Amnesty Journal 23. September 2020

Wütender Bruder

Eine Gruppe von Frauen und Männern, die bunte Kleidung tragen, steht vor einer Häusersiedlung; manche von ihnen haben Musikinstrumente dabei.

"Afropolitan Vibes" – so nennt die Band Bantu ihre Konzertsessions, welche sie jeden Monat im ehemaligen Gefängnis Freedom Park (Lagos/Nigeria) spielt.

Adé Bantu, einst Gründer der afrodeutschen Rapper-Allianz "Brothers Keepers", hat mit seiner nigerianischen Band ein neues Album herausgebracht. "Everybody get Agenda" ist gewohnt politisch und musikalisch mitreißend.

Von Daniel Bax

Zur aktuellen Rassismusdebatte, die seit dem Tod von George Floyd nach brutaler Polizeigewalt in den USA auch in Deutschland intensiv geführt wird, hätte Adé Bantu eine Menge zu sagen. Allerdings lebt er schon seit geraumer Zeit in Nigeria, der Heimat seines Vaters, und meldet sich deshalb hierzulande kaum zu Wort.

Vor 20 Jahren war das noch anders. Da war Adé Bantu die treibende Kraft hinter den "Brothers Keepers", einer breiten Allianz afrodeutscher Rapper. Aufgeschreckt vom Mord an dem schwarzen Familienvater Alberto Adriano, der in Dessau von Neonazis zu Tode geprügelt worden war, versammelte Adé Bantu damals die afrodeutschen Stars des deutschen HipHop zum Bündnis.

Kampfansage an alle Rassisten

Ihr gemeinsamer Song "Adriano (Letzte Warnung)" war eine Kampfansage an alle Rassisten und wurde ein Hit – nicht zuletzt, weil prominente Namen wie Xavier Naidoo, Tyron Ricketts, Torch und Afrob daran mitwirkten. Aus dem spontanen Projekt ging ein Verein hervor, der antirassistische Aufklärungsarbeit betrieb, es entstanden zwei Alben und als weibliches Pendant die "Sisters’ Keepers".

Seit mehr als zehn Jahren lebt Adé Bantu in Lagos. Seine Band Bantu, die er bereits in den 1990er Jahren in Köln mit seinem Bruder Abiodum und dem Sänger Patrice gegründet hatte, stellte er dort neu auf. Heute ist sie ein 13-köpfiges Ensemble, die nach dem Vorbild von Fela Kuti jeden Monat im ehemaligen Gefängnis Freedom Park auftritt. Die Konzertsessions nennen sich "Afropolitan Vibes" und sind eines der "weltweit besten Musikevents", schrieb die Village Voice einmal.

Jazziger Funk und "Freedom"-Rufe

Mit "Everybody get Agenda" legen Bantu nun nach drei Jahren wieder ein Album vor. Mitreißender Afrobeat ist ihr Motor, von einem scharfen Bläserset aus Posaune, Trompete und Saxophon angetrieben. Auch die sozialkritischen Texte stehen in der Tradition von Fela Kuti. Der groovende Opener "Animal Carnival" warnt davor, sich von trickreichen Populisten manipulieren zu lassen, denen es gelingt, auf wundersame Weise Millionen Dollar in ihren Taschen verschwinden zu lassen. Die Uptempo-Nummer handelt von der Korruption der "kleptokratischen Klasse", wie Adé Bantu sie nennt. "Disrupt the Programme", fordert er in der von jazzigem Funk geprägten Single, die von "Freedom"-Rufen eingeleitet wird. "Water Cemetery" dagegen beklagt zu Klavierklängen die Menschen, die in der Hoffnung auf ein besseres Leben nach Europa aufgebrochen, misshandelt, vergewaltigt oder versklavt wurden und im Mittelmeer ertrunken sind. Es ist Afrikas Zukunft, die mit ihnen stirbt.

Ehemaliger Mitstreiter Xavier Naidoo

Adé Bantu richtet sein Augenmerk vor allem auf Nigeria – die Entwicklungen in Deutschland verfolgt er nur noch aus der Ferne. Dass sein ehemaliger Mitstreiter Xavier Naidoo auf Abwege geraten ist und in Videos Verschwörungstheorien von angeblichen Ritualmorden und "Reichsbürger"-Thesen verbreitet, ist ihm aber nicht entgangen. Mit scharfen Worten redete er dem irrlichternden Popstar kürzlich auf "Belltower News" ins Gewissen: Rechte Gewalt zu leugnen sei nicht nur falsch, sondern auch "respektlos" gegenüber den vielen Menschen, die von Neonazis und anderen Rassisten getötet worden sind.

Bantu: Everybody get Agenda (Soledad Productions/ Broken Silence), Veröffentlichung: 25. September 2020.

Daniel Bax ist Autor und Journalist und schreibt zu Themen wie Migration, Popkultur und globale Musik. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International oder der Redaktion wieder.

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