Amnesty 28. Mai 2011

Kollektives Versagen

Ruandische Flüchtlinge im Kongo, Juli 1994

Ruandische Flüchtlinge im Kongo, Juli 1994

Als am 6.April 1994 das Flugzeug des ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana abgeschossen wird, beginnt in Ruanda einer der grausamsten Genozide der Geschichte. Innerhalb weniger Monate ermorden extremistische Hutu bis zu 800.000 Tutsi und moderate Hutu. Die Täterinnen und Täter sind Angehörige der ruandischen Regierung und der Armee sowie Mitglieder der Interahamwe-Miliz, die ihre Opfer häufig mit Listen ausfindig machten, die von der Regierung schon Monate zuvor angelegt worden waren.

Vorausgegangen ist ein Bürgerkrieg zwischen der "Front Patriotique Rwandaise" (FPR), bestehend aus Tutsi, und der ruandischen Armee. In den Monaten vor dem Genozid heizen ruandische Medien den Konflikt zusätzlich an, indem sie rassistische Vorurteile verbreiten und zur Ermordung von Tutsi aufrufen. Als sich im April 1994 die Gewalt in ganz Ruanda ausbreitet, sind die dort stationierten UNO-Soldaten überfordert. Ihr Mandat erlaubt es ihnen nicht, die Bevölkerung zu schützen. Anstatt mehr Truppen einzusetzen, zieht die UNO einen Großteil der Blauhelme ab.

"Beschämend" sei dieses Verhalten gewesen, urteilt 2004 der damalige UNO-Generalsekretär Kofi Annan. Die internationale Gemeinschaft habe versagt und den Genozid aus Unwillen nicht verhindert. Er gesteht auch eine persönliche Schuld ein. Er habe mehr "tun können und sollen, um Alarm zu schlagen und für Unterstützung zu werben".

Bereits 1993 weist ein Report des Sonderberichterstatters für außergerichtliche Hinrichtungen der UNO-Menschenrechtskommission Bacre Waly Ndiaye auf einen möglichen Völkermord hin. Er erwähnt darin Hinrichtungen von Tutsi, bei denen die Opfer "ausschließlich aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe" getötet werden. Auf der Jahresversammlung der deutschen Amnesty-Sektion im Mai 1994 in Rosenheim bringt der damalige Vorstandssprecher Walter Schreiber das Versagen der internationalen Gemeinschaft offen zur Sprache. "Wir waren alle sehr betroffen", erinnert sich Volkmar Deile, damals Generalsekretär der deutschen Sektion. "Das Ausmaß des sorgfältig vorbereiteten systematischen Mordens ist uns erst bewusst geworden, als der Völkermord bereits begonnen hatte." Heute gilt der 7. April als internationaler Gedenktag für den Genozid in Ruanda. Er ist auch als Mahnung an die Weltgemeinschaft zu verstehen, Völkermorde nie wieder zuzulassen.

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Ruanda Amnesty

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