Aktuell 16. Februar 2018

Opfer von Giftmüll brauchen endlich Antworten

Zwei Männer in Warnwesten und Schutzhelmen untersuchen den Boden

Mitglieder der ivorischen Umweltbehörde nehmen Proben auf einer Giftmülldeponie in Dokui, Abidjan

Elf Jahre sind vergangen, seit der Rohstoffgigant Trafigura 540.000 Liter Giftmüll in Abidjan, der wirtschaftlichen Hauptstadt der Elfenbeinküste, entsorgte. Noch immer wissen die Opfer nicht, mit welchen möglichen gesundheitlichen Langzeitfolgen sie zu rechnen haben. Dies teilt Amnesty International nach der Veröffentlichung eines lang erwarteten Berichts des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) mit.

Mehr als 100.000 Menschen mussten sich in medizinische Behandlung begeben, nachdem eine lokale Firma im Auftrag von Trafigura im August 2006 Giftmüll auf mehreren Deponien in Abidjan entsorgte. Zu den Symptomen gehörten unter anderem Atemprobleme und Hautbrennen. Auch heute noch klagen die Menschen über schwere Gesundheitsbeschwerden, darunter Haut- und Augenprobleme, die ihrer Meinung nach in Zusammenhang mit dem Vorfall stehen.

Dennoch hat die ivorische Regierung nie eine Untersuchung der Gesundheit der Opfer durchgeführt, um herauszufinden, ob Langzeitfolgen vorliegen. Der Bericht des UN-Umweltprogramms, der von der ivorischen Regierung in Auftrag gegeben worden war, empfiehlt ausdrücklich, dass die ivorische Regierung eine repräsentative Gesundheitsstudie bei den Betroffenen durchführt und eine Langzeitkontrolle in Betracht zieht.

Die Opfer wurden mit ihrer Angst und Unsicherheit mehr als zehn Jahre alleine gelassen. Seit Jahren fordern die lokalen Gemeinschaften die Regierung zum Handeln auf. Indem sie den UN-Bericht in Auftrag gab, hat die ivorische Regierung einen entscheidenden Schritt gemacht. Jetzt muss sie die Empfehlungen auch umsetzen. Die Menschen in Abidjan haben lange genug mit ihrer Angst gelebt.

Lucy
Graham
Researcherin für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International

Amnesty International fordert bereits seit einigen Jahren eine Gesundheitskontrolle und hat für das Treffen eine Liste mit Empfehlungen für Gesundheitsstudien und eine Kontrolle vorbereitet. Außerdem fordert die Organisation von der Regierung die Durchführung einer medizinischen Studie, die die gesundheitlichen Langzeitauswirkungen untersucht, sowie einen Plan für eine gesundheitliche Langzeitkontrolle der erkrankten Menschen.

Von der niederländischen Regierung fordert Amnesty International, finanzielle Mittel für diese Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Denn sechs Wochen bevor der Giftmüll in Abidjan abgeladen wurde, erlaubten niederländische Behörden Trafigura die Ausfuhr des Abfalls aus Amsterdam, obwohl sie wussten, dass es sich um gefährliche Giftstoffe handelte, die eine Spezialbehandlung erforderten.

Offene Fragen

Auf einigen Deponien dauerten die Säuberungsarbeiten bis 2015 und 2016 an. Der UNEP-Bericht, die erste unabhängige Beurteilung dieser Säuberungsarbeiten, hält fest, dass der Verschmutzungsgrad der untersuchten Deponien die nationalen und internationalen Standards nicht übersteigt und deshalb keine weiteren Säuberungsmaßnahmen notwendig sind. UNEP hält aber auch fest, dass die Möglichkeit besteht, dass die Gemeinschaft noch immer unter den gesundheitlichen Auswirkungen der Giftmüllentsorgung von 2006 leidet.

Diese Ergebnisse werden alle, die in der Nähe der Deponien leben oder arbeiten, erleichtern, aber sie sind nur die Spitze des Eisberges. Wir begrüßen die Antworten, die der UNEP-Bericht liefert, aber viele Fragen bleiben offen. Um was für eine Art Giftmüll handelte es sich genau? Welche gesundheitlichen Auswirkungen hat die Deponierung des Giftmülls, welche der langwierige Säuberungsprozess? Erst wenn die betroffenen Gemeinschaften alles wissen, können sie wieder ein richtiges Leben führen.

Lucy
Graham
Researcherin für Wirtschaft und Menschenrechte bei Amnesty International

Hintergrund

Der Rohstoffmulti Trafigura verfeinerte billiges, extrem schwefelhaltiges Rohöl an Bord eines Schiffes auf offener See. Bei diesem Prozess entstehen hochgiftige Abfälle. Die Arbeiten koordinierte Trafigura von Großbritannien aus.

Zunächst versuchte Trafigura den Giftmüll in Amsterdam und Nigeria zu deponieren, wurde aber abgewiesen, so dass der Konzern schließlich in Abidjan ein lokales Unternehmen mit der Entsorgung beauftragte. Nachdem die Firma den Giftmüll auf verschiedenen Deponien verteilt hatte, überzog ein übler Geruch die Stadt. Panik brach aus. Die Deponien mussten gründlich gesäubert und entgiftet werden. Trafigura hat nie vollständig über die genaue Zusammensetzung des Giftmülls und seine möglichen Auswirkungen informiert.

Die Giftmüllentsorgung stellte einen Verstoß gegen das Menschenrecht auf Gesundheit der Bevölkerung von Abidjan dar. Amnesty International ist der Auffassung, dass die Elfenbeinküste und die Niederlande ihre Pflicht nicht hinreichend erfüllt haben, den Opfern der Giftmüllkatastrophe zu Rechtsmitteln und Wiedergutmachung zu verhelfen. Der niederländischen Regierung wird insbesondere vorgeworfen, dass sie die Ausfuhr des Giftmülls erlaubte und danach keinerlei Kooperation mit der ivorischen Regierung angestrebt hat, um gesundheitliche Untersuchungen finanziell oder fachlich zu unterstützen.

Trafigura lehnt jede Verantwortung für die Giftmüllentsorgung ab. Der Rohstoffmulti hält stattdessen weiter daran fest, dass er der Überzeugung war, das lokale Unternehmen sei in der Lage, den Giftmüll sicher und gesetzeskonform zu entsorgen. Trafigura streitet nachdrücklich jegliche schweren oder langfristigen Gesundheitsschäden ab.

Eine Zusammenfassung der Katastrophe, der Gesundheits- und Umweltauswirkungen und die vollständige Liste der Empfehlungen von Amnesty International liefert das neue Briefing A Toxic Legacy.

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