Amnesty Report Mazedonien 27. Mai 2013

Mazedonien

Amtliche Bezeichnung:
 Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien
Staatsoberhaupt: Gjorgje Ivanov
Regierungschef: Nikola Gruevski

Die Beziehungen zwischen den Bevölkerungsgruppen der ethnischen Mazedonier und der ethnischen Albaner verschlechterten sich. Den Angehörigen vermisster Personen, die 2001 entführt worden waren, wurde eine juristische Aufarbeitung des Falls verwehrt. Die Haftbedingungen erfüllten nicht einmal die Mindeststandards.

Hintergrund

Die Europäische Kommission empfahl im Oktober 2012 erneut, EU-Beitrittsverhandlungen mit Mazedonien aufzunehmen. Der EU-Ministerrat verschob die Gespräche jedoch ein weiteres Mal, zum Teil wegen des anhaltenden Streits mit Griechenland über den Staatsnamen.

Die Beziehungen zwischen ethnischen Mazedoniern und ethnischen Albanern verschlechterten sich noch weiter. Ein ethnisch mazedonischer Polizist erschoss im Februar 2012 in Gostivar außerhalb seiner Dienstzeit zwei ethnische Albaner. Im März wurden mehrere ethnisch motivierte Angriffe aus Tetovo und aus der Hauptstadt Skopje gemeldet. Nachdem fünf ethnisch mazedonische Männer am Smilkovci-See außerhalb von Skopje getötet worden waren, nahm die Polizei im Mai bei Razzien 20 ethnische Albaner fest. Gegen fünf Männer wurde Anklage wegen Mord und Terrorismus erhoben. Tausende ethnische Albaner protestierten gegen die Festnahmen und dagegen, dass die Behörden die Männer als Terroristen darstellten.

Die Regierungspartei VMRO-DPMNE (Innere Mazedonische Revolutionäre Organisation – Demokratische Partei für die Nationale Einheit Mazedoniens) brachte im August 2012 einen Gesetzentwurf ins Parlament ein, der für mazedonische Militärangehörige und Polizeikräfte, die im bewaffneten Konflikt von 2001 gekämpft und Verluste erlitten hatten, Entschädigungen vorsah. Auch deren Angehörige sollten anspruchsberechtigt sein. Im Oktober lehnte der kleinere Koalitionspartner der VMRO-DPMNE, die ethnisch albanische Partei Demokratische Union für Integration (DUI), den Gesetzentwurf ab, weil er keine Entschädigung für die Kämpfer der Nationalen Befreiungsarmee (UÇK) vorsah. Die UÇK war eine bewaffnete Gruppe, die gegen die Regierungstruppen gekämpft hatte.

Strafverfolgung von Kriegsverbrechen

Im Oktober 2012 wies das Verfassungsgericht eine Beschwerde ab, die Angehörige von Mazedoniern eingereicht hatten, die dem Vernehmen nach im Jahr 2001 von der UÇK entführt worden waren. Gegenstand der Beschwerde war die vom Parlament im Juli 2001 gebilligte neue Auslegung des Amnestiegesetzes von 2002. Gemäß der neuen Auslegung hatte der Staatsanwalt vier Fälle von Kriegsverbrechen für nichtig erklärt, die der Internationale Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) zur weiteren Verfolgung an Mazedonien zurückverwiesen hatte. Dazu zählten auch die Anklagen, die sich auf die Entführungen bezogen.

Folter und andere Misshandlungen

Vorwürfe über Folter und andere Misshandlungen in Polizeigewahrsam rissen nicht ab. Sie wurden auch von zwei Männern erhoben, die man nach den Morden am Smilkovci-See festgenommen hatte. Im Mai 2012 berichtete die Ombudsstelle in ihrer Funktion als Nationaler Präventionsmechanismus zum Schutz vor Folter, die Haftbedingungen in den Polizeistationen hätten 2011 nicht einmal den Mindeststandards entsprochen. Dies gelte in besonderem Maße für Jugendliche, die unter unmenschlichen und "zutiefst entwürdigenden" Bedingungen in Einzelhaft gehalten würden. Außerdem hätten die Inhaftierten nur selten Zugang zu einem Rechtsanwalt oder Arzt. Im Dezember berichtete der Ausschuss des Europarats zur Verhütung von Folter, dass die Behörden nur geringe Fortschritte bei der Umsetzung früherer Empfehlungen gemacht hätten. Vor allem im Gefängnis Idrizovo würden Misshandlungen durch das Personal und Einschüchterungen und Gewalt durch Mitgefangene fortbestehen und die Haftbedingungen seien dort nach wie vor "absolut mangelhaft".

Rechtswidrige Tötung

Im Januar 2012 wurde Igor Spasov, ein Angehöriger einer Sondereinheit der Polizei, wegen des Mordes an Martin Neskovski schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Martin Neskosvki war bei einer Veranstaltung nach den Parlamentswahlen 2011 zu Tode geprügelt worden.

Recht auf freie Meinungsäußerung

In Abstimmung mit dem Mazedonischen Journalistenverband wurde 2012
ein Gesetzentwurf zur Entkriminalisierung von Verleumdung und übler Nachrede fertiggestellt. Einige Journalisten und Medienschaffende kritisierten jedoch die neuen Bußgelder, die die bisherigen Haftstrafen ersetzen sollen, da diese ihrer Ansicht nach zu einer Selbstzensur der Medien führen könnten. Der Gesetzentwurf sieht eine Geldstrafe von bis zu 2000 Euro für den Verfasser eines Textes vor, 10000 Euro für den Redakteur, der ihn veröffentlicht, sowie 15000 Euro für den Eigentümer des betreffenden Medienunternehmens.

Diskriminierung

Die Regierung unternahm nichts, um das Antidiskriminierungsgesetz von 2010
so abzuändern, dass es auch den Schutz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgendern und Intersexuellen vor Diskriminierung umfasst. Im Oktober 2012 äußerte sich der Minister für Arbeit und Soziales diskriminierend über Homosexuelle. Kurz darauf wurde ein Zentrum angegriffen, das eine NGO eingerichtet hatte, um sexuelle Minderheiten zu unterstützen.

Roma
Mazedonien hatte zwar bis Juli 2012 den Vorsitz der "Dekade der Roma-Integration" inne, stellte jedoch nicht die notwendigen Mittel zur Verfügung, um seinen eigenen Nationalen Aktionsplan und die Nationale Strategie zur Förderung von Roma-Frauen und Mädchen umzusetzen.

Flüchtlinge, Asylsuchende
und Migranten

Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) befanden sich weiterhin 1087 Flüchtlinge in Mazedonien, bei denen es sich hauptsächlich um Roma und Aschkali aus dem Kosovo handelte. Da für sie keine dauerhafte Lösung in Sicht war, kehrten 30 von ihnen freiwillig in den Kosovo und 14 nach Serbien zurück.

Auf Drängen der EU beschränkte die Regierung das Recht, das Land zu verlassen. Grenzbeamte nahmen vor allem Roma und ethnische Albaner ins Visier, deren Pässe gekennzeichnet wurden, um sie an einer erneuten Ausreise zu hindern. Zwischen Januar und Oktober 2012 beantragten 8115 mazedonische Staatsbürger Asyl in Ländern der Europäischen Union; weniger als 1% wurden als schutzbedürftig anerkannt. Österreich und die Schweiz führten für mazedonische Staatsbürger ein beschleunigtes Asylverfahren ein.

In Mazedonien beantragten 638 Personen Asyl, doch wurden alle Anträge abgelehnt.

Antiterror- und Sicherheitsmaßnahmen

Im Dezember 2012 stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einstimmig fest, dass Mazedonien für die Menschenrechtsverletzungen, die der deutsche Staatsangehörige Khaled el-Masri erleiden musste, verantwortlich war. Khaled el-Masri war 2003 von den mazedonischen Behörden entführt und 23 Tage lang ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten worden. Anschließend war er an die US-Behörden überstellt und nach Afghanistan ausgeflogen worden. Der Gerichtshof machte Mazedonien für die rechtswidrige Inhaftierung von Khaled el-Masri, für sein Verschwindenlassen sowie für die ihm zugefügte Folter und andere Misshandlungen haftbar. Zugerechnet wurde Mazedonien auch Khaled el-Masris Überstellung an Orte, an denen er weitere schwere Menschenrechtsverletzungen erlitt, und die mangelhafte nachträgliche Untersuchung des Vorgangs. Es war das erste Mal, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Falle eines Opfers des US-Programms für außerordentliche Überstellungen und Geheimgefängnisse ein Urteil fällte.

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