Amnesty Report Slowakei 28. März 2023

Slowakei 2022

Frauen mit Mundschutz und Plakaten und Kochlöffeln

Protest für reproduktive Rechte in der slowakischen Hauptstadt Bratislava (Archivfoto vom September 2020)

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Die Diskriminierung von Rom*nja setzte sich fort. Abgeordnete brachten Änderungsanträge in das Parlament ein, die den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen beschränken sollten. Flüchtlinge aus der Ukraine wurden Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Die Gesundheitsversorgung von transgeschlechtlichen Menschen war unzureichend.

Hintergrund

Im März 2022 endete die Amtszeit der Ombudsfrau für Menschenrechte Mária Patakyová. Erst am 1. Dezember ernannte das Parlament Róbert Dobrovodský zu ihrem Nachfolger. In der Zwischenzeit häuften sich von Monat zu Monat mehr Menschenrechtsbeschwerden aus der Bevölkerung an, die unbearbeitet blieben.

Diskriminierung

Die Behörden diskriminierten Rom*nja nach wie vor in vielfacher Hinsicht.

Recht auf Bildung

Gegen die Slowakei lief weiterhin ein von der Europäischen Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren wegen systematischer Diskriminierung und Segregation von Rom*nja-Kindern im Bildungswesen.

Recht auf Wohnen

Die Regierung unternahm nichts, um die Lebensbedingungen Tausender Rom*nja zu verbessern, die in informellen Siedlungen und gesonderten Vierteln lebten. Als eine Delegation des EU-Parlaments im Juli 2022 eine Rom*nja-Siedlung im Dorf Petrovce nad Laborcom besuchte, sagte der EU-Abgeordnete Younous Omarjee zu Journalist*innen: "Es ist eine Schande für die Slowakei und eine Schande für Europa, dass einige Roma unter mittelalterlichen Bedingungen leben."

Exzessive und unnötige Gewaltanwendung

Im Juni 2022 entschuldigte sich die Regierung für einen Polizeieinsatz gegen Rom*nja in Moldava nad Bodvou im Jahr 2013. Sie verpflichtete sich außerdem, den Opfern und ihren Familien für das Unrecht und Leid, das sie während ihres langjährigen Bemühens um Wahrheit und Gerechtigkeit erlitten hatten, eine finanzielle Entschädigung zu zahlen.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Obwohl sich die Regierung im Jahr 2021 offiziell für die rechtswidrige Sterilisierung Tausender Romnja von 1966 bis 2004 entschuldigt hatte, war Ende 2022 immer noch kein wirksamer Entschädigungsmechanismus eingerichtet worden.

Im April 2022 brachten Abgeordnete drei verschiedene Änderungsanträge zum Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen in das Parlament ein. Damit sollte der vermeintliche "Abtreibungstourismus" ukrainischer Frauen und Mädchen eingedämmt werden, obwohl Berichte vorlagen, dass im Krieg in der Ukraine sexualisierte Gewalt weit verbreitet war. Keiner der Änderungsanträge fand eine Mehrheit. Es war die 20. Gesetzesinitiative innerhalb von zwei Jahren, die darauf abzielte, den Zugang zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen einzuschränken.

Frauenrechte

Ende 2022 hatte die Slowakei noch immer nicht das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) ratifiziert.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant*innen

Nach Beginn des Krieges in der Ukraine am 24. Februar 2022 nahm die Slowakei mehr als 1.068.000 Ukrainer*innen auf und bot ihnen sofortige Unterstützung – mehr als 104.000 beantragten vorübergehenden Schutz. Diese Reaktion stand in krassem Gegensatz zur bisherigen feindseligen Flüchtlingspolitik und mangelnden Unterstützung jener Flüchtlinge, die seit 2015 aus anderen Ländern nach Europa gekommen waren, sowie der migrationsfeindlichen Rhetorik und Politik der slowakischen Behörden und führenden Politiker*innen.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen und die Ombudsfrau für Menschenrechte forderten, die Rechte gefährdeter Gruppen aus der Ukraine besser zu schützen. Insbesondere aus der Ukraine in die Slowakei fliehende Drittstaatsangehörige, unbegleitete Minderjährige, Rom*nja und transgeschlechtliche Personen erlitten Menschenrechtsverletzungen. So wurden transgeschlechtliche Menschen an der ukrainisch-slowakischen Grenze von Armeeangehörigen beider Länder verbal gedemütigt.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Bisher sind weder gleichgeschlechtliche Ehen noch eingetragene Partnerschaften gesetzlich zugelassen.

Am 12. Oktober 2022 wurden vor der Bar Tepláreň, einem Treffpunkt der LGBTI-Szene in der Hauptstadt Bratislava, zwei Männer erschossen und eine Frau verletzt. Nach einer kurzen Fahndung identifizierte die Polizei einen 19-Jährigen als Täter, der kurz zuvor auf Twitter eine Art Manifest mit homofeindlichen und antisemitischen Inhalten veröffentlicht hatte. Später fand man die Leiche des Täters, der sich nach Angaben der Polizei selbst erschossen hatte.

Recht auf Gesundheit

Die Einreise transgeschlechtlicher Flüchtlinge aus der Ukraine brachte zutage, wie schlecht es in der Slowakei um die Gesundheitsversorgung von transgeschlechtlichen Menschen bestellt ist. Hilfsorganisationen empfahlen transgeschlechtlichen Flüchtlingen aus der Ukraine, in Länder weiterzureisen, in denen es eine angemessene Gesundheitsversorgung für sie gab.

Im April 2022 veröffentlichte das Gesundheitsministerium Leitlinien zur Standardisierung medizinischer Verfahren zur Geschlechtsangleichung. Diese sahen vor, dass für die Bewilligung medizinischer Maßnahmen zur Geschlechtsangleichung keine Sterilisierung bzw. Kastrierung nötig sein soll. Auf die Veröffentlichung folgten heftige Gegenreaktionen und diskriminierende Äußerungen einiger Parlamentsabgeordneter. Am 18. Mai wurden die Leitlinien ausgesetzt. Im Dezember 2022 unterzeichneten einige Fachkräfte aus den Bereichen Medizin und Psychologie eine gemeinsame "Stellungnahme von Psychiater*innen, Psycholog*innen und anderen Expert*innen für Transsexualismus", in der sie sich gegen die vorgeschlagenen Leitlinien aussprachen.

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