Aktuell 13. September 2023

"Nur durch Protest können wir uns Gehör verschaffen"

Eine Gruppe von jungen Menschen steht auf einer Wiese, die vorderen halten ein sehr langes großes gelbes Banner mit der schwarzen Aufschrift "Protect the Protest" vor sich, die anderen dahinter halten kleine gelber Schilder mit weiteren Aufschriften hoch.

Protestaktion während des "European Youth Meeting" von Amnesty in Monte Sole in Italien (September 2023)

Seit 2008 veranstaltet Amnesty International das "European Youth Meeting" (EYM) jeweils in einer anderen europäischen Stadt. Dabei kommen Delegierte aus den Jugend- und Hochschulgruppen der europäischen Amnesty-Sektionen zusammen, um sich auszutauschen und zu netzwerken. Das diesjährige EYM fand vom 5. bis 10. September in Monte Sole in Italien statt. Im Interview erzählt die 24-Jährige Elisa Fest, Mitglied der Augsburger Hochschulgruppe, über den Austausch mit anderen Delegierten und den Zusammenhalt untereinander.

Elisa, wie viele andere Sektionen waren beim diesjährigen EYM vertreten?

Dieses Jahr waren wir 30 Delegierte aus 17 europäischen Ländern. Die Teilnehmenden waren alle zwischen 19 und 25 Jahren alt. Meistens kamen zwei Teilnehmende aus einer Sektion, aber in manchen Ländern ist die "Amnesty Jugend" so klein, dass es kaum Teilnehmende gab oder jeweils nur eine Person kommen konnte. Aus Deutschland waren Sarah Simon-Mathes, die gerade frisch in die Jugendvertretung gewählt wurde, und ich dabei.

Zwei junge Menschen stehen nebeneinander und halten ein gelbes Schild hoch, auf dem in schwarzer Schrift steht: "Beschützt den Protest". Es sind Elisa Fest und Sarah Simon-Mathes. Hinter ihnen sind Bäume und eine Wiese zu sehen.

Elisa Fest und Sarah Simon-Mathes nahmen Anfang September 2023 für die deutsche Amnesty-Sektion am "European Youth Meeting" in Monte Sole in Italien teil.

Wie war das Programm beim EYM gestaltet?

Unsere Tage waren gut strukturiert und wir hatten ein volles Programm. Es gab einige Workshops und eine Aktion zur Kampagne "Protect the Protest", die sich dann in diesem Zusammenhang auf andere Rechte, wie das Recht auf Migration, geschlechtsspezifische Gewalt und inklusiven Aktivismus bezogen haben. Einige Workshops wurden vom Orga-Team abgehalten und andere von Gastsprecher*innen, wie zum Beispiel dem Menschenrechtsverteidiger Mohamed Dihani aus Westsahara, der für viele Jahre als politischer Gefangener festgehalten und gefoltert wurde. Von seinen Erfahrungen zu hören, hat uns alle sehr bewegt und mitgenommen, aber auch gezeigt, wie wichtig Menschenrechtsarbeit ist.

Am Freitag haben wir uns auch mit der Geschichte von Monte Sole im Zweiten Weltkrieg befasst. Sie wurde uns auf sensible Art von der "School of Peace Foundation" näher gebracht.

Das Foto zeigt einen Tisch von oben, an dem mehrere Personen an Schildern arbeiten und Statements darauf schreiben.

Workshop während des European Youth Meeting von Amnesty in Monte Sole in Italien vom 5.-10. September 2023

Worüber habt ihr euch untereinander ausgetauscht?

Im Programm gab es auch zwei Skillshare-Sessions. Darin haben wir uns von der Jugendarbeit in unseren jeweiligen Gruppen erzählt und uns gegenseitig Tipps und Tricks gegeben haben, wie man Aktionen erfolgreich plant, neue Mitglieder effizient anwirbt, die Arbeit innerhalb der Gruppe besser strukturiert und allgemein ein harmonisches und vertrauensvolles Miteinander in der Gruppe kreiert. Das hat uns allen gezeigt, wie unterschiedlich die Arbeit in den einzelnen Gruppen abläuft und dass wir vielmehr erreichen können, wenn wir Wissen und Ressourcen teilen. Am Ende sind alle mit sehr vielen Ideen und Anregungen für die eigene Sektion aus diesen Sessions rausgegangen.

Was hat dir am Besten gefallen?

Ein besonders tolles Erlebnis war der Austausch untereinander. Alle von uns waren so offen und rücksichtsvoll gegenüber den anderen, dass wir schon nach dem ersten Tag einen sehr vertrauensvollen Raum kreiert hatten, in dem sich alle aufgehoben und wohl gefühlt haben. Alle haben sich gegenseitig ehrlich zugehört, aussprechen lassen und immer dafür gesorgt, dass alle mitkommen und sich niemand ausgeschlossen fühlt. Mit allen, die da waren, hat es sich so angefühlt, als würde man schon einige Jahre befreundet sein und sich nicht erst seit zwei Tagen kennen. Auch wenn sich ein paar Personen zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen nicht wohl gefühlt haben oder durch einzelne Themen getriggert wurden, waren immer sofort mindestens vier Personen da, die das mitbekommen und sich direkt gekümmert haben.

Mehrere junge Menschen sitzen auf einer Wiese und nehmen an einem Workshop teil, eine große Leinwand ist aufgebaut.

Workshop während des "European Youth Meeting" von Amnesty in Monte Sole in Italien, das im September 2023 stattfand.

Konntet ihr in dieser Atmosphäre auch Themen besprechen, die über Jugend- und Hochschulgruppen hinaus gehen?

Ja, durch diese vertraute Atmosphäre konnten wir auch offen Kritik an der Arbeitsweise und mangelnde Diversität und Inklusion in unseren Sektionen ansprechen und haben dann gemeinsam versucht, Lösungsansätze und Verbesserungsvorschläge für die einzelnen Gruppen zu finden. Das war wirklich ein wichtiger und schöner Punkt, der gezeigt hat, mit wie viel Engagement alle dabei sind und dass wir Amnesty durch unsere Zusammenarbeit als Jugend gemeinsam noch inklusiver und besser gestalten können, wenn man uns mehr in alle Prozesse miteinbezieht.

Was denkst du über die Kampagne "Protect the Protest"?

Ich denke, dass der Name der Kampagne besonders für die Jugend ein wichtiger Leitspruch ist. Denn viele von uns haben erst ab 18 Jahren ein politisches Mitspracherecht, wenn wir zum ersten Mal wählen dürfen. Deshalb können wir uns nur durch Protest Gehör verschaffen. Gerade für uns bei der "Amnesty Jugend" ist diese Kampagne daher sehr wichtig, also: Protect the Protest!

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