Amnesty Report Japan 29. März 2022

Japan 2021

Das Bild zeigt zwei Hände mit Regenbogen-Armband

Pride Parade für die Rechte von LGBTI in der japanischen Hauptstadt Tokio (Archivfoto)

Berichtszeitraum: 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Ethnische Minderheiten sowie lesbische, schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen wurden nach wie vor stigmatisiert und diskriminiert. Gesetze, die eine unbegrenzte Inhaftierung ausländischer Staatsangehöriger ohne gültige Papiere erlaubten, blieben in Kraft. Die Behörden verweigerten Inhaftierten das Recht auf angemessene medizinische Versorgung.

Hintergrund

Trotz steigender Coronainfektionszahlen und einer ablehnenden Haltung der Bevölkerung richtete Japan 2021 die verschobenen Olympischen Sommerspiele 2020 aus. Angesichts des öffentlichen Unmuts über den Umgang der Regierung mit der Pandemie kündigte Regierungschef Yoshihide Suga am 3. September 2021seinen Rücktritt an.

Diskriminierung

Die seit Langem bestehende Diskriminierung der koreanischen Minderheit hielt unvermindert an. Besonders betroffen waren Menschen, die man mit Nordkorea in Verbindung brachte. Im Juli 2021 wies der Oberste Gerichtshof eine Klage auf Schadensersatz ab, die eine mit Nordkorea verbundene Schule und einige ihrer Absolvent_innen eingereicht hatten. Die Klage bezog sich auf eine Entscheidung der Regierung, koreanische Schulen mit Verbindungen zu Pjöngjang von staatlichen Schulgeldzuschüssen auszuschließen. Zuvor hatten andere Gerichte bereits vier ähnliche Schadensersatzklagen abgewiesen.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Nach heftigen Debatten zwischen Regierung und Opposition ergänzte die regierende Liberaldemokratische Partei (LDP) im Mai 2021 einen Gesetzentwurf zur Förderung des öffentlichen Bewusstseins in Bezug auf sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität durch einen Passus, wonach "Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität inakzeptabel" sei. In der parteiinternen Diskussion über eine Zustimmung zu dem parteiüberübergreifenden Gesetzentwurf gab es allerdings zahlreiche diskriminierende Äußerungen konservativer LDP-Abgeordneter bezüglich dieser Ergänzung. Nach scharfer öffentlicher Kritik an diesen Äußerungen erklärte ein führendes LDP-Mitglied, der Gesetzentwurf werde nicht in das Parlament eingebracht. Ende des Jahres stand eine Entscheidung noch aus.

Die Regierung unternahm keine Schritte zur rechtlichen Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Im März 2021 entschied das Bezirksgericht Sapporo in einem von drei gleichgeschlechtlichen Paaren angestrengten Verfahren, dass diese Nichtanerkennung verfassungswidrig sei. Die Kläger_innen zählten zu den 13 Paaren, die am Valentinstag 2019 ähnliche Verfahren angestrengt hatten. Ende 2021 hatten 141 Kommunen Verfügungen oder Richtlinien eingeführt, die gleichgeschlechtliche Ehen anerkannten.

Aus der Zivilgesellschaft kamen vermehrt Forderungen, das sogenannte Gesetz über Geschlechtsidentitätsstörung zu reformieren und Anforderungen zu streichen, die gegen völkerrechtlich verbriefte Rechte von Personen verstießen, die ihr amtliches Geschlecht ändern wollten. Laut dem Gesetz musste eine Person, die ihr amtliches Geschlecht ändern wollte, unverheiratet und über 20 Jahre alt sein. Sie durfte keine minderjährigen Kinder haben und musste sterilisiert oder aus anderen Gründen nicht in der Lage sein, sich fortzupflanzen. Voraussetzungen waren außerdem eine geschlechtsangleichende Operation sowie eine psychiatrische Begutachtung und Diagnose.

Rechte von Flüchtlingen und Migrant_innen

Asylsuchende und Migrant_innen ohne regulären Aufenthaltsstatus wurden weiterhin auf unbegrenzte Zeit in Einwanderungszentren inhaftiert und misshandelt, u. a. indem man ihnen eine angemessene medizinische Versorgung verweigerte. Im März 2021 starb die 33-jährige srilankische Staatsangehörige Ratnayake Liyanage Wishma Sandamali in Gewahrsam. Ein Untersuchungsbericht, den die Einwanderungsbehörde im August veröffentlichte, räumte Mängel bei der medizinischen Versorgung ein.

Die Behörden nutzten nach wie vor das Gesetz über Zuwanderungskontrolle und Flüchtlingsanerkennung, um ausländische Staatsangehörige ohne gültige Papiere, darunter auch Asylsuchende und Migrant_innen ohne regulären Aufenthaltsstatus, auf unbegrenzte Zeit zu inhaftieren, bevor man sie abschob. Im Februar 2021 präsentierte die Regierung einen Reformvorschlag, der jedoch weiterhin Inhaftierungen vorsah und keine maximale Haftdauer enthielt. Zudem wurde den Betroffenen darin nach wie vor ein ordnungsgemäßes Verfahren verweigert, da keine gerichtliche Überprüfung der Haftanordnung vorgesehen war. Und obwohl nur sehr wenige Asylanträge anerkannt wurden – seit 2012 lag die jährliche Anerkennungsrate bei unter einem Prozent – enthielt der Gesetzentwurf überdies Klauseln, die es den Behörden gestatteten, abgelehnte Asylsuchende nach einem begrenzten Rechtsmittelverfahren abzuschieben. Nach Kritik im Inland und internationalem Druck zog die Regierung den Gesetzentwurf im Mai zurück.

Im September stellte das Hohe Gericht von Tokio fest, dass die Abschiebung zweier Männer aus Sri Lanka am Tag nach der Ablehnung ihrer Asylanträge verfassungswidrig war. Das Gericht entschied, dass die Zuwanderungsbehörden den Männern damit faktisch das Recht auf ein Rechtsmittelverfahren verweigert hatten, und verurteilte den japanischen Staat zu einer Zahlung von 600.000 Yen (etwa 4.655 Euro) als Wiedergutmachung.

Todesstrafe

Am 21. Dezember 2021 wurden Yasutaka Fujishiro, Mitsunori Onogawa und Tomoaki Takanezawa hingerichtet. Die drei Männer waren wegen Mordes zum Tode verurteilt worden. Es war das erste Mal seit 2019, dass Japan wieder Hinrichtungen vollstreckte. Yasutaka Fujishiro litt unter einer Persönlichkeitsstörung. Mitsunori Onogawa und Tomoaki Takanezawa hatten eine Wiederaufnahme ihrer Verfahren beantragt, worüber zum Zeitpunkt ihrer Hinrichtung noch nicht entschieden worden war.

Iwao Hakamada, der 47 Jahre lang in der Todeszelle gesessen hatte und lange Zeiträume in Einzelhaft erdulden musste, nachdem man ihn 1968 wegen Mordes schuldig gesprochen hatte, war weiterhin vorübergehend frei, während er auf eine Neuverhandlung wartete, die durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2020 möglich geworden war. Sein Fall und der ursprüngliche Prozess gegen ihn unterstrichen anhaltende Bedenken, was den Einsatz von Folter zur Erzwingung von "Geständnissen" durch die Polizei betraf.

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