Amnesty Report Finnland 07. April 2021

Finnland 2020

Das Foto zeigt drei Personen mit Schutzkleidung und Masken in einem klinischen Raum.

Die Familienzusammenführung von Flüchtlingen war aufgrund rechtlicher und praktischer Hindernisse nach wie vor schwierig. Während der Corona-Pandemie erlitten Frauen vermehrt geschlechtsspezifische Gewalt durch ihre Partner. Zahlreiche Sozialleistungen blieben unzureichend.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Im März 2020 veröffentlichte die Ombudsfrau für das Recht auf Nichtdiskriminierung eine Studie über die Familienzusammenführung von Kindern, die internationalen Schutz genossen. In fast der Hälfte der 66 Fälle waren die Begründungen für eine Ablehnung der Familienzusammenführung äußerst restriktiv, und sowohl das Verfahren als auch die Ergebnisse gefährdeten die Rechte der Kinder. Gesetzliche und praktische Hürden, u. a. hohe Einkommensanforderungen, standen Familienzusammenführungen weiterhin im Weg.

Finnland hielt nach wie vor einige unbegleitete Minderjährige und Familien mit Kindern auf Grundlage ihres Migrationsstatus in Haft. Aufgrund von Gesetzesänderungen in den Jahren 2016 und 2019 bestand für Asylsuchende weiterhin die Gefahr, in Länder abgeschoben zu werden, in denen ihnen Menschenrechtsverletzungen drohten, was dem Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) widersprach.

Exzessive Gewaltanwendung

Im Februar 2020 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verurteilung eines Polizisten wegen exzessiver Gewaltanwendung. Er hatte 2015 ohne Vorwarnung eine Elektroschockwaffe gegen einen Mann eingesetzt, der sich geweigert hatte, sich hinzulegen. Ein Bezirksgericht befand im Februar einen Polizisten, der 2018 eine Elektroschockwaffe auf eine betrunkene Frau gerichtet hatte, wegen Verletzung von Dienstpflichten für schuldig. Im September wurde ein Polizist der schweren Körperverletzung und der Verletzung von Dienstpflichten schuldig gesprochen, weil er 2019 exzessive Gewalt gegen einen in Polizeigewahrsam befindlichen und mit Handschellen gefesselten Mann angewendet hatte, der daraufhin wiederbelebt werden musste.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen

Im Februar 2020 veröffentlichte eine Arbeitsgruppe einen Vorschlag für eine Gesetzesreform, um die Rechte von Menschen, die sich um eine offizielle Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität bemühen, besser zu schützen. 

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Im Februar, Juni und Dezember 2020 wurden in Oulu, Pori und Rovaniemi neue Anlaufstellen für Opfer sexueller Übergriffe eröffnet.

Im Juli veröffentlichte eine Arbeitsgruppe ihre Empfehlungen, um die Gesetzgebung bezüglich Vergewaltigung internationalen Standards anzupassen.

Während der Corona-Beschränkungen in der ersten Jahreshälfte nahmen die Berichte über Gewalt gegen Frauen durch ihre Partner und die Zahl der Hilfesuchenden stark zu.

Im Oktober 2020 brachte die Regierung ein Programm zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen auf den Weg. 

Recht auf Privatsphäre

Im Juni 2020 legte der Ombudsmann für Geheimdienste seinen ersten Jahresbericht vor. Er wies darauf hin, dass eine öffentliche Kontrolle von Überwachungsmaßnahmen schwierig sei, weil sowohl die bei Gericht eingereichten Anträge als auch die diesbezüglichen Entscheidungen der Behörden einen Mangel an Details aufwiesen.

Kriegsdienstverweigerer

Ende 2020 hatten 33 Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen, die nach der ersten Verweigerung freigesprochen worden waren, den Zivildienst zum zweiten Mal abgelehnt. Mindestens 19 von ihnen erhielten daraufhin Freiheitsstrafen von bis zu knapp sechs Monaten, die in den meisten Fällen elektronische Überwachung bedeuteten. Der alternative Zivildienst hatte weiterhin strafenden und diskriminierenden Charakter, weil er mehr als doppelt so lang war wie der kürzeste Militärdienst.

Recht auf soziale Sicherheit 

Trotz kleinerer Verbesserungen bei einigen Sozialleistungen blieben viele unter dem von der Europäischen Sozialcharta geforderten Niveau. Im März und September 2020 gab es aufgrund der Corona-Pandemie einige weitere Verbesserungen, was den Sozialversicherungsschutz und die Höhe der Leistungen betraf, die allerdings zeitlich begrenzt waren. 

Rechte indigener Bevölkerungsgruppen

Finnland hatte bis Ende 2020 das Übereinkommen über indigene Völker (ILO-Konvention 169) noch nicht ratifiziert, das die Rechte der indigenen Sámi schützen würde.

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