Amnesty Report 07. April 2021

Burkina Faso 2020

Das Foto zeigt einen Wahlhelfer, der zwischen zwei Wahlurnen steht.

Bewaffnete Gruppen begingen im Zusammenhang mit dem bewaffneten Konflikt Menschenrechtsverletzungen, einschließlich Tötungen und Entführungen. Die Sicherheitskräfte waren ebenfalls für außergerichtliche Hinrichtungen und Folter verantwortlich. Nach wie vor herrschte weitgehende Straflosigkeit. Das Recht auf Bildung war massiv beeinträchtigt. Die Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit waren eingeschränkt.

Hintergrund

Der bewaffnete Konflikt ging 2020 vor allem im Norden und Osten des Landes weiter. Im Januar 2020 wurde das Gesetz über Freiwillige zur Landesverteidigung (Loi sur les volontaires pour la defense de la patrie) verabschiedet. Es erlaubte, lokale "Freiwillige" zur Unterstützung militärischer Einsätze zu rekrutieren.

In sieben der 13 Regionen des Landes galt weiterhin der Ausnahmezustand, der den Behörden umfangreiche Vollmachten verlieh, was Festnahmen, Inhaftierungen und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit anging.

Um die Ausbreitung des Corona-Virus einzudämmen, wurde im März eine landesweite Ausgangssperre verhängt. Die Regierung ließ außerdem 1.207 Gefangene frei, um die Überbelegung der Gefängnisse und damit das Infektionsrisiko in den Haftanstalten zu reduzieren.

Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen wurde im September das Wahlrecht dahingehend geändert, dass in Gebieten, in denen Wahllokale wegen außerordentlicher Sicherheitsbedenken geschlossen waren, die Ergebnisse anhand der in offenen Wahllokalen abgegebenen Stimmen berechnet werden sollten. Im November wurde Präsident Roch Marc Christian Kaboré für eine zweite Amtszeit wiedergewählt.

Verstöße bewaffneter Gruppen

Im Verlauf des Jahres 2020 kam es regelmäßig zu Zusammenstößen zwischen bewaffneten Gruppen. Auch wurden Angriffe auf die Zivilbevölkerung verübt, die häufig einen ethnischen Hintergrund hatten und bei denen es sich möglicherweise um Kriegsverbrechen handelte.

Die Gruppe zur Unterstützung des Islams und der Muslime (Groupe de Soutien à l’Islam et aux Musulmans – GSIM) belagerte seit Anfang 2020 die Stadt Djibo in der Provinz Soum im Norden des Landes und beschränkte in einem 37 Kilometer langen Streifen den Zugang und die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung.

Eine bewaffnete Gruppe zur "Selbstverteidigung" namens Koglweogo überfiel im März 2020 drei Dörfer im Departement Barga (Region Nord), tötete mindestens 43 Bewohner_innen und zerstörte Gebäude. Medienberichten zufolge verschleppten unbekannte Bewaffnete ebenfalls im März in der Ortschaft Cissé (Sahelregion) mindestens zehn Zivilpersonen aus einer Moschee und töteten sie.

Im Mai und August 2020 schossen unbekannte Angreifer auf Viehmärkten in der Stadt Kompienbiga und der Ortschaft Namoungo im Osten des Landes wahllos um sich und töteten mindestens 45 Menschen.

Im Juli wurden der Bürgermeister von Pensa und zehn weitere Personen getötet, als ihr Fahrzeugkonvoi zwischen den Städten Barsalogho und Pensa in der Region Centre-Nord in einen Hinterhalt geriet. Für den Angriff waren mutmaßlich GSIM-Mitglieder verantwortlich. Einen Monat später entführten Bewaffnete den führenden Vertreter der Muslime in der Provinz Soum, El Hadj Souhaib Cissé, als er auf der Heimreise nach Djibo war. Vier Tage später fand man seinen Leichnam am Rande der Stadt. 

Recht auf Bildung

Angriffe auf Schulen, die von der GSIM und der bewaffneten Gruppe Islamischer Staat in der Großen Sahara (État islamique dans le Grand Sahara) verübt wurden, beeinträchtigten das Recht auf Bildung massiv. Auch Schüler_innen und Lehrkräften wurde häufig mit Gewalt gedroht. Nach Angaben des Bildungsministeriums wurden 222 im Bildungsbereich tätige Personen zwischen Januar und April 2020 "Opfer von Terrorangriffen". Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) teilte mit, dass im April etwa 3.000 Schulen aus Sicherheitsgründen geschlossen waren.

Außergerichtliche Hinrichtungen

Am 9. April 2020 nahmen Mitglieder einer Anti-Terroreinheit (Groupement des forces anti-terroristes) bei einer Razzia in Djibo 31 Männer fest und richteten sie hin. Die Regierung versprach eine Untersuchung der Tötungen, bei denen es sich um Kriegsverbrechen handeln könnte. Weitere Informationen über die Untersuchung wurden allerdings nicht veröffentlicht. 

Folter und andere Misshandlungen

Am 11. Mai 2020 nahmen Gendarmen mit Unterstützung Freiwilliger auf einem Markt in der Stadt Kpentchangou im Osten des Landes mindestens 25 Männer fest und inhaftierten sie. Am folgenden Morgen wurden zwölf der Männer tot in den Zellen der Gendarmerie von Tanwalbougou aufgefunden. Die Gendarmerie wies jegliche Verantwortung zurück. Überlebende, die im Juni aus dem Gewahrsam freikamen, berichteten jedoch, die zwölf Männer seien an den Folgen brutaler Schläge durch die Gendarmen gestorben. Die Behörden teilten mit, man werde den Vorfall untersuchen. Ende 2020 waren jedoch noch keine Informationen über die Untersuchung veröffentlicht worden. 

Geschlechtsspezifische Gewalt

Nach Angaben des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) führte der bewaffnete Konflikt zu einem Anstieg geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich Früh- und Zwangsverheiratungen, Prostitution und anderer Formen sexuellen Missbrauchs und sexueller Ausbeutung. Die Opfer dieser Gewalttaten hatten Mühe, Hilfe zu erhalten, weil es entweder keine Einrichtungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit gab oder weil diese ihre Arbeit aufgrund des bewaffneten Konflikts eingestellt hatten.

Flüchtlinge und Binnenvertriebene 

Nach Angaben des UNHCR waren bis August 2020 infolge des bewaffneten Konflikts 1 Mio. Menschen innerhalb des Landes vertrieben worden. Alle Konfliktparteien griffen Lager für Binnenvertriebene und Flüchtlinge an.

Im Mai verprügelten Armeeangehörige auf der Suche nach Tätern, die am selben Tag einen Angriff auf sie verübt und einen Soldaten getötet hatten, im Lager Mentao in der Sahelregion 32 Flüchtlinge. Der UNHCR forderte die Behörden auf, den Vorfall zu untersuchten. Diese teilten als Antwort lediglich mit, in dem Lager würden sich Bewaffnete verstecken.

Im Oktober tötete eine bewaffnete Gruppe bei einem Angriff aus dem Hinterhalt nahe der Stadt Pissila (Region Centre-Nord) 25 Binnenvertriebene. Überlebende berichteten, die Angreifer hätten die Gruppe separiert und die Männer hingerichtet, während Frauen und Kinder später freigelassen wurden.

Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung

Im Februar 2020 verfügte das Hohe Gericht in Kaya, den Kommandeur der Koglweogo in der Provinz Namentenga (Region Centre-Nord), El Hadj Boureima Nadbanka, vorläufig freizulassen. Er war im Dezember 2019 festgenommen worden im Zuge von Ermittlungen zu einem Vorfall im Januar 2019 in der Ortschaft Yirgou (Provinz Sanmantenga), bei dem 50 Menschen rechtswidrig getötet und 66 weitere dem Verschwindenlassen zum Opfer gefallen waren. Ende 2020 gab es im Strafverfahren gegen ihn immer noch keine nennenswerten Fortschritte.

Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit

Im Januar 2020 wurde ein Wagen des investigativen Journalisten und Redakteurs der Zeitung Courrier Confidentiel, Yacouba Ladji Bama, vor dessen Haus in Brand gesteckt. Nach Ansicht von Journalistengewerkschaften sollte der Journalist, der Korruption und Betrug aufgedeckt hatte, durch den Anschlag eingeschüchtert werden.

Im gleichen Monat verboten die Behörden der Hauptstadt Ouagadougou willkürlich eine Sitzblockade, die das Kollektiv gegen Straflosigkeit und gegen die Stigmatisierung von Gemeinschaften (Collectif contre l’impunité et la stigmatisation des communautés) vor dem Gericht der Stadt geplant hatte. Anlass des Protests war das Versagen der Behörden, im Fall der 50 Menschen, die im Januar 2019 in Yirgou von der bewaffneten Gruppe Koglweogo getötet worden waren (siehe oben), für Gerechtigkeit zu sorgen.

Im August 2020 stoppten die Behörden eine Demonstration von Anhängern des abgesetzten Präsidenten Blaise Compaoré in Ouagadougou und untersagten ihnen, das Theater Maison du Peuple zu betreten, ohne dies offiziell zu begründen. 

Recht auf Gesundheit – Arbeitnehmer_innenrechte

Im März 2020 äußerte die Gewerkschaft der Beschäftigten in der Human- und Tiermedizin (SYNTSHA) die Sorge, ob das Land hinreichend gewappnet sei, um die Corona-Pandemie zu bekämpfen, und forderte einen besseren Schutz derjenigen, die an vorderster Front arbeiteten. SYNTSHA kritisierte immer wieder, dass nicht genug in die Infrastruktur investiert werde und die Regierung sich nicht an eine 2017 geschlossene Vereinbarung halte, deren Ziel es war, die Arbeitsbedingungen des medizinischen Personals zu verbessern

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