Amnesty Report 23. Mai 2018

Kongo (Republik) 2017/18

Report Cover 17/18

Dutzende Oppositionspolitiker blieben 2017 in Haft; einige von ihnen waren gewaltlose politische Gefangene. Vorwürfe, denen zufolge Sicherheitskräfte und Gefängniswärter Gefangene folterten und auf andere Weise misshandelten, wurden nicht untersucht. Im Departement Pool hielt der bewaffnete Konflikt zwischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppen an. Etwa 81000 Binnenvertriebene aus der Region lebten nach wie vor unter katastrophalen Bedingungen. Die Rate akut unterernährter Menschen stieg auf ein alarmierendes Niveau.

Hintergrund

2017 führte die Regierung im Departement Pool im Südosten des Landes Militäroperationen durch und flog u. a. Luftangriffe. Durch Restriktionen der Regierung und die anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen war es schwierig, in die Region zu gelangen.

Bei den Parlamentswahlen im Juli 2017 gewann die Kongolesische Arbeiterpartei (Parti Congolais du Travail) 90 der 151 Abgeordnetenmandate in der Nationalversammlung. Im Departement Pool wurden die Wahlen wegen des Konflikts auf unbestimmte Zeit verschoben. Am 23. Dezember unterzeichneten die Regierung und die von Frédéric Bintsmou (auch bekannt als Pastor Ntumi) geführten bewaffneten Gruppen in Pool ein Waffenstillstandsabkommen.

Am 31. März 2017 ratifizierte die Republik Kongo die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen.

Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Die Behörden nutzten restriktive Vorschriften über Zusammenkünfte und Versammlungen in der Öffentlichkeit, um das Recht auf Versammlungsfreiheit einzuschränken. Am 23. März lehnte der Präfekt der Hauptstadt Brazzaville einen Antrag auf Durchführung einer friedlichen Demonstration der Menschenrechtsplattformen Observatoire Congolais des Droits de l’Homme, Association pour les Droits de l’Homme et l’Univers Carcéral und Forces Unies pour la Liberté et la Démocratie ab. Die Organisationen hatten dem Premierminister während der Demonstration ein Schreiben übergeben wollen, in dem sie ihre Sorge über die Menschenrechtssituation im Land äußerten.

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war eingeschränkt. Am 11. Januar 2017 wurde Ghys Fortuné Dombé Bemba, Herausgeber der Zeitung Talassa, von der Kriminalpolizei unter dem Vorwurf der "Beteiligung an der Untergrabung der Staatssicherheit" einbestellt. Zu der Vorladung kam es, nachdem er eine Erklärung von Pastor Frédéric Ntumi, dem Anführer der im Departement Pool operierenden bewaffneten Gruppe Ninja, veröffentlicht hatte. 

Gewaltlose politische Gefangene

Im November endete die zweijährige Gefängnisstrafe von Paulin Makaya, die wegen Teilnahme an einem nichtgenehmigten Protest gegen ihn verhängt worden war. Ende des Jahres befand er sich jedoch nach wie vor in Haft, weil am 6. Januar 2017 weitere Anklagepunkte gegen ihn erhoben worden waren. Dazu zählten "Untergrabung der nationalen Sicherheit, Beihilfe zum Ausbruch sowie rechtswidriger Waffen- und Munitionsbesitz". Die Vorwürfe bezogen sich auf eine Schießerei im Zentralgefängnis von Brazzaville im Dezember 2016, an der er laut Zeugen nicht beteiligt war. 

Politische Gefangene

Die Prozesse gegen führende Oppositionspolitiker und -mitglieder, die 2015 festgenommen worden waren, weil sie sich gegen Verfassungsänderungen ausgesprochen und die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl angezweifelt hatten, kamen kaum voran.

Nach Angaben der oppositionellen Plattform Initiative pour la Démocratie au Congo-Front républicain pour le Respect de l’Ordre Constitutionnel et l’Alternance Démocratique (IDC-FROCAD) waren im Zentralgefängnis von Brazzaville Ende 2017 mehr als 100 politische Gefangene inhaftiert. Menschenrechtsorganisationen vor Ort erstellten eine Liste der Namen von 90 im Jahr 2017 inhaftierten politischen Gefangenen. Unter ihnen waren Okouya Rigobert von der politischen Gruppe Convention d’Action pour la Démocratie et le Développement (CADD), der Präsidentschaftskandidat und ehemalige General Jean-Marie Michel Mokoko sowie Jean Ngouabi aus dem Wahlkampfteam von Mokoko. Im Januar 2017 wurde André Okombi Salissa vom Geheimdienst Direction générale de la surveillance du territoire festgenommen und inhaftiert, nachdem er fast ein Jahr untergetaucht war.

Im selben Monat wurde auch Noël Mienanzambi Boyi, Vorsitzender des Vereins für Friedenskultur und Gewaltfreiheit (Association pour la Culture de la Paix et de la Non-Violence) und Moderator bei einem lokalen Radiosender in Kinkala, der Hauptstadt des Departements Pool, festgenommen. Die Behörden erklärten, er habe Arznei- und Lebensmittel zu Pastor Ntumi gebracht, und klagten ihn der "Mittäterschaft bei der Untergrabung der staatlichen Sicherheit" an. Lokale NGOs berichteten, er sei festgenommen worden, nachdem er sich auf Bitten der Regierung bereit erklärt hatte, zwischen den staatlichen Stellen und Pastor Ntumi zu vermitteln. Sie erhoben außerdem den Vorwurf, Noël Mienanzambi Boyi sei in mehreren Hafteinrichtungen gefoltert worden, bevor er im Juni 2017 ins Zentralgefängnis von Brazzaville überstellt wurde. Dort war er Ende 2017 immer noch inhaftiert.

Folter und andere Misshandlungen

Bei Amnesty International gingen mehrere Berichte über Folter und andere Misshandlungen durch die Sicherheitskräfte ein. Diese Vorwürfe zogen weder Ermittlungen noch strafrechtliche Verfahren seitens der Behörden nach sich.

Modeste Boukadia, Vorsitzender der Oppositionspartei Cercle des Démocrates et Républicains du Congo,wurde am 24. Januar 2017 in die Klinik Guénin in Pointe Noire eingewiesen, damit die Verletzungen behandelt werden konnten, die er erlitten hatte, als ihn Gefängniswärter im November 2016 im Gefängnis von Pointe Noire mit Schlägen misshandelt hatten. Als Folge der Misshandlung hatte er zwei Knochenbrüche, litt unter Bluthochdruck und Herzproblemen.

Binnenvertriebene

Aufgrund der Kämpfe zwischen Regierungseinheiten und der bewaffneten Gruppe Ninja floh etwa ein Drittel der Bevölkerung des Departements Pool aus ihren Heimatregionen. Die Zahl der Binnenvertriebenen wurde auf 81000 geschätzt; 59000 von ihnen wurden allein 2017 als Vertriebene registriert. Die Vertriebenen waren dringend auf Unterkünfte, Nahrungsmittel, Wasser, medizinische Grundversorgung und angemessene sanitäre Einrichtungen angewiesen. Sie mussten in den Gemeinden, die sie aufnahmen, in Gastfamilien, auf Kirchengelände, in öffentlichen Gebäuden oder in überfüllten provisorischen Lagern leben.

Flüchtlinge und Asylsuchende

Der Flüchtlingsstatus von etwa 10000 Flüchtlingen aus Ruanda sollte am 31. Dezember 2017 auf der Grundlage der Beendigungsklausel für ruandische Flüchtlinge enden, da Ruanda als sicheres Herkunftsland galt. Einigen Flüchtlingen könnte es möglicherweise erlaubt werden, sich zwischen einer freiwilligen Rückkehr nach Ruanda oder der Niederlassung in ihrem Gastland zu entscheiden bzw. den Flüchtlingsstatus zu behalten, sofern sie bestimmte Kriterien erfüllen.

Recht auf Nahrung

Nach Angaben der UN waren im Departement Pool 138000 Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, und die Ernährung von mehr als 50 % der Familien war nicht sichergestellt.

Die Rate der akuten Unterernährung lag bei den aus Pool vertriebenen Kindern unter fünf Jahren zwischen 17,3 % und 20,4 %. Diese Rate ist ein Indikator für die Ernährungslage bei lang andauernden Flüchtlingssituationen.

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