Amnesty Report Puerto Rico 28. März 2023

Puerto Rico 2022

Das Bild zeigt mehrere Frauen, die auf einer Treppe stehen und ein grünes Plakat in der Hand halten

"Für einen freien, sicheren Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen": Protest für das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche in der puerto-ricanischen Hauptstadt San Juan (Archivaufnahme vom September 2018).

Berichtszeitraum: 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022

Personen aus einkommensschwachen, ethnisch gemischten Wohngegenden wurden unverhältnismäßig oft Opfer von Tötungen durch die Polizei. Aktivist*innen protestierten gegen Projekte, die die Umwelt gefährdeten. Insgesamt fünf Gesetzentwürfe zur Beschränkung des Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen wurden abgelehnt.

Hintergrund

Im September 2022 verursachte der Hurrikan "Fiona" großflächige Überschwemmungen, durch die Medienberichten zufolge 1,5 Millionen Menschen vorübergehend ohne Stromversorgung waren. Mindestens 39 Personen kamen im Zusammenhang mit dem Wirbelsturm ums Leben. Einige von ihnen verloren unmittelbar während des Sturms ihr Leben, andere starben aufgrund von gesundheitlichen Problemen, die durch die Stromausfälle verschlimmert wurden.

Exzessive Gewaltanwendung

Im März 2022 äußerte sich die NGO Kilómetro 0 in einem Bericht anhaltend besorgt angesichts der Tötungen durch die Polizei in Puerto Rico. In dem Bericht hieß es, dass Ordnungskräfte zwischen 2014 und 2020 mindestens 71 Personen getötet hatten, also durchschnittlich zehn Menschen pro Jahr. Eine beträchtliche Anzahl der erschossenen Personen habe keine Schusswaffe bei sich getragen.

Des Weiteren hieß es in dem Bericht, dass das Risiko, von der Polizei getötet zu werden, für Menschen aus einkommensschwachen, ethnisch gemischten Wohngegenden doppelt so hoch war wie für Menschen aus Gegenden, in denen überwiegend Weiße mit niedrigem Einkommen lebten.

Umweltzerstörung

Medienberichten zufolge stoppte ein Gericht im Februar 2022 den Bau eines Swimmingpools in einer nahe dem Strand gelegenen Wohnanlage in der Stadt Rincón. Begründet wurde die Entscheidung u. a. damit, dass das Gelände zum Teil unter Naturschutz stehe, weil es ein wichtiger Lebensraum für gefährdete Arten wie z. B. Meeresschildkröten sei. Zudem seien einige Bereiche des Areals stark überschwemmungsgefährdet. Die Regierung hatte trotz ökologischer Bedenken eine Genehmigung für das Projekt erteilt.

Im April 2022 kritisierte die zivilgesellschaftliche Organisation Surfrider Puerto Rico Foundation laut Medienberichten ein Wohnbauprojekt in der Küstenstadt Aguadilla mit der Begründung, dieses würde ökologisch wichtige Flächen und Vegetation zerstören.

Im Mai stoppte das Ministerium für Natur- und Umweltressourcen weitere Bauarbeiten in Aguadilla wegen Verstößen gegen Umweltgesetze.

Recht auf Versammlungsfreiheit

Im Laufe des Jahres reagierten die Behörden auf Proteste gegen Bebauungspläne in ökologisch sensiblen Gebieten mehrmals mit einem unverhältnismäßig hohen Polizeiaufgebot.

Im August 2022 protestierten Hunderte Menschen wegen der Stromausfälle und der steigenden Energiekosten gegen den Stromanbieter der Insel. Es gab Berichte über den Einsatz exzessiver Gewalt durch die Polizei und über Gewalt vonseiten der Demonstrierenden.

Gewalt gegen Frauen und Mädchen

Zwischen Januar und November 2022 wurden laut der nationalen Beobachtungsstelle für Geschlechtergleichstellung 70 Frauen wegen ihres Geschlechts getötet (Femizid), während es im Vergleichszeitraum 2021 noch 58 waren. Die Zahl der Femizide 2022 war die höchste seit vier Jahren.

Sexuelle und reproduktive Rechte

In Puerto Rico waren Schwangerschaftsabbrüche in nahezu allen Phasen einer Schwangerschaft erlaubt, sofern sie von einer ärztlichen Fachkraft durchgeführt wurden, um das Leben oder die Gesundheit – auch die psychische Gesundheit – der Schwangeren zu schützen.

Im Juni 2022 kippte der Oberste Gerichtshof der USA das Urteil im Fall Roe gegen Wade. Dadurch war das zuvor gesetzlich verankerte Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch nicht länger auf Bundesebene geschützt. Die Entscheidung über den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen ist nunmehr den US-Bundesstaaten und -Territorien, u. a. also auch Puerto Rico, überlassen.

Bis November 2022 lagen dem Repräsentantenhaus in Puerto Rico insgesamt fünf Gesetzentwürfe vor, die eine Einschränkung des Zugangs zu Schwangerschaftsabbrüchen vorsahen. Feministische Organisationen wie Coalición por un Aborto Libre, Seguro y Accesible und Inter Mujeres befürchteten, dass Frauen mit geringem Einkommen und Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind, unverhältnismäßig stark von derartigen Einschränkungen betroffen wären. Die Gesetzentwürfe wurden später bei einer internen Abstimmung im Repräsentantenhaus abgelehnt.

Das Bildungsministerium kündigte für 2023 die Einführung eines neuen Lehrplans mit dem Schwerpunkt Gleichheit und Respekt an. Er trat an die Stelle des ursprünglich 2022 bereits genehmigten Lehrplans, mit dem das Konzept einer Gender-Perspektive an den Schulen eingeführt werden sollte. Menschenrechtsorganisationen und feministische Gruppen hatten diesen Lehrplan nach der Ausrufung des Notstands wegen der weit verbreiteten geschlechtsspezifischen Gewalt im Land ausgearbeitet, um Schüler*innen für die gesellschaftliche Wahrnehmung der verschiedenen Geschlechter zu sensibilisieren.

Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Trans- und Intergeschlechtlichen (LGBTI+)

Im Mai 2022 nahm die Menschenrechts- und Arbeitskommission Abstand von einem Gesetzesvorschlag über die Rechte von LGBTI+.

Im Juli 2022 hob das Gesundheitsministerium die Verpflichtung zur fortlaufenden Weiterbildung von Beschäftigten im Gesundheitswesen zu LGBTI-Themen auf. Auf öffentlichen Druck hin wurde die ursprünglich in der Verfügung 398 von 2018 enthaltene Verpflichtung dann jedoch wieder eingeführt.

Die Generalstaatsanwaltschaft machte keine Fortschritte bei der Verfolgung der Verantwortlichen für die Tötung von Alexa, einer trans Frau, im Jahr 2020.

Veröffentlichung von Amnesty International

Weitere Artikel