Amnesty Report Bolivien 29. März 2022

Bolivien 2021

Eine junge Frau trägt ein Kopftuch und eine Mundnasenschutzmaske, auf die ein Weiblichkeitssymbol gemalt ist.

Kundgebung zum Internationalen Frauentag am 8. März 2021 in La Paz, Bolivien

Berichtszeitraum 01. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021

Dutzende ehemalige Regierungsmitglieder, Anwält_innen, Richter_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen wurden beschuldigt, 2019 einen Staatsstreich inszeniert zu haben. Sie wurden wegen vage formulierter Straftatbestände angeklagt. Die ehemalige Interimspräsidentin Jeanine Áñez wurde inhaftiert.

Ein von der Interdisziplinären Gruppe unabhängiger Expert_innen (Grupo Interdisciplinario de Expertos Independientes – GIEI) veröffentlichter Bericht wies auf die mangelnde Unabhängigkeit der Justiz hin und empfahl, ein Amnestiedekret aufzuheben, das zu Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzungen führte. Indigene Gemeinschaften wurden weiterhin schikaniert und angegriffen, weil sie ihr Territorium und die Umwelt verteidigten. Die Regierung versagte beim Schutz der Regenwälder. Bolivien hatte mit einer dritten Welle der Coronapandemie zu kämpfen. Im Gesundheitswesen Beschäftigte prangerten das Ausbleiben von Gehältern und den mangelhaften Arbeitsschutz an.

Straflosigkeit

Im Februar 2021 wurde der Oberste Erlass 4461 verabschiedet, der eine Amnestie oder Begnadigung von Regierungsunterstützer_innen vorsieht, die wegen Straftaten inhaftiert wurden, die sie während der im Oktober 2019 ausgebrochenen politischen Krise begangen haben sollen.

Im August 2021veröffentlichte die Interdisziplinäre Gruppe unabhängiger Expert_innen (GIEI) unter der Schirmherrschaft der Interamerikanischen Menschenrechtskommission ihren Bericht über Menschenrechtsverletzungen während der politischen Krise im Zusammenhang mit den Wahlen im Jahr 2019. In dem Bericht wurde auf schwerwiegende Versäumnisse der Behörden bei der Gewährleistung der Autonomie und Unabhängigkeit der Justiz und der Generalstaatsanwaltschaft hingewiesen. Es wurde auch thematisiert, dass die Menschen, die während der politischen Krise von schweren Menschenrechtsverletzungen betroffen waren, nur selten Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung erfuhren.

Nach der Veröffentlichung des GIEI-Berichts versprachen die Behörden, das Amnestiedekret aufzuheben. Allerdings missbrauchten sie weiterhin das Justizsystem, um politische Gegner_innen zu verfolgen, und ignorierten deren Recht auf ein faires Gerichtsverfahren.

Recht auf ein faires Gerichtsverfahren

Von Januar bis Juni 2021 erhoben die Behörden sowie Mitglieder der Regierungspartei Vorwürfe gegen mindestens 41 Angehörige der ehemaligen Übergangsregierung, Menschenrechtsverteidiger_innen, Anwält_innen und Richter_innen, die daraufhin wegen vage definierter Straftatbestände wie "Terrorismus", "Aufwiegelung" und "Verschwörung" angeklagt wurden. Dies war Teil der umfassenden Strategie, Gegner_innen und Kritiker_innen zu beschuldigen, im November 2019 an der Organisation eines Staatsstreichs mitgewirkt zu haben.

Die Behörden inhaftierten die ehemalige Interimspräsidentin Jeanine Áñez. Sie musste sich wegen "Terrorismus", "Aufwiegelung" und "Völkermords" in einem Verfahren verantworten, das laut internationalen Beobachter_innen gegen verfahrensrechtliche Garantien verstieß.

Menschenrechtsverteidiger_innen

Die Behörden stigmatisierten und schikanierten mehrere Menschenrechtsverteidiger_innen, unter ihnen Waldo und Franco Albarracín sowie Amparo Carvajal, die Präsidentin der Ständigen Menschenrechtsversammlung Boliviens.

Rechte indigener Gemeinschaften

Der GIEI-Bericht betonte, dass die Gewalt im Zusammenhang mit der Krise nach den Wahlen 2019 rassistische und indigenenfeindliche Züge aufwies. Indigene Gemeinschaften, die ihr Land und ihr Territorium verteidigten, wurden angegriffen, von der Polizei schikaniert und in ihren Landrechten verletzt.

Recht auf Gesundheit

Ende 2021 waren 41 Prozent der bolivianischen Bevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Tausende im Gesundheitswesen Beschäftigte erhielten monatelang keinen Lohn, und viele arbeiteten ohne angemessene persönliche Schutzausrüstung.

Klimakrise

Die bolivianischen Behörden erließen Verordnungen, die Anreize zur Abholzung und zum Abbrennen von Wäldern und anderer Vegetation boten.

Frauenrechte

Im Jahr 2021 wurden nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft 108 Femizide gemeldet, verglichen mit 113 im Jahr 2020. Zivilgesellschaftliche Gruppen forderten bessere Maßnahmen zur Gewaltprävention.

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