Amnesty Journal Philippinen 20. Oktober 2021

"Man kann die Augen nicht mehr schließen"

Eine junge Frau hält ihre Hände vor dem Körper und lächelt.

Klimaaktivistin Marinel Sumook Ubaldo.

Marinel Sumook Ubaldo ist eine der aktivsten Klimaschützerinnen der Philippinen. Das hat auch biografische Gründe.

Von Luciana Ferrando

Ja, ich sollte mehr schlafen", sagt die Klimaaktivistin und Sozialarbeiterin Marinel Sumook Ubaldo in einer Videoschalte. Bei ihr zu Hause in Tacloban, Philippinen, ist es ­gerade sechs Uhr morgens, und sie arbeitet bereits. "Um mich besser um die Welt zu kümmern, muss ich mich auch um mich kümmern", sagt sie und lacht. Doch einfach ausschlafen, ausgehen oder Spaß haben, ist für die 24-Jährige keine ­Option, solange noch für Klimagerechtigkeit gekämpft werden muss. "Wir können es uns nicht leisten, nur an uns selbst zu denken, wir müssen Verantwortung für die Umwelt übernehmen", sagt sie und wird ernst. "Wenn man einmal gesehen hat, was alles auf der Welt schiefläuft, kann man nicht weiter die ­Augen davor verschließen. Man muss etwas unternehmen".

Ihr Dorf wurde zerstört

Das begriff Ubaldo in aller Deutlichkeit im November 2013. Sie war damals 16 Jahre alt, als ein Taifun die Philippinen verwüstete. Sie war damals 16 ­Jahre alt. Der Wirbelsturm "Yolanda" führte zu mehr als 6.000 Todesopfern, darunter waren auch Familienangehörige und Freund_innen von Ubaldo. Ihr Dorf Matarinao wurde zerstört. "Damals habe ich den Sinn meines Lebens entdeckt und beschlossen, für den Klimaschutz zu kämpfen."

Sie erzählt ihre persönliche Geschichte allerdings nicht, um als Opfer angesehen zu werden, sondern will "damit beweisen, dass es bei den Auswirkungen des Klimawandels und der Klimapolitik nicht um Statistiken, sondern um Menschen geht". Als 18-Jährige sagte sie auf der UN-Klimakonferenz in Paris: "Ich brauche nicht euer Mitleid, ich möchte, dass ihr etwas tut." Außerdem ermutigt Ubaldo die junge Generation, sich mehr zu engagieren.

Auf den Philippinen, einem Land mit mehr als 100 Millionen Einwohnern, sind die Folgen der globalen Erwärmung stark spürbar. Im Westpazifik kommt es immer öfter zu heftigen Wirbelstürmen, rund 20 erreichen die Region mittlerweile im Jahr. "Es ist so ermüdend, immer wieder bei Null anzufangen", erklärt Ubaldo. "Wir tun das nicht freiwillig, wir haben keine ­andere Wahl." Als Tochter eines Fischers erlebte sie früh, dass insbesondere arme Menschen den Folgen der Klimakrise aus­geliefert sind.

Über Bildung zum Klimaschutz

Deshalb fing sie bereits im Alter von zwölf Jahren an, sich mit Themen wie Katastrophenvorsorge und Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen. Sie schloss sich der Organisation Plan International an und klärte Schulkinder und Jugendliche darüber auf, wie man Verantwortung für die Natur übernehmen kann. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistet Bildung. "Wie kannst du dich für deine Rechte stark machen, wenn du sie nicht kennst?", fragt sie. Rechte seien aber nicht überall zugänglich, vor allem nicht für Frauen und Mädchen. "Das muss sich ändern." Die Klimakrise betreffe nicht nur ärmere Länder, meint Ubaldo:

Egal wie privilegiert du bist, die Klimaveränderung trifft uns alle. Sie beeinflusst alle Aspekte unseres Alltags und bedroht unsere Zukunft.

Marinel Sumook
Ubaldo
Klimaaktivistin

Schon 2018 trat sie in New York bei einer Anhörung zur ­Verantwortung internationaler Energiekonzerne als Klimabotschafterin auf. Sie mobilisierte danach zum ersten Klimastreik in Tacloban, sprach zusammen mit Greta Thunberg auf einem Konzert der Band U2 und teilte ihre Geschichte im Dokumentarfilm "The girl and the typhoons". Derzeit arbeitet Ubaldo bei der Organisation der Local UN Climate Change Conference of Youth (LCOY) in den Philippinen mit. Im November wird sie für ihr Land als Koordinatorin bei der internationalen Klimakonferenz in Glasgow mitwirken.

Der Klimaaktivismus ist für Marinel Sumook Ubaldo ein Job, den sie ohne Pause, aber immer noch gern macht. Nur allein bleiben will sie damit nicht. "Das ist ein Notfall. Wir alle müssen handeln, und zwar sofort."

Luciana Ferrando ist freie Journalistin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.

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