Amnesty 28. Mai 2011

Menschenrechte auf Welttournee

Sting 1988 auf der Bühne mit Tracy Chapmann und Bruce Springsteen

Sting 1988 auf der Bühne mit Tracy Chapmann und Bruce Springsteen

Der 2. September 1988. Die riesige Zuschauermenge im Londoner Wembley-Stadion ist schon längst durchgeschwitzt. Der Grund: ein fast sechsstündiges Konzert mit Bruce Springsteen, Sting, Peter Gabriel, Tracy Chapman und Youssou N’Dour. Den letzten Song, "Chimes of Freedom" von Bob Dylan, spielen die Künstlerin und die Künstler gemeinsam.

Es ist die Auftaktveranstaltung der "Human Rights Now!"-Tour von Amnesty International. In den folgenden sechs Wochen geben die Musikerinnen und Musiker 19 Konzerte in 14 Ländern auf vier Kontinenten. Anlass ist der 40. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte und der Wunsch, die Arbeit von Amnesty weltweit in den Fokus zu rücken. Ein Wunsch, der in Erfüllung geht: Mehr als eine Million Menschen besuchen die Konzerte, knapp eine Milliarde verfolgen die Übertragungen vor den Bildschirmen.

In Deutschland und anderen Ländern sehen viele eine Dokumentation der Tournee, die am 10. Dezember 1988 im Fernsehen ausgestrahlt wird. Zur gleichen Zeit sitzen fünf Amnesty-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen in ihren Büros in Bonn vor knapp 20 Wahlscheibentelefonen. Als die Amnesty-Durchwahl über den Bildschirm flimmert, greifen hunderte Menschen zum Telefonhörer, um sich über die Arbeit der Organisation zu informieren. "Vom Konzert haben wir überhaupt nichts mehr mitbekommen. Die Telefone haben sprichwörtlich im Sekundentakt geklingelt", sagt Jupp Regnery, der schon seit 1985 bei Amnesty arbeitet. "Dass sich so viele Menschen melden würden, damit hatten wir nicht gerechnet. Wir waren begeistert!"

Bereits die US-Konzertreihe "Conspiracy of Hope" von Amnesty im Jahr 1986 hatte gezeigt, dass Musik und Menschenrechte gut harmonieren. Doch "Human Rights Now!" war eine andere Größenordnung. Die Musikerinnen und Musiker gaben Konzerte in Ländern wie Indien, Simbabwe und der Elfenbeinküste, etliche Gastmusiker wie Joan Baez, Ravi Shankar und Pat Metheny unterstützten die Tour.

Das Mega-Projekt hatte jedoch seinen Preis. Die Vorbereitungen wurden begleitet von zahlreichen Diskussionen und Interessenskonflikten. Weil die Tour vom Schuhhersteller "Reebok" gesponsert wurde, lehnte die deutsche Sektion ein Konzert in Deutschland ab. Auch sorgte sich Amnesty um die politische Botschaft der Tour: War westliche Rockmusik überhaupt dazu geeignet, um in Delhi oder Abidjan für Menschenrechte zu werben? Und was durften die Künstlerinnen und Künstler sagen, wenn sie im kommunistischen Ungarn auf der Bühne standen? Die Befürchtungen erwiesen sich als unbegründet. Amnesty konnte während der Tour rund 2.750.000 Unterschriften in 120 Ländern sammeln. Die Zahl der weltweiten Unterstützerinnen und Unterstützer stieg in den folgenden zwei Jahren um mehr als ein Drittel.

Seitdem gab es viele Kooperationen mit namhaften Musikerinnen und Musiker. Die Konzertreihe "The Secret Policeman’s Ball" oder der Sampler "Make some Noise" aus dem Jahr 2007 sind nur einige Beispiele. Ein großer Erfolg war auch die 360°-Tour der irischen Band U2 von 2009 bis 2011. Amnesty-Mitgliederinnen und -Mitglieder begleiteten die Konzerte, machten auf die Kampagne "Mit Menschenrechten gegen Armut" aufmerksam und stellten die Arbeit der Organisation vor. So zum Beispiel bei einem Konzert in Hannover im August 2010, als U2 das Lied "Walk On" der Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi aus Myanmar widmete. Während die Band spielte, kamen 40 Amnesty-Aktivistinnen und -Aktivisten mit Laternen auf die Bühne. Sänger Bono rief in die Zuschauermenge: "Amnesty International – keep up the campaign".

Es gab jedoch auch ernüchternde Momente auf der Tour. Vor dem Konzert in Moskau wurden fünf Amnesty-Aktivistinnen und -Aktivisten vorübergehend festgenommen – weil sie Unterschriften gesammelt hatten.

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