Amnesty Report Usbekistan 23. Mai 2013

Usbekistan 2013

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Usbekistan Staatsoberhaupt: Islom Karimov Regierungschef: Shavkat Miriziyoye

Das Recht auf freie Meinungsäußerung war 2012 stark eingeschränkt. Menschenrechtsverteidiger und Journalisten wurden weiterhin schikaniert, geschlagen, strafrechtlich verfolgt und inhaftiert. Zwei Menschenrechtsverteidiger kamen aus humanitären Gründen vorzeitig frei, mindestens zehn weitere blieben jedoch in Haft, teilweise unter grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen. Anlass zur Sorge bot weiterhin der häufige Einsatz von Folter und anderen Misshandlungen, um "Geständnisse" zu erpressen. Dies betraf insbesondere Personen, die verdächtigt wurden, mit verbotenen religiösen Gruppen in Verbindung zu stehen.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Menschenrechtsverteidiger und Journalisten wurden von den Behörden weiterhin schikaniert, unter Druck gesetzt und von Sicherheitsbeamten in Uniform oder in Zivil regelmäßig beschattet. Sie wurden zu Verhören einbestellt, unter Hausarrest gestellt und daran gehindert, an friedlichen Kundgebungen teilzunehmen oder sich mit ausländischen Diplomaten zu treffen. Einige der Betroffenen berichteten, sie seien von Polizisten oder mutmaßlichen Mitarbeitern der Sicherheitsdienste geschlagen worden, um sie davon abzuhalten, über Menschenrechtsverletzungen zu berichten oder die Behörden zu kritisieren.

  • Die gewaltlosen politischen Gefangenen und Menschenrechtsverteidiger Alisher Karamatov und Khabibulla Akpulatov kamen im April bzw. Juli 2012 frei, nachdem sie fast sechs bzw. sieben Jahre im Gefängnis verbracht hatten. Sie waren 2005 bzw. 2006 nach unfairen Gerichtsverhandlungen wegen "Verleumdung" und "Erpressung" verurteilt worden.

  • Die Leiterin der Zweigstelle der unabhängigen Menschenrechtsgesellschaft von Usbekistan in der Provinz Qashqadaryo, Gulshan Karaeva, wurde im Mai in einem Geschäft in der Stadt Qarshi von zwei Frauen angegriffen. Außerdem besprühte man ihr Haus mit Graffiti. Sie hatte zuvor öffentlich gemacht, dass sie eine Anfrage des Nationalen Sicherheitsdienstes (SNB), als Informantin tätig zu sein, abgelehnt habe. Am 27. September nahm man sie in der örtlichen Polizeistation in Gewahrsam und teilte ihr mit, die beiden Frauen, die sie im Mai angegriffen hatten, hätten sie wegen "Beleidigung" und "Beschimpfung" angezeigt. Im Falle einer Verurteilung hätten ihr bis zu vier Jahre Haft gedroht. Am 13. Dezember kam sie aufgrund einer Amnestie des Präsidenten frei, und das Verfahren gegen sie wurde eingestellt. Auch Familienangehörige sowie Kolleginnen und Kollegen von Gulshan Karaeva waren Schikanen, Beschimpfungen und tätlichen Angriffen ausgesetzt. Im Juli überfielen zwei Nachbarinnen Gulshan Karaevas Bruder und seine Frau und schlugen die beiden sowie deren neunjährige Tochter. Die Nachbarinnen warfen ihnen vor, mit Volksfeinden verwandt zu sein. Dabei bezogen sie sich auf Gulshan Karaeva und den älteren Bruder Tulkin Karaev, der als politischer Flüchtling in Schweden lebt. Im August wurden Gulshan Karaevas Bruder und seine Frau auf die lokale Polizeiwache einbestellt und im Zusammenhang mit dem Überfall mit einer Strafanzeige bedroht.

Folter und andere Misshandlungen

Folter und Misshandlung von Inhaftierten durch die Sicherheitskräfte und das Gefängnispersonal waren weiterhin an der Tagesordnung. Im Laufe des Jahres 2012 trafen zahlreiche Berichte über Folter und andere Misshandlungen ein. Besonders betroffen waren Männer und Frauen, die der Mitgliedschaft in islamischen Bewegungen und islamistischen Gruppen und Parteien oder anderen in Usbekistan verbotenen religiösen Gruppen verdächtigt wurden oder deshalb verurteilt worden waren. Wie in den Vorjahren wurden diese Berichte und die bei der Generalstaatsanwaltschaft eingereichten Beschwerden nicht unverzüglich, gründlich und unparteiisch untersucht.

  • Im Februar 2012 wurden zwölf türkische Geschäftsleute nach einer im Dezember 2011 vom Präsidenten verfügten Amnestie aus der Haft entlassen und in die Türkei abgeschoben. Sie waren 2011 zusammen mit 42 weiteren türkischen Geschäftsleuten wegen verschiedener Wirtschaftsdelikte, darunter Steuerhinterziehung, zu zwei- bis dreijährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Eine im staatlichen Fernsehen ausgestrahlte Dokumentation zeigte, wie einige der verurteilten Geschäftsleute angeblich "gestanden", Wirtschaftsdelikte begangen zu haben. In der Dokumentation wurde auch behauptet, die Männer hätten Verbindungen zur verbotenen islamischen Bewegung Nurchilar. Einer der Männer, der ehemalige Generaldirektor des Turkuaz-Einkaufszentrums in Taschkent, Vahit Güne, leitete nach seiner Rückkehr in die Türkei rechtliche Schritte gegen die usbekischen Behörden ein. Seinen Angaben zufolge wurden er und andere Personen im Gewahrsam des SNB gefoltert, um sie zu zwingen, falsche "Geständnisse" zu unterzeichnen. Außerdem sei ihnen nicht erlaubt worden, ihre Rechtsbeistände selbst zu wählen. Er gab darüber hinaus an, andere Personen seien in der Untersuchungshaft gefoltert worden und einige von ihnen seien an den Folgen gestorben. Nach seiner Rückkehr in die Türkei kam Vahit Güne wegen seiner Verletzungen in ärztliche Behandlung. Er berichtete auch, dass der Geschäftsmann Hairetdin Öner zwei Monate nach seiner Freilassung aus dem Gefängnis noch immer im Krankenhaus gewesen sei, um seine körperlichen Verletzungen und psychischen Traumata behandeln zu lassen.

  • Im August 2012 berichtete Gulchehra Abdullaeva, ein Mitglied der Zeugen Jehovas, dass sie auf einer Polizeiwache in Hazorasp gefoltert worden sei. Sie sollte "gestehen", dass sie verbotene religiöse Literatur nach Usbekistan geschmuggelt habe, was sie jedoch bestritt. Polizeibeamte hatten sie im Juli willkürlich festgenommen, nachdem sie von einer Reise nach Kasachstan zurückgekehrt war. Sie sagte, man habe sie gezwungen, stundenlang ohne Nahrung und Wasser aufrecht zu stehen. Außerdem habe man ihr eine Gasmaske über den Kopf gestülpt und die Luftzufuhr unterbrochen, um sie zu ersticken. Sie musste eine Erklärung unterschreiben, in der sie "zugab", an verbotenen religiösen Aktivitäten beteiligt gewesen zu sein, danach kam sie frei. Am 28. Juli sprach sie das Bezirksgericht von Hazorasp schuldig, "privaten Religionsunterricht" erteilt zu haben, und verurteilte sie zu einer Geldstrafe. Gulchehra Abdullaeva legte gegen das Urteil Rechtsmittel ein und erhob bei den Behörden eine offizielle Beschwerde. Die zuständigen Beamten lehnten es jedoch ab, auf ihre Beschwerde zu reagieren oder diesbezügliche Untersuchungen einzuleiten.

Antiterrormaßnahmen und Sicherheit

Unter Verweis auf die Sicherheit und den Antiterrorkampf bemühten sich die Behörden weiterhin um die Auslieferung mutmaßlicher Mitglieder islamischer Bewegungen und islamistischer Gruppen und Parteien, die in Usbekistan verboten sind. Sie beantragten auch die Auslieferung politischer Gegner, Regierungskritiker und wohlhabender Personen, die beim Regime in Ungnade gefallen waren. Viele dieser Auslieferungsanträge basierten auf fingiertem oder unzuverlässigem "Beweismaterial". Die Regierung bot den Staaten, die sie um Auslieferung bat, im Gegenzug "diplomatische Zusicherungen" an, um die Rückführung abzusichern, und versprach unabhängigen Kontrolleuren und Diplomaten Zugang zu den Haftzentren. In der Praxis wurden diese Versprechen jedoch nicht eingehalten. Die nach Usbekistan zwangsweise zurückgeführten Personen wurden ohne Kontakt zur Außenwelt inhaftiert und erlitten Folter und andere Misshandlungen. Nach unfairen Gerichtsverhandlungen verbüßten sie lange Gefängnisstrafen unter grausamen, unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen. Den Behörden wurde darüber hinaus vorgeworfen, sie hätten versucht, im Ausland lebende politische Oppositionelle zu ermorden.

  • Am 22. Februar 2012 schoss ein Unbekannter den seit 2006 als Flüchtling in Schweden lebenden Imam Obidkhon Nazarov vor dessen Haus in den Kopf. Obidkhon Nazarov liegt seither im Koma. Er war ein bekannter oppositioneller Imam, der die usbekischen Behörden häufig öffentlich dafür kritisiert hatte, dass sie unabhängige muslimische Gruppen unterdrückten. Er war im Jahr 2000 aus Usbekistan geflohen, im Jahr 2005 jedoch beschuldigt worden, die Proteste in Andischan organisiert zu haben und für die anschließenden gewaltsamen Vorfälle verantwortlich zu sein. Die Behörden hatten sich seither um seine Auslieferung bemüht und ihn als Sicherheitsrisiko für Usbekistan bezeichnet. In dem Gerichtsverfahren nach dem versuchten Mord stellte der schwedische Richter fest, Obidkhon Nazarov sei höchstwahrscheinlich wegen seiner politischen Überzeugungen von einer aus dem Ausland stammenden Gruppe angegriffen worden. Der Staatsanwalt beschuldigte die usbekischen Behörden, das Attentat organisiert zu haben. Der Rechtsbeistand der Familie von Obidkhon Nazarov und viele seiner Anhänger machten den SNB für den Anschlag verantwortlich.

  • Am 20. September 2012 lieferte die Ukraine Ruslan Suleymanov an Usbekistan aus. Er war im November 2010 in die Ukraine gezogen, da er in Usbekistan einen unfairen Gerichtsprozess sowie möglicherweise Folter und Misshandlung befürchtete. Er war Manager in einer privaten Baufirma in Usbekistan, als diese 2008 Ziel einer Übernahme durch konkurrierende Firmen wurde. Als sich die Firma weigerte, die Anteile auszuhändigen, wurde sie von Sicherheitsdiensten durchsucht. Gegen das Führungspersonal, darunter Ruslan Suleymanov, wurden Ermittlungen wegen Wirtschaftsdelikten eingeleitet. Nach einem Auslieferungsantrag Usbekistans wurde Ruslan Suleymanov im Februar 2011 in der Ukraine verhaftet. Obwohl der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge (UNHCR) ihn im Mai als Flüchtling anerkannt hatte und sich um seine Ansiedlung in einem Drittland bemühte, brachten usbekische Beamte ihn aus der Ukraine nach Usbekistan zurück. Seine Familie berichtete im November, dass er sich in Taschkent in Untersuchungshaft befinde.

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