Amnesty Vereinigte Staaten von Amerika 28. Mai 2011

Nur die Spitze des Eisbergs

"Schließt Guantánamo!" - Amnesty-Aktion in Paris

"Schließt Guantánamo!" - Amnesty-Aktion in Paris

Es war der verheerendste Terroranschlag in der Geschichte: Am Morgen des 11. September 2001 lenkten islamistische Terroristen drei voll besetzte Passagiermaschinen in das Pentagon in Washington und in die beiden Türme des World Trade Centers in New York. Das vierte entführte Flugzeug stürzte in der Nähe von Pittsburgh ab. Mehr als 3.000 Menschen starben an diesem Tag.

Amnesty International verurteilte die Anschläge scharf und begrüßte die Resolution des UNO-Sicherheitsrats vom 12. September 2001. Darin wurden alle Staaten aufgefordert, in ihrem Kampf gegen die Attentäter eng zu kooperieren. Die Organisation wandte sich aber auch entschieden dagegen, im Namen der Terrorismusbekämpfung den Schutz der Menschenrechte auszuhöhlen. So wie auf im US-Gefangenenlager Guantánamo Bay.

Am 11. Januar 2002 brachten Frachtflugzeuge die ersten Gefangenen auf den US-Militärstützpunkt auf Kuba. Seither wurden dort insgesamt etwa 800 Männer völkerrechtswidrig inhaftiert, ohne Anklage oder Gerichtsverfahren. In farbigen Overalls gekleidet wurden sie der Weltöffentlichkeit vorgeführt. Sie wurden gefoltert, jahrelang in Isolationshaft und ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten, mit lauter Musik, Unterkühlung und Schlafentzug gequält. Mehrere Männer überlebten die Strapazen nicht. Mehrmals traten Gefangene in den Hungerstreik, über ein Dutzend Selbstmordversuche sind bekannt.

Amnesty fordert von der US-Regierung, nicht nur das symbolträchtige Gefangenenlager zu schließen, sondern jedwede illegale Haft zu beenden und zu rechtsstaatlichen Verfahren zurückzukehren. Alle Gefangenen müssen in einem fairen Verfahren einer Straftat angeklagt oder freigelassen werden.

Ende 2010 befanden sich noch immer 174 Gefangene in Guantánamo. Unter ihnen sind viele, die zur Freilassung vorgesehen sind, weil sie nachweislich unschuldig sind. Doch viele können nicht in ihre Heimatländer zurückkehren, weil ihnen dort Folter und Misshandlungen drohen. Verschiedene Staaten, darunter Deutschland, Frankreich, Spanien, die Schweiz und Ungarn, haben daher einzelne Gefangene aufgenommen.

Doch Guantánamo ist nur die Spitze des Eisbergs unbefristeter und geheimer Inhaftierungen, rechtswidriger Überstellungen von Gefangenen, Folter und anderer Formen grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung, für die die USA und ihre Verbündeten verantwortlich sind. 2004 gingen die Bilder misshandelter Gefangener im US-Gefängnis Abu Ghraib im Irak um die Welt. Noch immer werden Hunderte Menschen ohne Anklage, Prozess oder gerichtliche Überprüfung auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan gefangen gehalten. Im Rahmen des illegalen Programms von "Überstellungen" (renditions) verschleppte die CIA verdächtige Personen in Geheimgefängnisse, unter anderem nach Pakistan und in osteuropäische Länder, wo sie gefoltert wurden.

Angesichts dieser Verbrechen klingen die Worte des ehemaligen US-Präsidenten George W. Bush vom Juni 2003 wie blanker Hohn: "Die Vereinigten Staaten sind der weltweiten Abschaffung der Folter verpflichtet, und wir gehen in diesem Kampf mit gutem Beispiel voran."

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