Amnesty Journal Deutschland 03. Juni 2014

Nicht alles weggeboxt

Sklaverei in Mosambik, Ghettoisierung in der DDR, Neonazis im wiedervereinigten Deutschland: Die Autobiografie Ibraimo Albertos zeugt von 50 Jahren Rassismus in unterschiedlicher Form.

Von Maik Söhler

Aus simplen Hirnen lassen sich simple Träume ablesen, und bei so manchem Neonazi sehen sie wohl wie folgt aus: Wie schön muss eine Welt sein, in der die "weiße Herrenrasse" Schwarze versklaven, schikanieren und bei Bedarf auch töten kann. Der Alptraum dieses träumenden Neonazis heißt Ibraimo Alberto – schwarz, erfolgreicher Amateurboxer, der Sklaverei in Mosambik entkommen, selbstbewusst und in Deutschland überall dort gut integriert und beleumdet, wo Rassisten nichts zu melden haben.

Von diesem Widerspruch erzählt Albertos nun erschienene Autobiografie "Ich wollte leben wie die Götter", ein Buch, das mehrere große Linien nachzeichnet: Geografische Linien, die von Afrika nach Deutschland und zurück weisen. Eine Linie des Rassismus, die das Sklavendasein Albertos in den sechziger und siebziger Jahren in der portugiesischen Kolonie Mosambik mit der Alltagsdiskriminierung als Schwarzer in Ostdeutschland verbindet. Und es gibt eine biografische Linie, die Alberto mit ­einem Satz seiner Großmutter markiert: "Du wirst immer kämpfen müssen."

In Mosambik befreit sich der Autor aus dem Besitz des portugiesischen Sklavenhalters Antonio Ferreira – sein Drang, eine Schule zu besuchen, kommt ihm dabei zugute. Getrennt von den Eltern schlägt er sich durch, entkommt Menschenhändlern und ist dabei, als sich das Land vom Kolonialismus befreit, um sich sogleich in einem Bürgerkrieg wiederzufinden. Er überlebt in Nyazonia ein von rhodesischen weißen Armeeangehörigen an Zivilisten und Kindern begangenes Massaker und gehört schließlich zu jenen ausgewählten Mosambikanern, die von der DDR 1980 als Arbeiter angefordert werden.

Alberto landet in Ost-Berlin, wird Schlachter in einem Fleischkombinat und startet nebenbei eine Karriere als Boxer. Das Ende der DDR verschlägt ihn nach Schwedt, wo er als Flüchtlingsbetreuer in Asylbewerberheimen und später auch als Ausländerbeauftragter arbeitet – im Boxverein und von Nachbarn sowie Kollegen geschätzt, von der nicht gerade kleinen Neonaziszene erbittert bekämpft. "Hitlers Nachfolger" nennt er sie und schildert anschaulich, wie ein Riss durch die Stadt an der polnischen Grenze geht: "Es gab engagierte Menschen, die sich mit Vehemenz gegen die (…) Rechtsradikalen stemmten. Es gab Menschen, die den Medien die Schuld in die Schuhe schoben und den Opfern der Neonazis (…). Und es gab die schweigende Mehrheit, die von alldem nichts wissen wollte." Bis 2010 hält er die rassistischen Anfeindungen aus, dann kapituliert er und zieht nach Karlsruhe.
"Ich wollte leben wie die Götter" ist das Buch eines Autors, dem das eigene Scheitern im Kampf gegen Rassismus zusetzt. Nicht Alberto, sondern deutsche Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker sollten sich schämen, weil sie zu wenig unternommen haben, um einem schwarzen Deutschen ein normales ­Leben möglich zu machen.

Ibraimo Alberto, in Zusammenarbeit mit Daniel Bachmann: Ich wollte leben wie die Götter. Was in Deutschland aus meinen afrikanischen Träumen wurde. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2014. 256 Seiten, 14,99 Euro.

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