Amnesty Report Sambia 28. März 2023

Sambia 2022

Amnesty-Logo: Kerze umschlossen von Stacheldraht.

Hintergrund

Die internationale Generalsekretärin von Amnesty International besuchte Sambia im März 2022, um die Fortschritte der Regierung bei der Umsetzung ihrer Wahlversprechen im Hinblick auf den Schutz der Menschenrechte und andere Aspekte zu begutachten.

Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit

Positive Entwicklungen wurden bei der Wahrung der Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit verzeichnet. Am 9. September 2022 kündigte Präsident Hichilema an, dass auf der nächsten Parlamentssitzung im Januar 2023 ein Änderungsantrag zum Gesetz über die öffentliche Ordnung (Public Order Act – POA) und ein Aufhebungsantrag zum Gesetz über die Verleumdung des Präsidenten eingebracht würden. Das POA wird seit Langem dazu benutzt, das Recht auf friedliche Versammlung von Oppositionsparteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen einzuschränken. Gemäß Paragraf 5(4) des Gesetzes müssen alle Personen, die sich versammeln oder eine öffentliche Versammlung, einen Umzug oder eine Demonstration einberufen wollen, die Polizei sieben Tage im Voraus benachrichtigen, wobei eine formelle Genehmigung seitens der Behörden nicht erforderlich ist. Die Polizei legte diese Bestimmung jedoch so aus, als sei für eine öffentliche Versammlung eine Erlaubnis nötig.

Die in Paragraf 69 des Strafgesetzbuchs verankerten Bestimmungen über die Verleumdung des Präsidenten wurden in der Vergangenheit dazu benutzt, jegliche Kritik am Präsidenten zu unterbinden. Der Paragraf sieht eine Höchststrafe von drei Jahren Gefängnis für alle vor, die sich der Veröffentlichung von verleumderischem oder beleidigendem Material in schriftlicher, gedruckter oder mündlicher Form mit der Absicht schuldig machen, zu Hass, Spott oder Verachtung gegenüber dem Präsidenten aufzurufen.

Die Polizei griff jedoch im Laufe des Jahres nach wie vor auf dieses Gesetz zurück, um Regierungskritiker*innen und führende Oppositionelle festzunehmen. Dadurch war das Recht auf freie Meinungsäußerung weiter gefährdet. Im Januar 2022 wurde Raphael Nakacinda von der größten Oppositionspartei Patriotic Front wegen Verleumdung des Präsidenten festgenommen. Er hatte zuvor auf einer Wahlkampftour im Bezirk Mapoloto im Township Chilenje in der Hauptstadt Lusaka gesagt, der Präsident und seine "ausländischen Freunde" planten die Vertreibung der Bewohner*innen von Mapoloto, um Platz für ein Einkaufszentrum zu schaffen.

Am 24. Juni 2022 wurden Justine Chimpinde und Danny Kapambwe aus dem Distrikt Chienge in der Provinz Luapula wegen Beleidigung des Präsidenten auf Tiktok zu 24 Monaten Haft mit Zwangsarbeit verurteilt. Vor der Urteilsverkündung wurden sie in der Haft von bewaffneten Angehörigen der sambischen Armee geschlagen. Am 1. September 2022 wurde der Vorsitzende der Oppositionspartei Patriots for Economic Progress, Sean Tembo, festgenommen, weil er die monatlichen Preiserhöhungen für Treibstoff durch den Präsidenten kritisiert hatte. Er verbrachte sechs Tage auf der Woodlands-Polizeiwache in Lusaka, bevor er angeklagt und gegen Kaution freigelassen wurde. Die Polizei gab ihm die Schuld an der verlängerten Inhaftierung, denn er habe nicht in Abwesenheit seiner Rechtsbeistände angeklagt werden wollen.

Todesstrafe

Am 24. Mai 2022 verpflichtete sich Präsident Hichilema, zusammen mit der Nationalversammlung auf die Abschaffung der Todesstrafe hinzuarbeiten, und wandelte Todesurteile gegen 30 Gefangene in lebenslange Haftstrafen um. Er bekräftigte sein Versprechen am 9. September in einer Rede zur Eröffnung der zweiten Sitzungsperiode des Parlaments.

Diskriminierung

Menschen mit Albinismus

Menschen mit Albinismus waren gewalttätigen Angriffen ausgesetzt und erlitten Verstümmelungen, die auf abergläubische Annahmen über Albinismus zurückzuführen waren. Im Januar 2022 entdeckte ein Angehöriger einer örtlichen Verbrechensbekämpfungseinheit das verwüstete Grab eines zwölfjährigen Jungen, dessen Leichnam eine Hand abgehackt worden war. Die Polizei, die den Tatort auf dem Dorffriedhof von Mungwalala (Distrikt Chama) in der Ostprovinz aufsuchte, bestätigte, dass man sich an dem Grab und dem Leichnam zu schaffen gemacht hatte. Die Schuldigen waren Ende 2022 noch nicht ermittelt worden.

Am 25. Juni 2022 trennten drei Männer im Distrikt Mkushi in der Zentralprovinz einem zehnjährigen Jungen einen Zeigefinger ab, während seine Eltern in der Kirche waren. Die Polizei fahndete wegen schwerer Körperverletzung nach einem Verdächtigen, der nur als "Kendrick" identifiziert wurde und vermutlich ein Anwohner ist, sowie nach zwei weiteren, noch nicht identifizierten Männern.

LGBTI+

Die Rechte von LGBTI+ waren zunehmend gefährdet, da Regierungsvertreter*innen, Sprecher*innen religiöser Organisationen und andere Bürger*innen einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen sowohl im Internet als auch in traditionellen Medien öffentlich anprangerten. Mitglieder der von Brian Sampa gegründeten homofeindlichen Bewegung #BanNdevupaNdevu #BanHomosexuality riefen mittels einer Demonstration und über Whatsapp zu tödlicher Gewalt gegen Personen auf, die für homosexuell gehalten wurden. Im Mai 2022 sagte Präsident Hichilema, seine Regierung würde zwar die Menschenrechte achten und wahren, nicht jedoch Rechte von Homosexuellen unterstützen. Er berief sich darauf, dass Sambia eine christliche Nation sei. Seine Erklärung erfolgte, nachdem die schwedische und die finnische Botschaft in Sambia Berichten zufolge aus Solidarität mit LGBTI+ und ihren Rechten neben ihrer jeweiligen Landesflagge die Regenbogenflagge gehisst hatten.

Im September 2022 kam es im Zusammenhang mit dem jährlichen Mode- und Lifestyle-Event Lusaka July zu weiteren Angriffen gegen die Rechte von LGBTI+. In homofeindlichen Kommentaren in den Medien und den Sozialen Medien wurde die Veranstaltung als Plattform für die Agenda von LGBTI+ bezeichnet und angedeutet, es handele sich dabei um einen vom Westen finanzierten Angriff auf die religiösen und kulturellen Werte Sambias. Es gab Forderungen, bei der Veranstaltung alle festzunehmen und anzuklagen, die sich wie eine schwule oder lesbische Person "kleiden, verhalten" oder so "aussehen". In anderen Kommentaren wurden LGBTI+ für eine Zunahme an gemeldeten Vergewaltigungen von Jungen und Männern verantwortlich gemacht. Der katholische Erzbischof von Lusaka warf dem Präsidenten und den Strafverfolgungsbehörden vor, nicht genug gegen die seines Erachtens untragbare Zunahme und Normalisierung von Homosexualität zu unternehmen.

Geschlechtsspezifische Gewalt

Gewalt gegen Frauen und Kinder war nach wie vor weit verbreitet. Statistiken der sambischen Polizei für das erste Quartal 2022 wiesen 6.915 gemeldete Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt aus, während es im ersten Quartal 2021 noch 4.254 waren. Von den 6.915 Überlebenden waren 58,7 Prozent Frauen und 25,6 Prozent Kinder, davon 72,6 Prozent Mädchen. Frauen und Mädchen machten insgesamt 77,3 Prozent der Betroffenen aus. Der Anstieg setzte sich im zweiten Quartal mit 7.589 gemeldeten Fällen fort, 1.441 mehr als im zweiten Quartal des Vorjahres. Zwischen Januar und August 2022 wurden 1.066 Fälle sexuellen Missbrauchs an Kindern registriert.

Umweltzerstörung

Am 9. Mai 2022 beantragten Amnesty International und die NGO Southern Africa Litigation Centre, als sachkundige Organisationen Stellungnahmen in einem Gerichtsverfahren zu einer laufenden Sammelklage in Südafrika abzugeben, die von sambischen Kindern und Frauen gegen den globalen Bergbaukonzern Anglo American angestrengt worden war. Die Kläger*innen forderten Entschädigung für die weitreichenden und langfristigen Folgen der Bleiverseuchung durch den Bleiabbau in Kabwe in der Zentralprovinz.

Wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte

Recht auf Bildung

Im Januar 2022 erfüllte die Regierung ihr Wahlversprechen, eine kostenlose Grund- und Sekundarschulbildung einzuführen. Im Juli kündigte das Bildungsministerium zudem die Einstellung von 30.496 Lehrkräften an, um das Bildungssystem zu verbessern und das Recht auf Bildung zu gewährleisten.

Recht auf Wohnen

Am 20. August 2022 ließ der Stadtrat von Chingola über 300 Häuser abreißen, die auf einem Grundstück der Zivilluftfahrtbehörde im Distrikt Chingola in der Provinz Copperbelt in nächster Nähe des Flughafens von Kasompe errichtet worden waren. Der Stadtrat gab an, er habe das Land nicht zur Bebauung ausgewiesen und die Gebäude seien ohne Baugenehmigung errichtet worden. Die betroffenen Anwohner*innen wurden nicht wirksam konsultiert, da der Stadtrat von Chingola die Abrissarbeiten Berichten zufolge am 19. August in einer Sitzung geplant und bereits am folgenden Tag um 2 Uhr morgens hatte durchführen lassen. Die Behörden hatten vor den Zwangsräumungen nicht sichergestellt, dass angemessene alternative Unterkünfte bzw. Umsiedlungsmöglichkeiten zur Verfügung standen. Auch hatten die Anwohner*innen weder Zugang zu Rechtsmitteln noch erhielten sie Unterstützung, um rechtliche Schritte einleiten zu können.

Während die Abbrucharbeiten stattfanden, wurden ein Gästehaus und eine Bedienstetenunterkunft des örtlichen Bürgermeisters in Brand gesteckt. Die Polizei nahm einen 23-jährigen Mann und einen 15-jährigen Jungen fest, die an der Brandstiftung beteiligt gewesen sein sollen. Von der Zwangsräumung betroffene Anwohner*innen warfen dem Bürgermeister vor, er habe ihnen die Grundstücke, auf denen ihre Häuser standen, widerrechtlich abgetreten.

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