Amnesty Journal Rumänien 22. Juli 2015

Spätes Geständnis

Seit dem CIA-Folterbericht vom Dezember letzten Jahres bestehen kaum noch Zweifel: Auch in Rumänien unterhielt der US-Geheimdienst ein Foltergefängnis. Das stritten ­rumänische Offizielle bislang vehement ab. Nun kommt ein spätes Eingeständnis – von Rumäniens Ex-Staatschef Iliescu.

Von Keno Verseck

Die Indizien sind erdrückend – spätestens seit dem CIA-Folter­bericht vom Dezember letzten Jahres: Auch in Rumänien gab es offenbar mindestens ein geheimes CIA-Gefängnis, der Bericht führt es unter dem Decknamen "Detention Site Black" auf. Dort sollen im Zeitraum 2003 bis 2006 mehrere CIA-Gefangene festgehalten und gefoltert worden sein, darunter auch der Chef­planer der 9/11-Attentate, Khalid Sheikh Mohammed.

Allen Indizien zum Trotz stritten rumänische Offizielle bislang ab, dass es im Land ein oder mehrere derartige Gefängnisse gegeben habe. Kürzlich jedoch kam ein spätes Eingeständnis – von keinem Geringeren als Ion Iliescu, dem ehemaligen Staatspräsidenten Rumäniens. In einem Gespräch mit dem Autor, dessen Inhalt zunächst auf Spiegel online und anschließend in rumänischen Medien erschienen ist, bestätigte Iliescu indirekt die Existenz eines CIA-Gefängnisses, das er "Standort" nannte. Er war damit der zweite ehemalige Staatschef nach dem Polen Aleksander Kwasniewski, der ein solches Eingeständnis machte.

Um die Jahreswende 2002/2003, so Iliescu in dem Gespräch von Mitte April, hätten "unsere amerikanischen Verbündeten um einen Standort gebeten", er als Staatschef habe der Anfrage prinzipiell stattgegeben. Wo dieser "Standort" gewesen sei, wisse er nicht, um die Details habe sich der damalige Leiter der Präsidialverwaltung und Chef der Präsidialabteilung für nationale Sicherheit, Ioan Talpes, gekümmert. Hätte er damals gewusst, was die CIA an diesem "Standort" gemacht habe, hätte er die Anfrage "natürlich nicht" genehmigt.

Ioan Talpes, der von 1992 bis 1997 den rumänischen Auslandsgeheimdienst SIE geleitet hatte, bestätigte dem Autor weitere Details: Iliescu habe ihm "freie Hand gelassen", die CIA-Anfrage zu regeln; er habe der CIA ein Gebäude in Bukarest zur Verfügung stellen lassen. Dieses Gebäude sei von 2003 bis 2006 von der CIA benutzt worden, es existiere inzwischen nicht mehr. Wo genau dieses Gebäude gewesen sei, so Talpes, werde er nicht ­sagen.

Nachdem Iliescus Eingeständnis in Rumänien für große Aufregung in der Öffentlichkeit gesorgt hatte, präzisierte der Ex-Staatschef später in einem Eintrag auf seinem persönlichen Blog noch einmal, dass er eine Anfrage der CIA nach einem "Sitz" genehmigt habe. Er selbst habe von den konkreten CIA-Aktivitäten dort nichts gewusst; wenn dort Regeln verletzt worden seien, sei es Aufgabe der USA, dies auszusprechen und Konsequenzen zu ziehen.

Iliescus und Talpes’ Aussagen sorgten für Aufregung unter vielen rumänischen Politikern – immerhin wurde die Frage der CIA-Geheimgefängnisse in Rumänien von 2006 bis 2008 von ­einer parlamentarischen Kommission untersucht. Das Fazit des Abschlussberichts lautete, es lägen weder für Gefangenen­trans­porte der CIA via Rumänien noch für CIA-Geheimgefängnisse Beweise vor.

Trotz der Einzelheiten, die Iliescu und Talpes jetzt preisgaben, bleibt die damalige Leiterin der Kommission, Norica Nicolai, heute Europaabgeordnete und Vizepräsidentin der liberalen ALDE-Fraktion, bei ihren damaligen Aussagen. "Standort bedeutet nicht automatisch, dass es ein Gefängnis war", sagt ­Nicolai.

Andere Politiker fordern jedoch, im Zuge von Iliescus Aus­sagen müsse die rumänische Staatsanwaltschaft neue Ermittlungen einleiten, so etwa Anne Brasseur, die Vorsitzende der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, des höchsten europäischen Menschenrechtsgremiums. Die rumänische Generalstaatsanwaltschaft äußerte sich zu solchen Forderungen bis ­Redaktionsschluss nicht.

Ebenfalls unklar ist, ob Iliescus Aussagen in die Ermittlungen zu dem Fall al-Nashiri gegen Rumänien einbezogen werden. Der CIA-Gefangene Abd al-Rahim al-Nashiri, der den Anschlag auf den Zerstörer U.S.S. "Cole" im Oktober 2000 im Jemen geplant haben soll, verklagte Rumänien im Mai 2012 wegen Folter und menschenunwürdiger Behandlung, er soll im Zeitraum 2003 bis 2006 in Rumänien festgehalten worden sein.

Ein Gerichtsverfahren in dem Fall steht aus, die Ermittlungen laufen und sind geheim. Ein ähnliches Verfahren, das beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gegen Polen anhängig war, hatte al-Nashiri im Februar dieses Jahres rechtskräftig ­gewonnen.

Der Autor berichtet seit Jahrzehnten als freier Journalist aus Osteuropa.

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