Amnesty Report Malta 29. März 2022

Malta 2021

Ein Mann mit Fernglas sieht auf das offene Meer.

Ein Mann an Bord des Schiffes "Seawatch 3" nach der Rettung von 49 Menschen in Seenot (Malta, Dezember 2018)

Berichtszeitraum 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Eine unabhängige Untersuchung des Todes der Journalistin Daphne Caruana Galizia ergab, dass der Staat sie nicht ausreichend geschützt und ein Klima der Straflosigkeit geschaffen hatte, das ihre Tötung begünstigte. Schwangerschaftsabbrüche blieben unter allen Umständen verboten. Asylsuchende und Migrant_innen wurden nach wie vor rechtswidrig unter sehr schlechten Bedingungen festgehalten. Drei Asylsuchende standen weiterhin vor Gericht, weil sie sich ihrer rechtswidrigen Abschiebung nach Libyen widersetzt hatten, nachdem sie in Seenot geraten und gerettet worden waren.

Hintergrund

Im Juni 2021 setzte die internationale Organisation Financial Action Task Force Malta auf die sogenannte "graue Liste" von Ländern mit schwachen Schutzmechanismen gegen Geldwäsche und die Finanzierung terroristischer Aktivitäten und schreckte damit wirksam internationale Anleger ab.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Im Juli 2021 wurde der Abschlussbericht der unabhängigen Untersuchung zur Tötung der Journalistin Daphne Caruana Galizia im Jahr 2017 veröffentlicht. Der Untersuchungsausschuss kam zu dem Schluss, dass die Behörden die unmittelbare Bedrohung für das Leben der Journalistin nicht erkannt und keine geeigneten Schritte zu ihrem Schutz unternommen hatten. Zudem hätten der Premierminister sowie andere hochrangige Staatsbedienstete ein Klima der Straflosigkeit geschaffen, das die Tötung Daphne Caruana Galizias begünstigte. Der Ausschuss empfahl, die Untersuchung sämtlicher Aspekte der Tötung fortzuführen und Systemreformen vorzunehmen, um die Rechtsstaatlichkeit zu stärken und den Schutz von Journalist_innen zu verbessern. Im August 2021 wurde ein früherer Geschäftsmann unter Anklage gestellt, der im Verdacht steht, den Mord an Daphne Caruana Galizia angeordnet zu haben. Zwei Männer, denen angelastet wird, die Bombe gelegt zu haben, welche zum Tod der Journalistin führte, warteten auf ihr Verfahren, während ein dritter, der sich schuldig bekannt hatte, im Februar 2021 zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde.

Sexuelle und reproduktive Rechte

Schwangerschaftsabbrüche blieben nach wie vor unter allen Umständen verboten, sodass Schwangere nicht einmal dann Zugang zu einem Eingriff hatten, wenn ihre Gesundheit gefährdet war. Im Mai 2021 legte eine Parlamentsabgeordnete einen Gesetzentwurf vor, der Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren würde. Damit war zum ersten Mal ein solcher Entwurf im Parlament vorgelegt worden. Gegner_innen der Gesetzesvorlage verhinderten jedoch eine entsprechende Debatte.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen

Bis Ende 2021 kamen 832 Flüchtlinge und Migrant_innen über den Seeweg nach Malta, wobei viele von ihnen von den maltesischen Streitkräften aus Seenot gerettet worden waren. Ende September, als diese Zahl noch bei 464 Personen lag, waren ein Viertel davon unbegleitete Kinder, meist mit syrischer, sudanesischer oder eritreischer Staatsangehörigkeit. Im Jahr 2020 waren insgesamt 2.281 Personen auf der Suche nach Sicherheit auf dem Seeweg nach Malta gekommen.

Im März 2021 kritisierte die Menschenrechtskommissarin des Europarats Malta dafür, dass das Land Notrufe von Flüchtlingen und Migrant_innen auf See ignorierte oder nur schleppend darauf reagierte und private Boote anwies, aus Seenot Gerettete nach Libyen zurückzubringen.

Im Mai 2021 äußerte sich die Hohe Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen ebenfalls besorgt darüber, dass Menschen auf See dadurch in Lebensgefahr gebracht würden, dass Malta und andere EU-Staaten Rettungsaktionen verzögerten und die Verantwortung für Rettungseinsätze den libyschen Behörden zuschoben, was zur Folge hatte, dass Menschen nach Libyen zurückgeführt wurden, wo ihnen Menschenrechtsverletzungen drohten.

Asylsuchende wurden nach wie vor willkürlich unter unangemessenen und unhygienischen Bedingungen inhaftiert. Sowohl die Menschenrechtskommissarin des Europarats als auch der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter (European Committee for the Prevention of Torture – CPT) äußerten sich besorgt über die Rechtmäßigkeit und die Dauer der Inhaftierung zahlreicher Asylsuchender. Im März 2021 veröffentlichte der CPT seinen Bericht über die Besuche, die er im September 2020 verschiedenen Haftzentren abgestattet hatte, darunter auch der Hermes-Block und das Haftlager Safi. Der CPT beschrieb ein System von "institutionalisierter Massenverwahrlosung" sowie unmenschlicher und erniedrigender Behandlung. Zudem zitierte der Ausschuss Berichte über Misshandlungen und den exzessiven Einsatz von Gewalt. Der Ausschuss drängte Malta, seine Politik der Inhaftierung von Migrant_innen zu überdenken. Im Oktober 2021 besuchte auch die Menschenrechtskommissarin des Europarats das Haftlager Safi. Sie drängte die Behörden, dort unverzüglich für menschenwürdige Bedingungen zu sorgen und Alternativen zum Zuwanderungsgewahrsam in Betracht zu ziehen.

Im März 2021 erklärte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass Malta im Fall Feilazoo gegen Malta die Rechte eines nigerianischen Staatsangehörigen verletzt habe, der unter unangemessenen Bedingungen in langer Isolationshaft gehalten und unnötigerweise zusammen mit Personen interniert wurde, die sich in Corona-Quarantäne befanden.

Ebenfalls im März 2021 äußerte sich die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz besorgt darüber, dass Malta nicht plane, eine Form der Aufenthaltslegalisierung für Personen einzuführen, die bereits seit vielen Jahren dort leben und nicht in ihre Herkunftsländer zurückgeführt werden können.

Überlebende und Angehörige einiger Flüchtlinge, die beim sogenannten "Ostermontags"-Pushback nach Libyen ums Leben kamen, der im April 2020 durch ein von der maltesischen Regierung gechartertes Handelsschiff vollzogen wurde, verklagten Malta wegen Verweigerung ihres Rechts auf Asyl. Bei einer Anhörung im Mai 2021 bestätigte ein früherer hoher Beamter, mehrere Pushbacks organisiert zu haben, darunter den vom Ostermontag 2020.

Im Oktober 2021 verklagten 32 Männer die Regierung, weil man sie zwischen Ende April und Anfang Juni 2020 rechtswidrig auf Fährschiffen festgehalten hatte, die außerhalb der Hoheitsgewässer positioniert waren, um Menschenrechtsverpflichtungen zu umgehen. Sie zählten zu den über 400 Personen, die von der Regierung ohne Nennung von Rechtsgründen auf Schiffen festgehalten worden waren, die nicht für lange Aufenthalte ausgerüstet waren.

Gegen drei Asylsuchende wurde weiter verhandelt, weil sie sich ihrer rechtswidrigen Abschiebung nach Libyen durch den Kapitän des Schiffs, das sie und mehr als 100 weitere Personen gerettet hatte, widersetzt hatten. Zeug_innen erklärten, dass die jungen Männer, bekannt als die "El Hiblu 3", lediglich versucht hätten, zwischen den Geretteten und dem Kapitän zu vermitteln. Wegen Vorwürfen, die u. a. auf der Grundlage von Antiterrorgesetzen gegen sie erhoben wurden, drohen ihnen bei einer Verurteilung lebenslange Haftstrafen.

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