Amnesty Report Timor-Leste 20. Mai 2010

Timor-Leste 2010

Amtliche Bezeichnung: Demokratische Republik Timor-Leste Staatsoberhaupt: José Manuel Ramos-Horta Regierungschef: Kay Rala Xanana Gusmão Todesstrafe: für alle Straftaten abgeschafft Einwohner: 1,1 Mio. Lebenserwartung: 60,7 Jahre Kindersterblichkeit (m/w): 92/91 pro 1000 Lebendgeburten Alphabetisierungsrate: 50,1%

Die Verantwortlichen für schwere Menschenrechtsverletzungen, welche im Zusammenhang mit dem Unabhängigkeitsreferendum von 1999 und in den vorhergehenden 24 Jahren indonesischer Besatzung begangen worden waren, genossen weiter Straffreiheit. Das Justizsystem war nach wie vor schwach und der Zugang zu den Gerichten eingeschränkt. Polizei und Sicherheitskräfte wandten auch 2009 in unangemessener Weise Gewalt an. Im häuslichen Umfeld war Gewalt gleichfalls noch immer weit verbreitet.

Hintergrund

Im Februar 2009 beschloss der UN-Sicherheitsrat einstimmig, das Mandat der UN-Mission in Timor-Leste (UNMIT) um ein weiteres Jahr zu verlängern. Im September wurde eine Nationale Kommission für die Rechte des Kindes eingerichtet. Im selben Monat unterzeichnete die Regierung das Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Alle 65 Lager für Binnenvertriebene wurden im Laufe des Jahres geschlossen, doch mussten rund 100 Familien weiter in Behelfsunterkünften leben.

Justiz

Im Juni trat in Timor-Leste ein neues Strafgesetzbuch in Kraft, in das auch die Bestimmungen des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs Eingang fanden. Diese gesetzgeberische Maßnahme reichte jedoch nicht aus, um die Straffreiheit für die Verbrechen der Vergangenheit zu beenden. Nach dem neuen Gesetz ist Abtreibung in den meisten Fällen als Straftat zu ahnden. Ein im Juli verabschiedetes Zeugenschutzgesetz wies gravierende Mängel auf. So ist z. B. der Begriff "Zeuge" so definiert, dass die Opfer der Straftaten nicht darunter fallen. Obwohl die Zahl der Richter und Anwälte in den Bezirken aufgestockt wurde, war der Zugang zu den Gerichten auch 2009 noch immer eingeschränkt.

Polizei und Sicherheitskräfte

Auch 2009 wurde gegen Angehörige der Sicherheitskräfte der Vorwurf erhoben, Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben. Gegenstand der Vorwürfe waren insbesondere Misshandlungen sowie unnötige bzw. exzessive Gewaltanwendung; in mindestens 45 Fällen soll es sich bei den Tätern um Polizisten, in weiteren acht Fällen um Angehörige des Militärs gehandelt haben. Die vorhandenen Mechanismen, um Mitarbeiter dieser Sicherheitsorgane zur Rechenschaft zu ziehen, waren unzureichend. Auch 2009 wurden die Verantwortlichen für die Gewaltausbrüche im Jahr 2006, als ein Drittel der Soldaten des Landes aus der Armee entlassen worden war, nur sehr zögerlich zur Rechenschaft gezogen. In mehreren Fällen wurden jedoch Ermittlungen eingeleitet und Verfahren eröffnet. Einige Prozesse konnten im Berichtszeitraum abgeschlossen werden. Im Zusammenhang mit dem gewalttätigen Vorgehen während des Ausnahmezustands im Jahr 2008 musste sich bis Ende 2009 kein Angehöriger der Sicherheitskräfte vor Gericht verantworten.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Das Ausmaß sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt war nach wie vor immens. Frauen, die Anzeige erstatten wollten, wurden eher auf traditionelle Streitlösungsmechanismen verwiesen und nicht an die Strafjustiz.

Straflosigkeit

Das Parlament hatte sich bis Ende des Jahres noch nicht mit den Berichten der timoresischen Kommission für Wahrheit und Versöhnung (Commission for Reception, Truth and Reconciliation) und der von Indonesien und Timor-Leste gemeinsam eingerichteten bilateralen Kommission für Wahrheit und Freundschaft (Commission of Truth and Friendship) befasst, in denen Menschenrechtsverletzungen dokumentiert waren. Immerhin verabschiedete das Parlament Mitte Dezember eine Resolution zur Einsetzung eines Folgegremiums beider Institutionen. Der Generalstaatsanwalt erhob 2009 keine neuen Anklagen auf der Grundlage der Ergebnisse des UN-Ermittlungsteams zur Untersuchung der Verbrechen von 1999. Nur ein Verantwortlicher für diese Straftaten saß weiter im Gefängnis.

  • Am 30. August 2009 entließ die Regierung den ehemaligen Milizenführer Martenus Bere aus der Haft, den die Vereinten Nationen als Beteiligten an einem Massaker im Jahr 1999 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit unter Anklage gestellt hatten. Martenus Bere konnte Timor-Leste im Oktober als freier Mann verlassen und nach Indonesien zurückkehren.

Im August sprach sich Präsident José Manuel Ramos-Horta klar gegen ein internationales Tribunal für die Aufarbeitung der Verbrechen von 1999 aus. Ein Nationaler Kongress der Opfer forderte im September dagegen die Einrichtung eines solchen Tribunals.

Amnesty International: Missionen und Berichte

Delegierte von Amnesty International hielten sich im Juni und Juli in Timor-Leste auf.

"We cry for justice": Impunity persists 10 years on in Timor-Leste (ASA 57/001/2009)

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