Aktuell Frankreich 13. Juli 2023

Polizeigewalt in Frankreich: Schusswaffengebrauch reformieren und Rassismus bekämpfen

Das Bild zeigt zwei Polizeibeamte vor einer blauen Wand, dort steht geschrieben "Gerechtigkeit für Nahel"

"Gerechtigkeit für Nahel": Polizeikräfte sind am 30. Juni 2023 in den Straßen von Paris im Einsatz, nachdem in ganz Frankreich Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgebrochen sind. 

Amnesty International fordert die französische Regierung auf, die Vorschriften zum Gebrauch von Schusswaffen und die Anwendung von Gewalt durch Polizeibeamt*innen zu reformieren. Die gefährliche Leugnung der Auswirkungen des systemischen Rassismus in der Strafverfolgung muss beendet und das Recht auf friedliche Versammlung garantiert werden.

Die brutale und rechtswidrige Tötung des 17-jährigen Nahel M. in Paris durch die französische Polizei am 27. Juni 2023 löste landesweit Proteste aus. Amnesty fordert schon seit langem die Einrichtung einer unabhängigen Stelle für die Untersuchung von Beschwerden gegen Polizeibeamte in Frankreich. Der Gebrauch von Schusswaffen muss reformiert und der systematische Rassismus innerhalb der Strafverfolgungsbehörden beendet werden.

"Der tödliche Schuss eines Polizisten auf Nahel – der jüngste Vorfall in einer langen Reihe rechtswidriger Tötungen durch die Polizei bei Verkehrskontrollen – unterstreicht die dringende Notwendigkeit einer umfassenden Reform der gefährlich ungenauen und freizügigen französischen Regeln für den Gebrauch von Schusswaffen durch die Polizei", sagte Nils Muižnieks, Regionaldirektor von Amnesty International in Europa.

"Die derzeitigen Vorschriften entsprechen nicht dem internationalen Recht und internationalen Menschenrechtsstandards. Das langjährige Versäumnis, Racial Profiling und systemischen Rassismus zu beenden und die Rechenschaftspflicht für Beamt*innen bei übermäßiger Gewaltanwendung einzuführen, hat ein Klima der Straflosigkeit und Angst geschaffen."  

Instagram-Beitrag von Amnesty: 

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Die Tötung von Fahrer*innen und Fahrgästen durch die französische Polizei ist ein langjähriges Problem. Mit der Änderung des Gesetzes über die innere Sicherheit wurden "absolute Notwendigkeit und strikte Verhältnismässigkeit" in die bestehenden Vorschriften für den Einsatz von Schusswaffen unter einer Reihe von Umständen eingeführt. Dies bedeutet, dass Strafverfolgungsbeamt*innen keine Schusswaffen verwenden sollten, wenn sie ein legitimes Ziel mit weniger schädlichen Mitteln erreichen können. Der Einsatz von Schusswaffen darf nicht mehr Schaden anrichten, als durch den Einsatz verhindert werden soll. Die Vorschriften beschränken den Schusswaffengebrauch jedoch nicht auf Fälle, in denen eine unmittelbare Bedrohung für das Leben oder die Gefahr einer schweren Körperverletzung besteht, und entsprechen somit nicht den internationalen Menschenrechtsvorschriften und -standards.

Seit 2017 hat sich in Frankreich die Anwendung tödlicher Gewalt durch Polizeibeamt*innen verfünffacht, wenn Personen der polizeilichen Aufforderung zum Anhalten bei Ausweiskontrollen und Verstössen gegen die Strassenverkehrsordnung nicht nachgekommen sind. Nach Angaben des Innenministers hat der Einsatz von Schusswaffen gegen Personen in Fahrzeugen seit 2017 deutlich zugenommen. Die Tatsache, dass sich eine Person einer Festnahme widersetzt oder zu fliehen versucht, ohne dass eine Gefahr für das Leben anderer besteht, ist jedoch kein ausreichender Grund für den Einsatz von Schusswaffen.

"Zu viele Menschen – vor allem Schwarze und arabische Personen  – sind unter ähnlichen Umständen von der französischen Polizei erschossen worden. Die Menschen sind zu Recht wütend und es ist berechtigt, sich zu fragen: 'Wie viele Nahels wurden nicht gefilmt?'", sagte Nils Muižnieks.

"Die Behörden müssen nicht nur Gerechtigkeit für Nahel garantieren, sondern auch die Regeln für Polizeieinsätze reformieren und sinnvolle Maßnahmen ergreifen, um den systemischen Rassismus in den französischen Polizeibehörden zu bekämpfen."

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