Aktuell Vereinigte Staaten von Amerika 09. Januar 2009

Nur die Spitze des Eisbergs

Im Krieg gegen den Terror

Guantánamo muss geschlossen werden – nicht nur, weil Menschenrechte dort massiv verletzt werden, sondern auch, weil es als Symbol für die Missachtung des Völkerrechts durch die USA im Zuge ihres "Kriegs gegen den Terror" steht. Es ist die sichtbare – wenn auch längst nicht durchsichtige – Spitze des Eisbergs unbefristeter und geheimer Inhaftierungen, rechtswidriger Überstellungen von Gefangenen, Folter und anderer Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung.

Geheimhaltung in Guantánamo

Am 26. Juni 2003 erklärte Präsident Bush wie jedes Jahr, dass die USA dem weltweiten Kampf gegen die Folter verpflichtet sei. Er versprach, dass die USA im Gegensatz zu "notorischen Menschenrechtsverletzern", die "seit langem versuchen, ihre Verstöße vor den Augen der Welt zu verstecken, indem sie internationalen Menschenrechtsbeobachtern den Zugang verweigern", mit gutem Beispiel vorangehen würden. Zu diesem Zeitpunkt hatten Amnesty International und internationale Menschenrechtsbeobachter bereits Zugang zu den Gefangenen beantragt, die im Rahmen des "Kriegs gegen den Terror" von USBehörden inhaftiert worden waren. Dieser Zugang wurde ihnen jedoch verweigert.

Die Geheimhaltung einer Inhaftierung setzt den Gefangenen großer Gefahr aus, stürzt seine Verwandten in Sorge und untergräbt die Prinzipien des Rechtsstaats. Das US-Verteidigungsministerium hat die Identität der Gefangenen in Guantánamo lange geheim gehalten. Erst mehr als vier Jahre nach den ersten Überstellungen gab es aufgrund einer Gerichtsentscheidung eine Namensliste heraus. Das Pentagon gab jedoch lediglich die ungefähre Anzahl der Gefangenen bekannt. Das verschaffte den US-Streitkräften die Möglichkeit, Gefangene von und nach Guantánamo bzw. zu unterschiedlichen US-Behörden zu verbringen, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfuhr.

"Mein Land hat alle rechtlichen Vorschriften.übergangen und mich als Geschenk an die.Vereinigten Staaten übergeben. Sie haben mich.zur Folterung nach Jordanien geschickt, und.später nach Bagram und danach hierher….Seit über vier Jahren werde ich ohne Kontakt zur.Außenwelt festgehalten, und ich habe keinen.Schimmer, was draußen vor sich geht."
Mohamedou Ould Slahi, Gefangener in Guantánamo,13.Dezember 2005

Mohamedou Slahi wurde Ende November 2001 von mauretanischen Behördenvertretern festgehalten, nachdem er freiwillig zu einer Befragung gekommen war. Acht Tage später wurde er nach Jordanien überführt, wo man ihn nach eigenen Angaben gefoltert hat. Nachdem er acht Monate lang ohne Kontakt zur Außenwelt in Militärhaft gehalten worden war, wurde er im Juli 2002 in einem von der CIA gemieteten Flugzeug mit der Nummer N379P nach Afghanistan geflogen, wo er erneut misshandelt worden sein soll.

Im August 2002 wurde er nach Guantánamo überführt. Dort verwehrten die Behörden dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz aus Gründen der "militärischen Notwendigkeit" über ein Jahr lang den Zugang zu ihm. In dieser Zeit der Haft ohne Kontakt zur Außenwelt wurde er extremen Temperaturen ausgesetzt, erhielt Drohungen gegen seine Familie, und ihm selbst wurde mit dem Tod oder dem "Verschwindenlassen" gedroht. 2007 trat der Offizier, der die Anklage gegen Slahi vorbereiten sollte, von seinem Amt zurück, weil entscheidende Beweise offenbar unter Folter oder Misshandlung zustande gekommen waren. Mohamedou Slahi befindet sich noch immer in Guantánamo.

Es ist bekannt, dass der US-Geheimdienst CIA eine eigene Einrichtung in dem Lager betrieben hat. Berichten zufolge hat die CIA dort "besonders wichtige" Gefangene festgehalten und an Verhören teilgenommen. Allerdings sind die genauen Aktivitäten der CIA in dem Lager nach wie vor unbekannt. Geheimhaltung leistet Menschenrechtsverletzungen Vorschub. Sie begünstigt Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Durch Geheimhaltung bleibt das volle Ausmaß der Menschenrechtsverletzungen verborgen.

Drehscheibe für Verschleppungen

Guantánamo Bay spielt im weltweiten Netz der Verschleppung von Gefangenen eine zentrale Rolle. Für ihr Programm der illegalen "Überstellungen" ("renditions") hat die CIA Flugzeuge eingesetzt, die entweder von Tarnfirmen angemietet oder von Fluggesellschaften betrieben wurden, um Verdächtige heimlich in andere Staaten zu bringen – darunter Ägypten, Jordanien und Syrien. Diese Staaten sind bekannt dafür, dass sie bei Verhören Folter einsetzen. Viele der mutmaßlich an diesen Orten gefolterten Personen wurden später nach Guantánamo gebracht.
Eines der von der CIA eingesetzten Flugzeuge vom Typ Gulfstream V flog unter verschiedenen Nummern (N379P, N8068V und N44982) mehr als 50 Mal nach Guantánamo, was ihm den Beinamen "Guantánamo Bay Express" eingebracht hat.

Aus Geheimgefängnissen nach Guantánamo

Im Rahmen des illegalen "renditions"-Programms wurden Personen auch in von der CIA geführte Geheimgefängnisse, so genannte "black sites", gebracht. Diese geheimen Hafteinrichtungen sollen sich in Afghanistan, dem Eiland Diego Garcia im Indischen Ozean, Jordanien, Pakistan, Thailand und in osteuropäischen Ländern befinden oder befunden haben.

US-Präsident Bush hat die Existenz des Geheimprogramms im September 2006 bestätigt. Er gab jedoch weder an, wo sich die Hafteinrichtungen befinden, noch, was die "alternativen" Befragungstechniken der CIA im Rahmen des Programms beinhalten. Zahlreichen Berichten zufolge sind aber Techniken darunter, die klar gegen das Völkerrecht verstoßen. Dazu gehören das so genannte "Waterboarding", bei dem der Gefangene das Gefühl bekommt, zu ertrinken; erzwungenes Stehen über mehr als 40 Stunden, während die Gefangenen an den Boden gekettet sind, und die "Kaltzelle" (wobei der Gefangene nackt in einer kalten Zelle stehen muss, während er immer wieder mit kaltem Wasser übergossen wird).

Als er das CIA-Programm am 6.September 2006 bestätigte, verkündete Präsident Bush gleichzeitig, dass 14 "besonders wichtige" Gefangene gerade aus geheimer Haft nach Guantánamo überführt worden seien. Sie waren bis zu viereinhalb Jahre ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten worden. Bush wollte damit den amerikanischen Kongress überzeugen, eine neue rechtliche Grundlage für die Militärkommissionen zu schaffen, die der Oberste US-Gerichtshof drei Monate zuvor für rechtswidrig erklärt hatte. Seine Absicht war außerdem, den Gefangenen erneut
das Recht auf Haftprüfung vor regulären Gerichten zu nehmen und gleichzeitig das Geheimprogramm der CIA sowie aller daran Beteiligten rechtlich abzusichern. Bush erreichte sein Ziel, als der Kongress das Gesetz über Militärkommissionen ("Military Commissions Act") verabschiedete.

Die US-Regierung bemüht sich aber weiterhin, zu verhindern, dass die 14 Gefangenen ihr Wissen über das CIA-Programm weitergeben. Sie macht geltend, dass die Veröffentlichung derartiger Informationen einen "außergewöhnlich schweren Schaden" für die nationale Sicherheit bedeuten könnte. Die Geheimhaltung wird benutzt, um Menschenrechtsverletzungen zu vertuschen und zu verhindern, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Afghanistans »Gefängnis der Dunkelheit«

Neben einer geheimen Einrichtung auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram betrieb die CIA in Afghanistan Angaben zufolge ein Gefängnis in der Nähe von Kabul. Es war als "Gefängnis der Dunkelheit" bekannt, da Gefangene dort rund um die Uhr Dunkelheit und lauter Musik ausgesetzt waren. Gefangene haben berichtet, sie seien dort außerdem über längere Zeiträume an die Decke gekettet worden, und man habe sie am Schlafen gehindert.

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