Pressemitteilung Aktuell 26. September 2023

Europa: Sechs junge Menschen tragen Klimafall am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vor

Eine Collage aus zwei Fotos: Auf dem linken Foto sind vier junge Menschen im alter von elf bis 24. Auf dem rechten Foto sind zwei junge Menschen, Bruder und Schwester, 15 und 18 Jahre.

Diese sechs jungen Menschen aus Portugal klagen für mehr Klimaschutz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte: Martim, Catarina, Cláudia, Mariana, Sofia und André (v.l.n.r).

+++ Teile dieser Pressemitteilung wurden am 26. September 2023 um 15:27 Uhr mit übersetzten Informationen aus der englischen Pressemitteilung aktualisiert. +++

Sechs junge Menschen aus Portugal werden am 27. September vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen wegweisenden Fall vortragen. Die Antragsteller*innen argumentieren, dass Deutschland und 32 weitere europäische Staaten ihre Menschenrechte verletzen, weil diese Länder nicht genug tun, um sie vor dem Klimawandel zu schützen. Wenn sie Erfolg haben, könnten die 33 Staaten rechtlich dazu verpflichtet sein, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren.

Julia Duchrow, stellvertretende Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Die aktuelle Generation junger Menschen und ihre Kinder werden die Hauptlast der sich anbahnenden Klimakatastrophe zu tragen haben. Viele Menschen auf der ganzen Welt bekommen die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt zu spüren, da die zunehmenden Hitzeextreme ihre Möglichkeiten einschränken, sich im Freien aufzuhalten, Sport zu treiben und zu schlafen. Auch Krankheiten wie Asthma können sich verschlimmern. Die Bundesregierung und die Regierungen der anderen europäischen Staaten müssen jetzt handeln, um eine Eskalation der Klimakatastrophe zu verhindern und das 1,5-Grad-Ziel nicht zu verfehlen."

Amnesty International ist eine der Gruppen, die eine schriftliche Eingabe beim Gericht eingereicht haben, in der sie argumentieren, dass die Regierungen verpflichtet sind, die Menschenrechte durch ihre Klimapolitik international zu schützen.

Die Kläger*innen

Bei den sechs Kläger*innen, die durch die verheerenden Waldbrände, die 2017 in Teilen Portugals wüteten, zum Handeln bewegt wurden, handelt es sich um: Cláudia Agostinho, 24, Martim Agostinho, 20, Mariana Agostinho, 11, Sofia Oliveira, 18, André Oliveira, 15, und Catarina Mota, 23.

Cláudia Agostinho

Cláudia stammt aus Leiria, etwa 120 km nördlich von Lissabon, und lebt mit ihrem Bruder Martim und ihrer Schwester Mariana zusammen, die ebenfalls an der Klage beteiligt sind. Sie arbeitet als Krankenschwester in einem örtlichen Krankenhaus und ist sich der Gefahr, die die Eskalation extremer Hitzeereignisse für die menschliche Gesundheit darstellt, sehr bewusst.

Martim Agostinho

Martim besucht eine naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtete weiterführende Schule in Leiria. Der Rauch der Waldbrände im Jahr 2017 führte dazu, dass die Schule geschlossen werden musste, und Martim Agostinho war entsetzt über das Ausmaß der Zerstörung in der Nähe seines Zuhauses. Martim sagt, dass seine Generation alles tun muss, um sicherzustellen, dass die Regierungen ihre Rechte und ihre Zukunft schützen.

Mariana Agostinho

Die jüngste der Kläger*innen, Mariana, liebt Tiere und verbringt so viel Zeit wie möglich auf dem Bauernhof ihrer Großeltern. Im Jahr 2100 wäre Mariana 88 Jahre alt, doch ohne radikale Maßnahmen der Regierungen könnte sich die Welt bis dahin auf 3°C über dem Niveau der vorindustriellen Zeit erwärmt haben – ein katastrophales Szenario.

Catarina Mota

Catarina lebt ebenfalls in Leiria und sagt, der Klimawandel mache die Region zu einem lebensfeindlichen Ort. Die extremen Hitzeperioden, die Portugal in den letzten Jahren erlebt hat, haben ihre Möglichkeiten, im Freien Sport zu treiben und gut zu schlafen, erheblich beeinträchtigt. Sie sorgt sich um die Zukunft der Familie, die sie eines Tages haben möchte.

Sofia Oliveira

Sofia lebt mit ihrem Bruder André und ihren Eltern in Lissabon. Sie ist sich sicher, dass wenn genügend Menschen Maßnahmen fordern, die Regierungen das Nötige tun müssten, um die Klimakrise abzuwenden. Sie möchte "Grüne Chemie" studieren, damit die fossilen Brennstoffe dort bleiben, wo sie hingehören: im Boden.

André Oliveira

Sofias Bruder André sagt, dass seine Freund*innen sich immer mehr Sorgen um den Klimawandel machen und er nicht verstehen kann, wie die Menschen, die ihn eigentlich schützen sollten, den Klimawandel zulassen.

Hintergrund

In der Rechtssache Duarte Agostinho und andere gegen Portugal und 32 andere Staaten wird das Gericht das Argument der Kläger*innen prüfen, dass ihre Rechte aus den folgenden Artikeln der Europäischen Menschenrechtskonvention verletzt werden:

- Das Recht auf Leben (Artikel 2)

- Das Recht auf Freiheit von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung (Artikel 3)

- Das Recht auf Privatsphäre und Familienleben (Artikel 8)

- Das Recht, nicht aus Gründen des Alters diskriminiert zu werden (Artikel 14) in Verbindung mit Artikel 2 und/oder Artikel 8.

Eine Entscheidung könnte innerhalb weniger Monate fallen. Da die Urteile des EGMR für die betroffenen Staaten verbindlich sind, könnte dieses Urteil andere Fälle vor nationalen Gerichten in Europa beeinflussen und künftige Klimaklagen auf nationaler Ebene stärken.

Das Netzwerk für globale rechtliche Aktionen namens Global Legal Action Network (GLAN) unterstützt die Kläger*innen und führt ein internationales Crowdfunding durch, um ihre Bemühungen zu unterstützen.

Zwei weitere Klimafälle wurden kürzlich vor dem EGMR verhandelt, die Entscheidungen stehen noch aus. Die eine wurde vom Verein KlimaSeniorinnen Schweiz und vier einzelnen Frauen des Vereins gegen die Schweiz eingereicht, die andere von Damien Carême, französischer Europaabgeordneter der Grünen. Beide werfen der Schweiz bzw. Frankreich vor, dass ihre Klimapolitik ihre Menschenrechte nicht schützt.

Weitere Informationen

Am 30. März 2023 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den Internationalen Gerichtshof mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Es soll klären, welche Verpflichtungen Staaten beim Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel haben.

Mehr Informationen zu dem Gutachen gibt es hier.

Ein Interview darüber, was das Gutachten bewirken kann, ist hier zu finden.

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