Amnesty Iran 22. Mai 2023

"Amnesty hat auf allen Ebenen reagiert"

Das Bild zeigt das Porträtbild einer Frau, die mit einem brennenden Gegenstand auf einem Auto steht und die Hände in die Höhe hält.

Teheran, 21. September 2022: Eine junge Frau verbrennt aus Protest ein Kopftuch. Auslöser ist der Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022.

Seit September 2022 protestieren im Iran unzählige Menschen für Frauenrechte und gegen Polizeigewalt und soziale Ungleichheit. Das repressive Mullah-Regime reagiert darauf mit tödlicher Gewalt. Über die Amnesty-Arbeit zum Iran berichtet Katja Müller-Fahlbusch, Fachreferentin für den Nahen Osten und Nordafrika, im Interview.

 Wie unterstützt Amnesty die Kämpfe der Menschen im Iran?

Wir arbeiten schon seit vielen Jahren zum Iran, zum Beispiel zu willkürlichen Inhaftierungen, unfairen Prozessen, Fällen von Verschwindenlassen oder zur Todesstrafe. Mit Beginn der Proteste ist der Iran schlagartig ein großes Thema in den Medien geworden, und Amnesty hat auf allen Ebenen reagiert: Wir haben eine Demonstration vor dem Bundestag und Mahnwachen vor der Botschaft in Berlin organisiert. Von Anfang an haben wir auch Social Media genutzt: so gab es einen Instagram-Talk mit Natalie Amiri, Düzen Tekkal und Gilda Sahebi, die Fragen beantwortet und die Situation eingeordnet haben. Auch im Amnesty Journal war das Thema seit Beginn der Proteste ständig präsent, und wir haben auf verschiedenen Ebenen Lobbyarbeit betrieben.

 Was für Forderungen hat Amnesty gestellt – und an wen?

Im Zentrum stand unsere Forderung, der UN-Menschenrechtsrat solle einen Untersuchungsmechanismus ins Leben rufen. Dafür haben wir ab Ende September weltweit mehr als eine Million Unterschriften gesammelt. Wir waren im Bundeskanzleramt, im Auswärtigen Amt, im Bundestag und haben Pressearbeit gemacht, um Druck auf die Bundesregierung auszuüben, damit sie sich dafür einsetzt. Und das hat auch funktioniert: Deutschland hat mit gemeinsam mit Island eine entsprechende Resolution in den UN-Menschenrechtsrat eingebracht, dann auch verabschiedet wurde.

 Was hat der UN-Menschenrechtsrat beschlossen?

Er hat eine Kommission eingesetzt, die Menschenrechtsverletzungen, die in Zusammenhang mit den Protesten verübt wurden, untersucht, dokumentiert und versucht, die Täter*innen zu ermitteln. Amnesty hat das schon seit Jahren gefordert, aber vor den Protesten fehlte es an politischem Willen. Es gibt seit Jahrzehnten ein großes Problem mit Straflosigkeit im Iran. Sie führt dazu, dass immer weitere Menschenrechtsverletzungen begangen werden. Unser Ziel war es, diesen Kreislauf zu durchbrechen. Nur wenn die Verstöße gerichtsfest dokumentiert und die Täter*innen identifiziert sind, kann man die Verantwortlichen irgendwann strafrechtlich verfolgen – entweder im Iran oder auf Grundlage des Weltrechtsprinzips in anderen Ländern.

 Wie geht es in diesem Jahr weiter?

Nachdem unsere große Forderung erfolgreich umgesetzt wurde, sortieren wir uns gerade neu. Wir werden in jedem Fall das Thema Weltrechtsprinzip und die Bekämpfung von Straflosigkeit ins Zentrum stellen. Die Bundesregierung ist ja sehr stolz auf die Anwendung des Weltrechtsprinzips im Fall Syrien oder die Einrichtung eines Strukturermittlungsverfahrens für die Ukraine. Das ist ein Hebel, den wir nutzen könnten, denn das ist auch für den Iran notwendig. Die Umsetzung ist natürlich eine große Herausforderung.

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