Positionspapiere Deutschland 21. November 2018

Amnesty-Positionspapier zu unabhängigen Untersuchungsmechanismen in Fällen von rechtswidriger Polizeigewalt in Deutschland

Zeichnung einer Figur mit Mütze und Jacke, auf der "Polizei" steht

Amnesty International ist überzeugt, dass die Einrichtung von unabhängigen Beschwerdemechanismen ein wichtiger Baustein für umfassende Ermittlungen darstellt. Dieses Positionspapier stellt zunächst die menschenrechtlichen Grundlagen dar, auf denen die Forderung nach unabhängigen Untersuchungsmechanismen basiert. Im Anschluss daran wird dargestellt, welche Formen von Untersuchungsmechanismen es in Deutschland gibt und wie ein unabhängiger Untersuchungsmechanismus ausgestaltet sein muss. Außerdem wird ein Blick auf bestehende Untersuchungsmechanismen im Ausland geworfen. Schließlich werden sieben gute Gründe für die Einrichtung eines Untersuchungsmechanismus genannt.

MENSCHENRECHTLICHE GRUNDLAGEN

  1. WAS SAGT DAS VÖLKERRECHT?

Internationale Menschenrechtsbestimmungen verpflichten die Staaten dazu, Fälle mutmaßlicher Folter und anderer Misshandlungen sowie unverhältnismäßiger Gewaltanwendung und Todesfälle umgehend, umfassend, unabhängig und unparteiisch zu untersuchen. Dies gilt insbesondere, wenn diese mutmaßlich von Polizist_innen begangen wurden bzw. in Gewahrsam geschehen sind.

In Artikel 12 des Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (UN-Antifolterkonvention) heißt es ausdrücklich:

"Jeder Vertragsstaat trägt dafür Sorge, dass seine zuständigen Behörden umgehend eine unparteiische Untersuchung durchführen, sobald ein hinreichender Grund für die Annahme besteht, dass in einem seiner Hoheitsgewalt unterstehenden Gebiet eine Folterhandlung begangen wurde."

In Artikel 13 wird darüber hinaus ausgeführt, dass:

"Jeder Vertragsstaat [...] dafür Sorge [trägt], dass jeder, der behauptet, er sei in einem der Hoheitsgewalt des betreffenden Staates unterstehenden Gebiet gefoltert worden, das Recht auf Anrufung der zuständigen Behörden und auf umgehende unparteiische Prüfung seines Falles durch diese Behörden hat".

Auch im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) sind das Recht auf Leben und das Verbot von Folter und anderen Misshandlungen in Artikeln 6 und 7 verankert. In seiner Allgemeinen Bemerkung Nr. 20 hat der UN-Menschenrechtsausschuss Folgendes festgehalten:

"[...] dass es zur Beachtung des Artikels 7 weder genügt, solche Strafen und Behandlungen zu verbieten, noch zu erklären, dass ihre Vornahme ein Delikt darstelle. [...] Um die Beschwerden wirksam zu machen, müssen sie Gegenstand umgehender und unparteiischer Untersuchungen durch die zuständigen Behörden sein." [1]

Auch die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) garantiert das Recht auf Leben gemäß Artikel 2 und das Verbot der Folter oder anderer erniedrigender Behandlung gemäß Artikel 3. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat unterstrichen, dass diese beiden Artikel die "Grundprinzipien und Grundwerte demokratischer Gesellschaften" sind.[2]

Der EGMR hat auch unterstrichen, dass gemäß Artikel 3 EMRK bei jedem Misshandlungsvorwurf, der gegen die Polizei erhoben wird, ein effektives, offizielles Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. Damit soll auch die Verantwortlichkeit der Staatsbediensteten oder der staatlichen Behörden für Todesfälle oder Misshandlungen, die in ihrem Zuständigkeitsbereich stattfinden, gewährleistet werden.[3] Besteht der Verdacht, dass Staatsbedienstete oder staatliche Behörden in solche Vorfälle verwickelt sind, gelten bezüglich einer effektiven Ermittlungsführung besondere Anforderungen. Die Behörden müssen von sich aus die Initiative ergreifen und handeln, sobald sie von einem derartigen Vorfall erfahren. Sie können es nicht den Betroffenen (oder im Todesfall den Angehörigen) überlassen, offiziell Beschwerde einzureichen.[4] Gemäß Artikel 13 EMRK ist diese Verpflichtung Teil des individuellen Rechts auf wirksame Beschwerde bei innerstaatlichen Instanzen, sollten die durch die Konvention garantierten Rechte verletzt werden.

Dies gilt insbesondere, wenn Personen im Polizeigewahrsam verletzt wurden oder zu Tode gekommen sind. Der EGMR unterstreicht, dass es bei Verletzungen von Menschen, die sich in Gewahrsam der Polizei befinden, am Staat ist, eine "plausible Erklärung für die Ursache dieser Verletzungen" bereitzustellen.[5] Geschieht dies nicht, handelt es sich um eine Verletzung der in der EMRK verbürgten Rechte und damit um eine Menschenrechtsverletzung.

Der EGMR hat in ständiger Rechtsprechung festgestellt, dass Ermittlungsverfahren folgenden Bedingungen genügen müssen, damit sie angemessen sind:

  • Die Ermittlungen müssen unabhängig sein. Es darf zwischen den ermittelnden Beamten und den beschuldigten Polizist_innen keine institutionelle oder hierarchische Verbindung bestehen. Nur dann sind die Ermittlungen tatsächlich unabhängig.[6]
  • Außerdem müssen die Ermittlungen angemessen sein, müssen also technisch adäquat und mit ausreichenden Mitteln geführt werden. Die Verurteilung Beschuldigter darf damit nicht an mangelnder Ermittlungsqualität scheitern.[7]
  • Zudem muss die Ermittlung unverzüglich beginnen und ohne vermeidbare Verzögerungen durchgeführt werden, auch um das öffentliche Vertrauen in das Rechtsstaatsprinzip aufrechtzuerhalten.[8]
  • Weiterhin muss eben auch aus diesem Grund ein bestimmtes Maß an öffentlicher Kontrolle über die Ermittlungen gegeben sein und die Verfahrensabläufe sollten offen und transparent ablaufen.[9] Damit soll vor allem der drohenden permanenten Straflosigkeit von Polizeigewalt und damit der versteckten Akzeptanz dieser Praxis entgegengewirkt werden.
  • Als letztes Kriterium sollten die Opfer und die Angehörigen der Opfer in adäquater Weise in die Ermittlungen einbezogen werden, zur Wahrung ihrer legitimen Interessen.[10]

Der EGMR hat unterstrichen, dass diese Bedingungen deswegen so wichtig sind, weil es bei diesen Fällen "um nichts weniger geht als das öffentliche Vertrauen in das staatliche Gewaltmonopol."[11]

 

  1. WAS SAGEN INTERNATIONALE MENSCHENRECHTSEXPERTEN?

Der Europäische Kodex für Polizeiethik des Europarats[12], einem Dokument, das der Ministerrat des Europarats im Jahr 2001 angenommen hat, betont: "Polizei, die gegen die Polizei ermittelt, lässt generell Zweifel an der Unabhängigkeit aufkommen."[13]

Der ehemalige Menschenrechtskommissar des Europarats Thomas Hammarberg hat sich 2009 ausführlich zu unabhängigen Untersuchungsmechanismen geäußert und in diesem Dokument unterstrichen, dass ein unabhängiges und effektives Polizei-Beschwerdesystem von fundamentaler Bedeutung für einen demokratischen und rechenschaftspflichtigen Polizeidienst ist. Außerdem hebt er hervor, dass dadurch das öffentliche Vertrauen in die Polizei gestärkt wird.[14]

Der ehemalige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen Philip Alston, hat 2010 eine Empfehlung ausgesprochen, unabhängige Untersuchungskommissionen einzurichten.[15]

 

  1. WAS SAGEN INTERNATIONALE MENSCHENRECHTSEXPERTEN ZU DEUTSCHLAND?

Für Deutschland haben mehrere internationale Menschenrechtsexperten die Empfehlung ausgesprochen, dass unabhängige Untersuchungsmechanismen eingerichtet werden sollten. Im Folgenden einige Beispiele:

  • Wie bereits seine Vorgänger forderte der damalige Kommissar für Menschenrechte des Europarats Nils Muižnieks in seinem Bericht von 2015 die deutschen Behörden dazu auf, "einen vollständig unabhängigen und gut funktionierenden Beschwerdemechanismus einzurichten, der alle Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden einschließt."[16]
  • In seinem Bericht von 2017 an die deutsche Regierung äußert das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) Zweifel daran, ob Ermittlungen gegen Polizeibeamt_innen, wie sie in Deutschland durchgeführt werden, als vollständig unabhängig und unparteiisch angesehen werden können. Es ermutigt die deutschen Behörden daher ebenfalls "einen unabhängigen Mechanismus zur Bearbeitung von Beschwerden wegen Misshandlungen seitens der Polizei zu schaffen".[17]
  • Auch der UN-Ausschuss für die Beseitigung aller Formen rassistischer Diskriminierung fordert in seinen abschließenden Bemerkungen zu Deutschland 2015 die Einführung unabhängiger Beschwerdestellen auf Länder- und Bundesebene.[18]

SITUATION IN DEUTSCHLAND

In Deutschland bestehen in mehreren Bundesländern Beschwerde- und Ermittlungsstellen im Bezug auf Beschwerden gegen Polizeibeamt_innen, die in ihrer Art und ihrem Umfang sehr variieren.[19] In Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen bestehen exekutive Beschwerdestellen der Innenministerien. Während die Beschwerdestellen in Sachsen und Thüringen ausschließlich für Beschwerden gegen die Polizei zuständig sind, bezieht sich das Mandat der in Sachsen-Anhalt und Niedersachsen eingeführten Institutionen auf den gesamten Geschäftsbereich des jeweiligen Innenministeriums.[20]

In Bremen und Hamburg bestehen polizeiexterne Ermittlungsstellen der Innenbehörden.[21] Ebenso wurde in Bayern 2013 eine Dienststelle für interne Ermittlungen direkt dem Landeskriminalamt unterstellt.[22] Diese sind im Gegensatz zu den Beschwerdestellen befugt, strafrechtliche Untersuchungen anzustrengen.

In Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg wurde jeweils die Stelle eines Polizeibeauftragten der Landtage geschaffen. Deren Mandat umfasst keine strafrechtlichen Ermittlungen, sondern lediglich die Moderation und Mediation in Streitfällen. Alle Polizeibeauftragten sind außerhalb der Innenministerien angesiedelt und damit unabhängig von diesen.[23]

In Berlin, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, NRW und dem Saarland besteht hingegen keine Form von Beschwerde- oder Ermittlungsstellen im Bezug auf Beschwerden gegen Polizeibeamt_innen. Vor diesem Hintergrund ist die Einführung der oben genannten Institutionen als Schritt in die richtige Richtung zu begrüßen. Jedoch erfüllen auch diese in mehreren Aspekten nicht die Anforderungen einer Institution, die unabhängige, unmittelbare, unverzügliche und umfassende Untersuchungen gewährleisten kann. So haben beispielsweise weder die Beschwerdestellen, noch die Polizeibeauftragten die Kompetenz, bei Vorwürfen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen durch Beamt_innen mit Polizeibefugnissen, zu ermitteln. Die Institutionen, die diese Kompetenz besitzen, sind hingegen in den innenbehördlichen Aufbau eingegliedert und somit nicht ausreichend unabhängig. Viele der bestehenden Institutionen verfügen darüber hinaus nicht über angemessene personelle Ressourcen.

WIE MUSS EIN UNABHÄNGIGER UNTERSUCHUNGSMECHANISMUS AUSSEHEN?

Unabhängige Untersuchungsmechanismen sollten auf Bundesebene sowie in allen Bundesländern eingerichtet werden. Für die Einrichtung sind Gesetze erforderlich.

Diese unabhängigen Untersuchungsmechanismen müssen folgenden Kriterien genügen:

Sie sollten:

  • bevollmächtigt sein, bei allen Vorwürfen schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen durch Beamt_innen mit Polizeibefugnissen, einschließlich Todesfällen in Gewahrsam, Tötungsdelikten, Folter und anderer unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung sowie Rassismus, zu ermitteln;
  • befugt sein, Anzeigen und Beschwerden von Personen aufzunehmen, aufzuzeichnen und zu ermitteln, sowie das Recht haben, Vorfälle selbstständig und ohne das Vorliegen einer Anzeige zu untersuchen;
  • über die notwendige Kompetenz und Ausstattung verfügen, Ermittlungen über Menschenrechtsverletzungen durch Beamt_innen mit Polizeibefugnissen durchzuführen. Dazu gehören die folgenden Kriterien:
    • die Kompetenz und Ausstattung, eine sofortige Untersuchung des Tatorts vorzunehmen;
    • die Kompetenz, Zeugen zu vernehmen sowie die Erhebung von Beweisen anzuordnen;
    • die Kompetenz, im Falle der Weiterleitung eines Falles an die Staatsanwaltschaft zur Durchführung der strafrechtlichen Ermittlungen die Ermittlungen zu überwachen;
  • die Kompetenz haben, die disziplinarrechtlichen Ermittlungen der Polizei erforderlichenfalls zu überwachen bzw. zu leiten sowie im Falle von schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen die Kompetenz besitzen, ggf. an Stelle der Polizei diese Ermittlungen durchzuführen;
  • die Kompetenz haben, Fälle erforderlichenfalls direkt an die Staatsanwaltschaft zur Durchführung der strafrechtlichen Ermittlungen weiterzuleiten;
  • die Kompetenz haben, die Einleitung eines Disziplinarverfahrens anzuordnen sowie von der das Disziplinarverfahren durchführenden Behörde einen Bericht über den Ausgang des Disziplinarverfahrens anzufordern;
  • die Kompetenz besitzen, verbindliche Entscheidungen über zu leistende Entschuldigungen oder über anzubringende Kritik zu treffen sowie Empfehlungen zur angemessenen Entschädigung der Opfer auszusprechen;
  • die Kompetenz haben, gegebenenfalls auch auf eigene Initiative hin Ermittlungen über sich abzeichnende Muster von Rechtsverletzungen durchzuführen, um den entsprechenden Behörden diesbezügliche Empfehlungen aussprechen zu können;
  • die Befugnis haben, Einblicke in polizeiinterne Organisationsprozesse nehmen zu dürfen, erforderlichenfalls auch in Verschlusssachen. Das Aufspüren struktureller Probleme erfordert weitgehend uneingeschränkten Zugang zu aufbau- und ablauforganisatorischen Regelungen;
  • die Befugnis haben, jederzeit, auch unangemeldet, polizeiliche Diensträume betreten zu dürfen.
  • zur Gewährleistung des Kriteriums der Unabhängigkeit nicht über hierarchische oder institutionelle Verbindungen zur Polizei verfügen;
  • über angemessene personelle und materielle Ressourcen verfügen und von anerkannten Fachkräften mit der notwendigen Unparteilichkeit, Fachkompetenz, Unabhängigkeit und Integrität geleitet werden. Diese Stellen sollten weiterhin über ein unabhängiges sachverständiges Ermittlerteam verfügen, das die Beschwerden und Anzeigen untersucht;
  • der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht werden, auch durch das Auslegen von Informationsmaterial auf Polizeiwachen, in dem über das Erstatten von Anzeigen oder Einlegen von Beschwerden bei diesen Stellen aufgeklärt wird;
  • den Landtagen beziehungsweise dem Bundestag regelmäßig Bericht erstatten, auch um eventuell entstehenden, strukturellen Problemen präventiv entgegenwirken zu können sowie
  • über alle Fälle von Beschwerden und Verfahren gegen Polizeibeamt_innen statistische Erhebungen durchführen.

INTERNATIONALE BEISPIELE

Modelle unabhängiger exekutiver Polizeibeschwerdemechanismen sind besonders im europäischen Ausland weit verbreitet. So existieren in Belgien, Dänemark, Irland, Portugal, Ungarn und dem Vereinigten Königreich spezialisierte, unabhängige Beschwerdestellen.[24]

Das in England und Wales bestehende Independent Office for Police Conduct (IOPC) [25] (vormals Independent Police Complaints Commission (IPCC)) ist beispielsweise befugt, die polizeiinterne Bearbeitung von Beschwerden zu beaufsichtigen oder anzuleiten. In besonders schweren Fällen kann sie eigenständige Untersuchungen einleiten.[26] Zu diesem Zweck hat das IOPC eigens akkreditierte Ermittler, die sich vor Beginn ihrer Tätigkeit einem mindestens vier-wöchigen Training des IOPC unterziehen müssen.[27] Der Generaldirektor, mehrere regionale Direktoren und ein Führungsteam sind verantwortlich für die Arbeit der Ermittler.[28] Diese Positionen dürfen nur von Personen ausgefüllt werden, die zuvor noch nie für die Polizei tätig waren.[29] Für das Jahr 2017/2018 steht dem IOPC ein Budget von rund 79 Millionen Euro zur Verfügung.[30] In 2016/2017 beschäftigte die Institution 994 Mitarbeiter_innen in Vollzeit.[31] So konnte es im letzten Jahr rund 4000 Beschwerden nachkommen und 590 Ermittlungen einleiten.[32] Internationale Beispiele wie dieses zeigen, dass derartige Gremien zur Verbesserung der Polizeiarbeit beitragen und das Vertrauen in die Arbeit der Polizei stärken können.



SIEBEN GUTE GRÜNDE FÜR DIE EINRICHTUNG EINES UNABHÄNGIGEN UNTERSUCHUNGSMECHANISMUS

Unabhängige Untersuchungskommissionen können über den Einzelfall hinaus strukturelle Vorschläge zur Verbesserung der Polizeiarbeit machen, die ggf. bei den politisch Verantwortlichen einen höheren Stellenwert erhalten würden, als gleich lautende Vorschläge aus der Polizeiorganisation oder von den Berufsvertretungen. So bereitet das IOPC in England in regelmäßigen Abständen "lessons learned" zu bestimmten Fragen der Polizei auf.

  1. Durch die Möglichkeit, auch auf eigene Initiative hin Ermittlungen über sich abzeichnende Muster von Rechtsverletzungen durchführen zu können, entfalten unabhängige Untersuchungskommissionen eine präventive und "befriedende" Wirkung.
  2. Unabhängige Untersuchungskommissionen bieten der Polizei die Möglichkeit, Vorwürfen oder dem Argwohn entgegenzuwirken, bei Auseinandersetzungen um polizeiliches Fehlverhalten würden intern Ermittlungen behindert oder Übergriffe vertuscht und gedeckt werden.
  3. Eine allgemein anerkannte neutrale Kontrollinstanz kann die Position solcher Beamt_innen stärken, die zu Unrecht polizeilichen Fehlverhaltens beschuldigt werden.
  4. Unabhängige Untersuchungskommissionen fördern die Transparenz polizeilichen Handelns, verstärken mittelbar den Dialog zwischen Polizei und (polizeikritischen) Bürger_innen und erhöhen damit die "Bürgernähe".
  5. Unabhängige Untersuchungskommissionen bieten Polizist_innen die Chance, außerhalb ihrer eigenen Dienststelle mögliches Fehlverhalten von Kolleg_innen anzuzeigen, ohne dabei unter Druck zu geraten.
  6. Unabhängige Untersuchungskommissionen können präventiv gegen Übergriffe schützen, da sie Transparenz fördern und Straflosigkeit für rechtswidrige Gewalt entgegenwirken. So werden insbesondere die Rechte der Opfer von rechtswidriger Polizeigewalt geschützt.

 

[1]  Allgemeine Bemerkung Nr. 20 zu Artikel 7 des UN-Zivilpakts, verabschiedet vom UN-Menschenrechtsausschuss in seiner 44. Sitzung 1992.

[2]  McCann und Andere ./. Großbritannien, Urteil vom 27.09.1995, Rn. 147.

[3]  vgl. Anguelova ./. Bulgarien, Urteil vom 13. Juni 2002, Rn. 137; Nachova und Andere ./. Bulgarien [GC], Urteil vom 6 Juli 2005, Rn. 110.

[4] vgl. Ýlhan ./.Türkei [GC], Urteil vom 27. Juni 2000, Rn. 63; Kelly und Andere ./. Großbritannien, Urteil vom 4. Mai 2001, Rn. 94; Tashin Acar ./. Türkei, Urteil vom 8. April 2004, Rn. 221; Kukayev ./.Russland, Urteil vom 15. November 2007, Rn. 94; Bati und Andere ./.Türkei., Urteil vom 03.06.2004, Rn. 133

[5] Selmouni ./. Frankreich, Urteil vom 28.06.1999, Rn. 87.

[6]  vgl. Finucane ./. Großbritannien, Urteil vom 01.07.2003, Rn. 68, Ramsahai und Andere ./. Die Niederlande, Urteil vom 15.05.2007, Rn. 325.

[7] vgl. Ramsahai und Andere ./. Die Niederlande, Urteil vom 15.05.2007, Nr. 324.

[8] vgl. Finucane ./. Großbritannien, Urteil vom 01.07.2003, Rn. 70, Ramsahai und Andere ./. Die Niederlande, Urteil vom 15.05.2007, Rn. 322.

[9]  vgl. Ognyanova und Choban ./. Bulgarien, Urteil vom 23.02.2006, Rn. 107, McKerr ./. Großbritannien, Urteil vom 04.05.2001, Rn. 115.

[10] vgl. McKerr ./. Großbritannien, Urteil vom 04.05.2001, Rn. 115.

[11] Ramsahai und Andere ./. Die Niederlande, Urteil vom 15.05.2007, Rn. 325.

[12] The European Code of Police Ethics, Council of Europe, 19.09.2001, Rec(2001)10, Nr. 61.

[13] ebd. Nr.61, Kommentar.

[14] vgl. Thomas Hammarberg, Opinion of the Commissioner for Human Rights concerning independent and effective determination of complaints against the police, 12.03.2009, CommDH (2009) 4.

[15] vgl. Report of the Special Rapporteur on extrajudicial, summary or arbitrary executions, Philip Alston: Study on police oversights mechanisms, Human Rights Council, 28.05.2010, A/HRC/14/24/Add.8, Nr. 29.

[16] Bericht des Menschenrechtskommissars Nils Muižnieks über seinen Besuch in Deutschland, 14. April und 04. - 08. Mai 2015, Straßburg, 01.10.2015, CommDH(2015)20, S. 3; Siehe auch der Bericht seines Vorgängers: Bericht des Menschenrechtskommissars Thomas Hammarberg über seinen Besuch in Deutschland, 09-11. und 15. – 20. Oktober 2006, Straßburg, 11.07.2007, CommDH (2007)14, Nr. 39.

[17] Bericht des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe in Deutschland (CPT) über seinen Besuch in Deutschland, 25. November– 07. Dezember 2015 Straßburg, 01.06.2017, CPT/Inf(2017)13, Nr. 18-19.

[18] vgl. Committee on the Elimination of Racial Discrimination: Concluding observations on the combined ninteenth to twenty-second periodic reports of Germany, 30.06.2015, CERD/C/DEU/CO/19-22, Nr. 11 (d).

[19]  Siehe dazu ausführlich Töpfer, Eric 2018: Unabhängige Polizeibeschwerdestellen: Zum Stand der Dinge, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP, Heft 116.

[20] ebd.

[21] ebd.

[22] vgl. Scharlau, Maria und Schaller, Sophia 2018: Mehr Transparenz und Kontrolle bei der Polizei: Wo Deutschland Hilfe braucht. in: freispruch, Heft 13.

[23] vgl. Töpfer, Eric 2018: Unabhängige Polizeibeschwerdestellen: Zum Stand der Dinge, in: Bürgerrechte & Polizei/CILIP, Heft 116.

[24]  Siehe dazu ausführlich Töpfer, Eric und Peter, Tobias 2017: Unabhängige Polizeibeschwerdestellen: Was kann Deutschland von anderen europäischen Staaten lernen?, Deutsches Institut für Menschenrechte.

[25]  Website des Independent Office for Police Conduct abrufbar unter https://www.policeconduct.gov.uk/.

[26] vgl. IOPC: "Who we are", https://www.policeconduct.gov.uk/who-we-are, abgerufen am 26.09.2018.

[27]  vgl. IOPC: "Your career and training", https://www.policeconduct.gov.uk/who-we-are/working-us/investigative-ro…, abgerufen am 26.09.2018.

[28] vgl. IOPC: "A guide to independent investigations", Januar 2018, https://www.policeconduct.gov.uk/sites/default/files/Documents/Investig…, abgerufen am 26.09.2018.

[29] vgl. IOPC: "Annual report and statement of accounts 2017/2018", Juli 2018, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uplo…, abgerufen am 26.09.2018.

[30]  vgl. IPCC: "Business Plan 2017/2018", https://www.policeconduct.gov.uk/sites/default/files/Documents/Who-we-a…, S. 37, abgerufen am 26.09.2018.

[31]  vgl. IPCC: "Annual report and statement of accounts 2016/2017", https://www.policeconduct.gov.uk/sites/default/files/Documents/Who-we-a…, S. 85, abgerufen am 26.09.2018.

[32] ebd. S. 10

Weitere Artikel