Aktuell Afghanistan 12. Januar 2023

Afghanistan: UN-Sicherheitsrat muss Ende der Misshandlung von Frauen und Mädchen fordern

Das Bild zeigt eine Demonstration, mehrere Frauen halten Plakate in der Hand

Demonstration in London gegen Menschenrechtsverletzungen an Frauen und Mädchen in Afghanistan (27. November 2022)

Der UN-Sicherheitsrat muss angesichts der drastischen Verschlechterung der Frauenrechte in Afghanistan dringend handeln. Bei seiner heutigen geschlossenen Sitzung zu Afghanistan sollte er die Taliban zur sofortigen Aufhebung der Beschränkungen für Frauen und Mädchen auffordern. Derzeit sind sie von vielen gesellschaftlichen Bereichen wie Bildung, Arbeit oder Sport ausgeschlossen.

Afghanische Frauen und Mädchen werden durch die Taliban zunehmend aus dem öffentlichen Leben verdrängt: Am 24. Dezember 2022 wiesen die Taliban alle in- und ausländischen Nichtregierungsorganisationen an, keine Mitarbeiterinnen einzustellen. Am 20. Dezember zwangen sie alle Universitäten dazu, bis auf weiteres keine Studentinnen aufzunehmen. Im November 2022 wurde Frauen der Zugang zu Parks und Sporthallen im Land verwehrt. Seit der Machtübernahme der Taliban Mitte 2022 dürfen Frauen keinen Sport mehr treiben, und die weiterführenden Schulen für Mädchen wurden landesweit geschlossen.

"Es ist dringend notwendig, dass der UN-Sicherheitsrat dem drastischen Niedergang der Rechte von Frauen und Mädchen in diesem Land Einhalt gebietet. Die Welt sieht zu, wie die Taliban Frauenrechte durch zahlreiche diskriminierende Einschränkungen systematisch dezimieren", sagte Yamini Mishra, Regionaldirektorin von Amnesty International für Südasien.

"Der UN-Sicherheitsrat muss die Taliban nicht nur zur sofortigen Aufhebung ihrer Beschränkungen für Frauen und Mädchen auffordern. Er muss auch ein Ende des brutalen Vorgehens gegen Personen fordern, die es wagen, gegen den Niedergang der Frauenrechte in Afghanistan zu protestieren."

Tweet von Amnesty International:

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Verschlimmerung der humanitären Krise

Die Entscheidung der Taliban, Frauen die Zusammenarbeit mit NGOs zu verbieten, treibt das Land in eine humanitäre Krise. Das Verbot hat bereits zu einem Anstieg der Ernährungsunsicherheit und Unterernährung beigetragen. Gleichzeitig wird Frauen der Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung erschwert. Sollte sich die humanitäre Katastrophe in den kommenden Monaten verschlimmern, werden sie am stärksten von Armut, Hunger und Krankheiten betroffen sein.

Der von Nichtregierungsorganisationen geführte Hilfssektor steht am Rande des Zusammenbruchs. Mindestens drei große internationale NGOs – CARE, der Norwegische Flüchtlingsrat und Save the Children – haben ihre Tätigkeit in dem Land eingestellt. Sie können ihre Programme ohne Mitarbeiterinnen nicht mehr durchführen. Am 28. Dezember stoppten auch die Vereinten Nationen mehrere Programme im Land. Derzeit wird die humanitäre Hilfe für Afghanistan – einschließlich eines Weltbank-Fonds in Höhe von über einer Milliarde US-Dollar – über UN-Agenturen und Partnerorganisationen abgewickelt.

"Es hat den Anschein, als würden die Taliban das Land absichtlich in eine Hungersnot treiben. Ihre diskriminierende, frauenfeindliche Politik führt zu einem schockierenden Ausmaß an Ernährungsunsicherheit und macht die Bereitstellung internationaler Hilfe fast unmöglich", sagte Yamini Mishra.

Der Zugang zu Bildung wird untergraben

Durch das Verbot der Zusammenarbeit von NGOs mit Frauen wird Schülerinnen und Studentinnen auch der Zugang zu Bildungseinrichtungen in einzelnen Gemeinden verwehrt bleiben. Solche Programme waren vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 die einzige Möglichkeit für rund 3,7 Millionen Kinder, davon 60 Prozent Mädchen, überhaupt eine Schule zu besuchen. Bei den Lehrer*innen handelte es sich in erster Linie um Frauen, die für die Taliban nun als unerwünschte NGO-Mitarbeiterinnen gelten. Die Einschränkungen wirken sich auch auf öffentliche Aufklärungsprogramme aus, die von weiblichen NGO-Angehörigen durchgeführt werden. Für die Aufklärung über persönliche Hygiene, Familienernährung und Gesundheit sind sie unerlässlich.

Ein Taliban-Kämpfer mit Sturmgewehr auf der Schulter geht an einem Geschäft vorbei. Auf den Plakaten des Geschäfts sind Frauengesichter schwarz übermalt.

Die Taliban haben außerdem den Schutz und die Unterstützung für Menschen, die vor häuslicher Gewalt fliehen, eingestellt. Sie haben Frauen und Mädchen wegen geringfügiger Verstöße gegen diskriminierende Vorschriften verfolgt und inhaftiert. Und sie haben dazu beigetragen, dass die Zahl der Kinder- und Zwangsheiraten in Afghanistan stark angestiegen ist.



Amnesty International fordert die De-facto-Behörden der Taliban auf, Frauen und Mädchen unverzüglich die Rückkehr zur Sekundar- und Hochschulbildung zu gestatten und Frauen die Möglichkeit zu geben, zu arbeiten und selbständigen Zugang zu öffentlichen Gebäuden zu erhalten. Die internationale Gemeinschaft muss die Taliban außerdem auffordern, ihre restriktive Politik rückgängig zu machen. Frauen muss die Wiederaufnahme einer Beschäftigung in Nichtregierungsorganisationen gestattet und die vollen staatsbürgerlichen Rechte im ganzen Land gewährleistet werden.

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