Amnesty Journal Katar 14. September 2022

Zwischen Königshaus und Pressefreiheit

Vogelperspektive auf einen Newsroom, in dem Menschen vor Computern an Schreibtischen sitzen und arbeiten, über ihnen sind Lichtstrahler aufgehängt, an den Wänden sind Bildschirme.

In der arabischen Welt gilt Al Jazeera als eine der wichtigsten unabhängigen Nachrichtenquellen. Jedoch wird der Sender vom katarischen Königshaus finanziert. Wie es um die Objektivität bestellt ist, zeigt die Berichterstattung über die Fußball-WM 2022.

Von Hannah El-Hitami

Der katarische Sender Al Jazeera (AJ) gilt vielen arabischsprachigen Menschen als professionelle und zuverlässige Nachrichtenquelle. Von der US-Invasion in den Irak 2003 über den Arabischen Frühling bis hin zum Nahostkonflikt und den Menschenrechtsverletzungen autoritärer Regime in der Region – für ein breites Publikum ist die Berichterstattung von AJ eine Alternative zu staatlicher Propaganda und Zensur.

Doch der Sender wird vom katarischen Königshaus finanziert. 1996 unterstützte der damalige Emir Sheikh Hamad bin Khalifa al-Thani die Gründung von AJ mit 137 Millionen Dollar. Zwar deklarierte er das Geld als Kredit, der bis 2001 zurückgezahlt werden sollte. Da sich das Unternehmen aber nicht selbst finanzieren konnte, wurde der Kredit auf unbestimmte Zeit verlängert.

Bei benachbarten Regierungen unbeliebt

Die katarische Regierung hat wiederholt betont, der Sender berichte unabhängig. Kritiker*innen vermuten jedoch, dass das Königshaus AJ nutzt, um seinen politischen Einfluss in der Region auszuweiten. Damit hat sich der Sender bei den Regierungen der Nachbarländer Katars unbeliebt gemacht.

AJ-Journalist*innen waren in der Vergangenheit wegen kritischer Berichterstattung immer wieder Repressionen ausgesetzt. Im Mai wurde die langjährige AJ-Reporterin Shireen Abu Akleh im Westjordanland offenbar von israelischen Soldaten getötet. 2014 setzte sich Amnesty für drei Mitarbeiter des Senders ein, die in Ägypten inhaftiert wurden.

Wie aber steht es um die Objektivität bei der Berichterstattung über den eigenen Heimatstaat und Geldgeber? Das war bisher schwer zu überprüfen, denn häufig schaffte Katar es nicht in die internationalen Schlagzeilen. Vor zwölf Jahren dann erhielt das Emirat als erster arabischer Staat den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022. In der Folge gab es zahlreiche Vorwürfe und Kontroversen, über die weltweit diskutiert wurde.

Staatliche Stellungnahmen bekommen viel Raum

Zum einen stand der Vorwurf im Raum, Katar habe Bestechungsgeld an die FIFA bezahlt, um WM-Gastgeber zu werden. Zum anderen deckte ein Amnesty-Bericht 2013 auf, wie katarische Arbeitgeber*innen ostasiatische Arbeitsmigran-t*innen ausbeuteten und unter sklaven-ähnlichen Bedingungen festhielten. Viele wurden unter unmenschlichen Bedingungen untergebracht und zu langen Arbeitstagen gezwungen, auch bei großer Hitze. Statistiken der katarischen Behörden zufolge starben zwischen 2010 und 2019 mehr als 15.000 Personen nicht-katarischer Staatsangehörigkeit. Weltweit folgte Kritik an der Ausbeutung der Migrant*innen bis hin zu Boykottforderungen von Fußballer*innen und Fans.

Wie der hauseigene Sender des Golfstaates auf die Kontroversen reagierte, hat eine israelische Forschungsgruppe 2011 bis 2013 untersucht. Sie kam zu dem Schluss, dass die englischsprachige Abteilung von AJ ähnlich über Katar berichtete wie andere Medien aus Europa und den USA. Der arabische Zweig des Senders neigte jedoch zu einer überdurchschnittlich positiven Darstellung des Emirats. Der Studie zufolge benannten alle Redaktionen seltener den katarischen Staat als Schuldigen für die Missstände.

Aktuelle Artikel des Senders im Internet zeigen: AJ thematisiert zwar regelmäßig die Vorwürfe gegen Katar, vor allem in Bezug auf die Ausbeutung von Arbeiter*innen. Allerdings wird staatlichen Stellungnahmen viel Platz eingeräumt und die Schuld für unmenschliche Arbeitsbedingungen eher bei den Arbeitgeber*innen als beim Staat gesucht. Hervorgehoben werden dagegen politische Reformen wie die Abschaffung des Kafala-Systems – deren Wirksamkeit Kritiker*innen allerdings bezweifeln.

Hannah El-Hitami ist freie Journalistin und lebt in Berlin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung von Amnesty International wieder.

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