiische Untersuchung der Todesursache durchzuführen und die Ergebnisse dieser Untersuchung seiner Familie und seinem Anwalt zukommen zu lassen. Zudem müssen diejenigen, die Azimjan Askarov die erforderliche medizinische Betreuung verweigert haben, zur Rechenschaft gezogen werden.  

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