Amnesty Report 11. Mai 2011

Guinea-Bissau 2011

 

Amtliche Bezeichnung: Republik Guinea-Bissau Staatsoberhaupt: Malam Bacai Sanhá Regierungschef: Carlos Gomes Júnior Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 1,6 Mio. Lebenserwartung: 48,6 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 207/186 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 51%

Aufgrund des anhaltenden Konflikts zwischen dem Militär und der zivilen Führung war die politische Situation des Landes nach wie vor instabil. Auseinandersetzungen innerhalb der zivilen Führung und Konflikte in den Reihen der Streitkräfte verstärkten diese Instabilität noch. Die Spannungen erhöhten sich nach einer Militärrevolte im April 2010. Angehörige der Streitkräfte waren für Menschenrechtsverletzungen wie Folter sowie willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen verantwortlich. Niemand wurde für die politischen Morde und Folterungen, die 2009 begangen worden waren, strafrechtlich belangt.

Hintergrund

Die Regierung unterzeichnete im Januar ein Abkommen mit den USA, das eine Zusammenarbeit zwischen einem Staatsanwalt aus den USA und dem Generalstaatsanwalt von Guinea-Bissau vorsieht, um Drogenhandel und andere Verbrechen zu bekämpfen. Bis Ende 2010 hatten die USA jedoch noch keinen Staatsanwalt entsandt.

Im Februar 2010 wurden der ehemalige Minister für Fischerei und drei Ministerialbeamte wegen Veruntreuung angeklagt. Das Verfahren war Ende des Jahres noch nicht abgeschlossen. Offenbar war die Nationalversammlung nicht bereit, die parlamentarische Immunität eines der Angeklagten aufzuheben. Im April 2010 setzte der stellvertretende Generalstabschef António Indjai den Generalstabschef Admiral Zamora Induta ab und nahm ihn fest. General António Indjai brachte vorübergehend auch den Regierungschef Carlos Gomes Júnior in seine Gewalt und drohte mit dessen Ermordung, falls die Demonstrierenden, die zur Unterstützung des Ministerpräsidenten auf die Straße gegangen waren, ihre Proteste fortsetzen würden. Gleichzeitig stürmten Soldaten auf Geheiß des Generals das UN-Hauptquartier in der Hauptstadt Bissau und "befreiten" den ehemaligen Marinechef Vizeadmiral Bubo Na Tchuto. Bubo Na Tchuto war 2008 nach einem Putschversuch, als dessen Anführer er galt, nach Gambia geflüchtet. Im Dezember 2009 war er jedoch freiwillig zurückgekehrt und hatte in dem UN-Gebäude Zuflucht gesucht. Im Oktober wurde er erneut zum Oberbefehlshaber der Marine berufen. Im Juni setzte Präsident Malam Bacai Sanhá Admiral Zamora Induta als Generalstabschef der Streitkräfte ab und ersetzte ihn durch General António Indjai. Die Ernennung von General Indjai und die Wiedereinsetzung von Vizeadmiral Bubo Na Tchuto als Marinechef stieß im In- und Ausland auf heftige Kritik.

Im Mai 2010 bewertete der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen der Universellen Regelmäßigen Überprüfung (UPR) die Lage der Menschenrechte in Guinea-Bissau. Im September wurde der Abschlussbericht des Menschenrechtsrats vorgelegt. Die Regierung lehnte fünf Empfehlungen ab, darunter solche, in denen es um eine strafrechtliche Verfolgung der von der Armee begangenen Menschenrechtsverletzungen ging. Die Regierung sagte u.a. zu, Genitalverstümmelung möglicherweise unter Strafe zu stellen. Doch soll dies erst nach einer öffentlichen Aufklärungskampagne geschehen.

Die Nationalversammlung verabschiedete im Mai eine Reihe von Gesetzen. Dazu zählten Gesetze über die Nationalgarde, die Sicherheitspolizei und die Geheimdienste sowie Änderungen am Gesetz über die Streitkräfte.

Im September zog die Europäische Union ihre Mission zur Unterstützung der Reform des Sicherheitssektors in Guinea-Bissau ab. Die Experten hatten ihre Arbeit 2008 aufgenommen. Die EU begründete den Abzug mit der politischen Instabilität des Landes und dem mangelnden Respekt für die Rechtsstaatlichkeit.

Im November ratifizierte Guinea-Bissau das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung und den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte. Die Übereinkommen sollen am 1. Dezember 2010 bzw. am 1. Februar 2011 in Kraft treten.

Straflosigkeit

Die Ermittlungen bezüglich der im März und Juni 2009 verübten politischen Morde kamen nicht voran. Es fehlte offenbar an Mitteln, um Zeugen zu befragen, die sich außer Landes befanden. Angehörige der Streitkräfte verübten nach wie vor Menschenrechtsverletzungen, ohne dafür strafrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.

Willkürliche Festnahmen und Haft

Sechs Armeeangehörige, unter ihnen eine Frau, die im Zusammenhang mit der Ermordung des ehemaligen Generalstabschefs General Tagme Na Waie im März 2009 festgenommen worden waren, hatten 20 Monate ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Anklageerhebung in Haft verbracht, bis sie im Dezember 2010 freikamen. Bis Ende des Jahres war weder Anklage gegen sie erhoben noch ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden. Nach vorliegenden Informationen untersagte man ihnen, das Land zu verlassen.

Im April 2010 nahm General António Indjai den Generalstabschef der Streitkräfte, Admiral Zamora Induta, fest und beschuldigte ihn, am Verschwindenlassen von Drogen beteiligt gewesen zu sein, die bei einer Razzia beschlagnahmt worden waren. Es gab jedoch auch Berichte, wonach die Festnahme von Admiral Zamora Induta in Zusammenhang mit einer Untersuchung stand, die dieser im März veranlasst hatte. Darin ging es um die Beteiligung hochrangiger Armeeoffiziere an Drogengeschäften. General António Indjai nahm auch den Chef des militärischen Geheimdienstes, Oberst Samba Djaló, fest. Der General warf ihm vor, die Arbeit politischer Parteien behindert zu haben. Die beiden Festgenommenen sollen während ihrer Haft in der Kaserne von Mansôa gefoltert worden sein. Das Oberste Militärgericht ordnete im September an, die Männer gegen Auflagen freizulassen. Sie kamen jedoch erst Mitte Dezember 2010 frei, ohne dass Anklage gegen sie erhoben worden war. Weitere Ermittlungen waren anhängig.

Folter und andere Misshandlungen

  • Im Juli 2010 starb Fernando Té in einem Krankenhaus, nachdem er wenige Tage zuvor in Bissau von Polizisten des fünften Polizeireviers festgenommen und geschlagen worden war. Wie aus Berichten hervorging, wurde er nach einem Streit mit einem Ladenbesitzer festgenommen und auf die Polizeiwache gebracht. Dort wurde er geschlagen, bevor man ihn einige Stunden später ohne Anklage wieder freiließ. Die beteiligten Polizeibeamten wurden zwei Tage nach seinem Tod inhaftiert. Bis Jahresende waren sie offenbar jedoch weder angeklagt noch vor Gericht gestellt worden.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Gewalt gegen Frauen und Mädchen war 2010 nach wie vor weit verbreitet, dazu zählten auch Zwangs- und Frühverheiratungen.

  • In einem Dorf in der Region Tombali im Süden des Landes wurde ein 15-jähriges Mädchen im April zu Tode geprügelt, weil es sich weigerte, einen wesentlich älteren Mann zu heiraten. Das Mädchen, das zunächst ausgerissen war, um der Heirat zu entgehen, wurde von den Frauen des Dorfs während der Hochzeitsfeierlichkeiten getötet. Der Fall wurde zwar an die Generalstaatsanwaltschaft übergeben, Festnahmen gab es jedoch keine.

  • Im März wurden Mitglieder der evangelikalen Kirche in der Region Tombali von Dorfbewohnern verprügelt, weil sie ca. 20 Mädchen zwischen 14 und 16 Jahren aufgenommen hatten, die weggelaufen waren, um der Zwangsheirat mit älteren Männern zu entgehen.

  • Im August wurden in einem anderen Dorf in der Region Tombali ein Mädchen und zwei Frauen der Familie von männlichen Verwandten geschlagen. Das Mädchen war einem älteren Mann zur Ehe versprochen worden. Die beiden weiblichen Familienmitglieder hatten sich jedoch der Eheschließung widersetzt mit der Begründung, dass das Mädchen noch nicht volljährig sei. Trotz einer Anzeige bei der Polizei wurden keine Ermittlungen aufgenommen.

Amnesty International: Missionen

Delegierte von Amnesty International unternahmen im März und im Oktober Recherchereisen nach Guinea-Bissau.

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