Pressemitteilung Aktuell Katar 15. Juni 2023

Katar: Noch immer keine Gerechtigkeit für Arbeitsmigrant*innen

Das Bild zeigt ein Amnesty-Banner, darauf ein Pokal und dahinter ein großes Plakat mit Menschen in Arbeitskleidung

Amnesty-Protest vor der katarischen Botschaft in Brüssel in Solidarität mit den Arbeitsmigrant*innen, die während der FIFA-Fußballweltmeisterschaft 2022 in Katar ausgebeutet wurden (16. Dezember 2022).

Hunderte Arbeitsmigrant*innen, die während der FIFA-Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar als Sicherheitskräfte angestellt waren, haben bislang keine Gerechtigkeit für erlittene Menschenrechtsverletzungen erfahren. Dies belegt Amnesty International in einer neuen Untersuchung.

Eine ausführliche Mitteilung zu den Untersuchungsergebnissen auf Englisch ist hier zu finden.

Wie eine neue Untersuchung von Amnesty International zeigt, gab es bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar systematische Arbeitsrechtsverstöße, die bis heute nicht angemessen adressiert worden sind. Die Menschenrechtsorganisation hatte bereits im April 2022 einen Bericht veröffentlicht, in dem sie die FIFA und das Gastgeberland Katar auf die systematischen und strukturellen Arbeitsrechtsverstöße hingewiesen hat, die im gesamten privaten Sicherheitssektor in Katar verbreitet sind. Auch die Arbeiter*innen selbst hatten während der WM gegen ihre Arbeitsbedingungen protestiert.

Katja Müller-Fahlbusch, Expertin für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International in Deutschland, sagt: "Die FIFA und die katarischen Behörden waren sich als Veranstalter der Fußball-Weltmeisterschaft der Arbeitsrechtverstöße an WM-Veranstaltungsorten bewusst und haben dennoch keine angemessenen Maßnahmen ergriffen, um Arbeiter*innen zu schützen und vorhersehbare Verstöße zu verhindern. Sogar dann nicht, als die Probleme von den Arbeiter*innen selbst angesprochen wurden.

Auch sechs Monate nach dem Ende der WM haben weder FIFA noch Katar ein zugängliches und wirksames System geschaffen, um den in ihren Rechten verletzten Arbeiter*innen die ihnen zustehende Entschädigung zukommen zu lassen. Die FIFA muss tätig werden und unverzüglich den betroffenen Menschen eine angemessene Entschädigung für die erlittenen Verstöße bereitstellen."

Die neue Untersuchung von Amnesty International belegt, dass Ordner*innen und Sicherheitskräfte, die an den Austragungsorten der FIFA-WM für das Unternehmen Teyseer Security Services mit Sitz in Katar tätig waren, im Zusammenhang mit ihrer Arbeit Schaden erlitten haben und einer Reihe von Arbeitsrechtsverstößen ausgesetzt waren: Unter anderem erhielten Arbeiter*innen falsche Informationen über die Bedingungen ihres Beschäftigungsverhältnisses und mussten rechtswidrige Vermittlungsgebühren und andere damit zusammenhängende Kosten bezahlen.

Tweet von Amnesty International:

Twitter freischalten

Wir respektieren deine Privatsphäre und stellen deshalb ohne dein Einverständnis keine Verbindung zu Twitter her. Hier kannst du deine Einstellungen verwalten, um eine Verbindung zu den Social-Media-Kanälen herzustellen.
Datenschutzeinstellungen verwalten

Die betroffenen Arbeiter*innen berichteten, dass sie nach Ablauf ihrer befristeten Verträge nach Hause zurückkehren mussten, ohne Rechtsmittel oder Entschädigungen in Anspruch nehmen zu können. Die katarischen Behörden haben zwar Beschwerdemechanismen eingerichtet, doch müssen Arbeiter*innen sich im Land befinden, um Zugang zu Arbeitsgerichten und Entschädigungsmaßnahmen zu haben. Da sie keine Möglichkeit haben, sich aus dem Ausland zu beschweren, und ihnen keine andere Wahl blieb, als das Land zu verlassen, wurde den Arbeitsmigrant*innen so der Zugang zu Gerechtigkeit verweigert.

Katar und die FIFA haben immer noch keinen angemessenen Entschädigungsmechanismus eingerichtet und beharren darauf, dass das bestehende Verfahren in Katar ausreichend sei. Im März 2023 kündigte die FIFA an, dass ihr Unterausschuss für Menschenrechte eine Bewertung des menschenrechtlichen Erbes des Turniers vornehmen und dabei auch die Frage der Wiedergutmachung für Arbeitsrechtsverstöße behandeln werde.

Müller-Fahlbusch sagt: "Der bestehende Entschädigungsmechanismus Katars ist nicht ausreichend und nicht zweckmäßig. Tausende betroffene Arbeiter*innen haben keine Entschädigung für die erlittenen Verstöße erhalten. Die FIFA hat die eindeutige Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass Menschen- und Arbeitsrechte in ihrem gesamten Geschäftsbereich respektiert werden. Obwohl seit der WM bereits sechs Monate vergangen sind, hat die FIFA bisher weder eine zielführende Untersuchung des Problems durchgeführt noch Entschädigungen auf den Weg gebracht. Die Arbeiter*innen warten schon viel zu lange auf Gerechtigkeit."

Reaktionen auf Amnesty-Untersuchung

Amnesty International hat die Verantwortlichen vor Veröffentlichung der Untersuchungsergebnisse um Stellungnahme gebeten. Teyseer hat die Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, das Unternehmen habe ein "ethisches Einstellungsverfahren" angewandt. Die FIFA erklärte, man habe Teyseer mit der gebotenen Sorgfalt geprüft, räumte aber ein, dass es "unterschiedliche Wahrnehmungen und Ansichten" hinsichtlich der Erfahrungen der Teyseer-Arbeiter*innen gebe. Der Fussballverband sagte, er werde sich um weitere Klärung der angesprochenen Fragen bemühen, ohne sich jedoch zu verpflichten, für Abhilfe zu sorgen. Die vollständigen Antworten von Teyseer und der FIFA können hier eingesehen werden.

Die Regierung Katars verwies in ihrer Antwort auf einige der in den vergangenen Jahren ergriffenen Maßnahmen zur Reform des katarischen Arbeitssystems. Sie ging jedoch nicht konkret auf die im Zusammenhang mit Teyseer geäußerten Missstände ein und verpflichtete sich auch nicht, Maßnahmen zu ergreifen, um diese Missstände zu untersuchen und entsprechende Abhilfe zu schaffen.

Weitere Artikel